Mattes & Ammann

Nachhaltig sitzt besser

Meßstetten-Tieringen - Ein neues Textil aus dem Hause Mattes & Ammann verknüpft hohe Qualität mit nachhaltiger Produktion. Der Schlüssel: die eingesetzte Zellulose in einem Polyester-Schaum. In Kooperation mit der Lenzing AG sowie der Eurofoam GmbH entstand so ein hochwertiger Pkw-Sitz, der die Automobilbranche dank seines natürlichen Klima-Managements überzeugt.

Der schwäbische Textilhersteller Mattes & Ammann sorgt für neuen Sitzkomfort bei langen Autofahrten, hat er es doch geschafft, ein Textil zu entwickeln, welches aufgrund von Bi-Elastizität und Klettverschlussresistenz eine dreidimensionale Formgebung ermöglicht. Bis zu 60.000 Martindale-Touren sowie eine atmungsaktive Masche machen es perfekt für den Einsatz in Automobilen. Schweißtreibende Fahrten sind damit passé. Bei diesem Produkt liegt der Fokus zudem auf der Nachhaltigkeit, wie Prokurist Werner Moser erklärt: "Zellulosisches Material nimmt sehr gut Feuchtigkeit auf, ohne sie zu speichern. Da es sich um einen natürlichen Rohstoff handelt, kann es in Bezug auf die Umwelt auch absolut unbedenklich angewendet werden."

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigte die Textilprofis über den Sitzbezugstoff hinaus und führte sie geradewegs zur Lenzing AG. Das österreichische Unternehmen entwickelte ebenfalls ein Zellulose-Produkt: Tencel, Tenecity Cellulose. Die dafür verwendete Lyocellfaser ist wesentlich fester als zum Beispiel Viskose und wurde speziell für den Automobilsektor entwickelt. Da ein Sitz aber nicht nur aus einem textilen Überzug, sondern auch einem Hightech-Innenleben aus sehr speziellen Polyester-Schäumen besteht, arbeitete Lenzing wiederum Hand in Hand mit der Eurofoam-Gruppe, die einen Schaum mit Zellulose-Anteil anbietet. Drei Unternehmen, ein Ziel. So warfen die Betriebe ihre Kompetenzen in einen Topf und entwickelten gemeinsam den Funktionsschaumstoff Lamicell, der kombiniert mit dem Textil aus dem Hause Mattes & Ammann über ein integriertes Klima-Management verfügt und bis zu 70 Prozent seines Gewichts an Feuchtigkeit aufnehmen und anschließend wieder abgeben kann. Moser: "Dass wir uns gefunden haben, war ein Zufall, aber die Zusammenarbeit und insbesondere das Ergebnis sind ein glücklicher Gewinn." Zumal bereits erste Automobilhersteller ihr Interesse bekunden.

Bei der Herstellung von Tencel sahen Dr. Friedrich Suchomel, Abteilungsleiter Neue Anwendungen im Bereich Business Development & Innovation im Unternehmen Lenzing, und sein Team die größte Herausforderung darin, die Natur praktisch zu überlisten: "Die im PU-Schaum eingebrachte Zellulose ist nicht als Faser, sondern sphärisch, also kugelförmig, enthalten. Das entspricht nicht der natürlichen Vorkommensweise, macht das Produkt aber hochwertiger." Das Besondere ist, dass hier keine herkömmliche Tencelfaser, sondern pulverartige Zellulose Verwendung findet, um zu verhindern, dass die Matrix des Schaumstoffes in sich zusammenfällt. Frank Ambraß, Vertriebsleiter Eurofoam, ergänzt: "Der Schaum erfüllt darüber hinaus die hohen Ansprüche der Automobilindustrie. Niedrigste Emissionswerte, kombiniert mit der Funktionalität des Klimamanagements, ergeben hier ein neues und hochinnovatives Produkt." Alle notwendigen Tests im Hinblick auf die Automobiltauglichkeit übernahm die Firma Lenzing in ihrem dafür bestens ausgestatteten Labor - und stellte dabei auch fest, dass die Kombination Textil und Schaum extreme Fi-Werte (Feuchteaufnahme) ergibt: bis zu 24 g/qm, statt standardmäßig nur 3 bis 7 g/qm.

Zudem haben weitere Vergleichstests stattgefunden zwischen teuren Klimasitzen (ausgestattet mit Ventilatoren o.ä.), Standardsitzen und Lamicell. Ein mit zahlreichen Sensoren bestückter Wohlfühldummy führte dabei ebenso erstaunliche Ergebnisse zutage: Lamicell bewegt sich im Bereich Wohlfühlverhalten nur knapp hinter den Werten der bereits am Markt bekannten Luxus-Klimasitze.

Die Erprobungsphase des Sitzes ist fast beendet, die Markteinführung nicht mehr fern. Einige potenzielle Kunden der Automobilindustrie haben bereits Muster des neuen Produktes erhalten und erste Rückmeldungen lassen den Schluss zu, dass Lamicell schnell seine Anhänger finden wird. Moser: "Wir bewegen uns auf einem Markt, der immer wieder gesättigt zu sein scheint, es aber letztlich nicht ist." Sprachs und hat auch direkt das nächste Projekt im Visier: Mattes & Ammann entwickelt derzeit ein weiteres Textil für den Automobilsektor. Dieses soll helfen, Instrumententafeln zu kaschieren. Es verhält sich entsprechend "airbagtauglich", denn der Airbag muss im Notfall ungehindert durch das Armaturenbrett und damit durch das Textil schnellen können. Das bedeutet, Höchstzugkräfte und Höchstzugkraftdehnung müssen genauestens festgelegt sein, damit sich weder ein Ballon bildet, weil das Textil zu schnell nachgibt, noch der Airbag nicht auslösen kann, weil es zu dehnfest ist. "Jetzt aber warten wir zunächst die Einführung von Lamicell ab, dann konzentrieren wir uns auf die nächste Entwicklung."
aus Haustex 11/11 (Sortiment)