Bewehrtes Estrichsystem "Kota Ferrox" in der Sulo-Gruppe, Herford

Instandsetzung von Industrieböden zwischen Estrich-technologie und Stahlbetonbau


Die Anforderungen an Industrieböden wachsen ständig. Dabei geht es nicht nur um fugenlose Flächen mit hohem Abriebwiderstand und demzufolge hohen Festigkeitswerten in Bezug auf Biegezug-, Druck-, Schleif- und Schlagbeanspruchung, sondern insbesondere um umweltrelevante Aspekte. Je nach Beanspruchung des Bodens sind hohe Anforderungen an die Dichtigkeit gestellt.

Am Sitz der Zentrale der Sulo-Gruppe in Herford wurden 10.000 m Betonboden nach über 30 Jahren intensiver Nutzung in Stand gesetzt. Sulo Emballagen und die Plastic Omnium GmbH wollten auf dem Industrieboden hochwertige Verpackungssysteme aus Stahl und Kunststoff produzieren.

Der vorgefundene Untergrund war ein alter, stark beschädigter Beton. Unterschiedliche Materialkombinationen, Schmutz, Öl, Risse, Abrieb und Unebenheiten prägten das Bild und machten die geplante Nutzung unmöglich.

Ein Sachverständiger für Beton brachte den bewehrten Estrich Kota Ferrox ins Spiel. Mit dieser neuen Entwicklung lassen sich Industrieböden revitalisieren. Der Vorzug dieser Lösung besteht in der hohen Biegezugfestigkeit durch den intensiven Verbund der Bewehrung mit dem Untergrund. Hinzu kommt eine hochfeste, dichte, aber verformbare Estrichschicht unter Verwendung von Stahlfasern. An den betriebstechnischen Notwendigkeiten vor Ort orientiert, sind auch abdichtende Estrichflächen gegen wassergefährdende Flüssigkeiten möglich.

Die Entwicklung

Das Schadensbild verlangte einen Estrich mit besonders hoher Biegezugfestigkeit und einem hohen Verformungsvermögen. Weil der Auftraggeber eine fugenlose Fläche wollte, war der Estrich so zu entwickeln, dass er nicht zu wilden Rissbildungen neigt und in der Lage ist, Schwindspannungen abzubauen. Die Zwangsspannungen aus den Unebenheiten des Untergrundes, an denen sich der Estrich verkrallt und die seine Verformung behindern, musste weitgehend rissfrei aufgenommen werden können.

Die Prüfung des Estrichs in einem verformungsgesteuerten Biegezugversuch zeigte, dass der Beton als tragender Untergrund bereits gerissen war und die Rissweite über 5 mm betrug, der Estrich wies hingegen keine Rissbildung auf.

Die Besonderheit des Estrichaufbaus lag darin, dass zum einen ein intensiver Haftverbund über fest mit dem Betonuntergrund verbundene Bewehrung hergestellt, zum anderen über die Estrichrezeptur ein hochduktiles (verformbares) Materialverhalten eingestellt wurde.

In einem schematischen Kraft-Durchbiegungsdiagramm (rechts) kann man die Biegezugfestigkeit darstellen. Das erste Maximum beschreibt die Biegezugfestigkeit des Betons. Danach setzt eine starke Verformung durch die Aufweitung des Risses bis zu dem Zeitpunkt ein, an dem der Haftverbund zwischen Bewehrung, Estrich und Beton zum Tragen kommt. Das System übernimmt zunehmend Spannungen, ohne zerstört zu werden. Bezieht man die Biegespannung auf den Estrichquerschnitt, ergeben sich Biegezugspannungen von über 40 N/mm. Diese hohe Biegezugfestigkeit ist die Voraussetzung dafür, dass trotz schwierigster Untergrundverhältnisse aus Rissen, Versätzen und Materialkombinationen, z.B. Gussasphalt, eine dauerhafte Tragfähigkeit bei weitgehender Fugenfreiheit ermög-licht wird.

Der Estrich

Während die hohe Biegezugfestigkeit im Wesentlichen ein Ergebnis des Haftverbundes Beton-Bewehrung-Estrich war, resultierte die Druckfestigkeit von über 50 N/mm allein aus der Estrichrezeptur. Zusatzmittel und ein Wasser zu Bindemittel-Wert unter 0,5 stellten eine gut verarbeitbare Konsistenz (F4-F5) sicher und minimierten das Schwindmaß.

Die Verformbarkeit des Estrichs wurde auch durch einen Stahlfasergehalt von 75 kg/m sichergestellt. Dadurch wurden Risse im Anfangsstadium am Wachstum gehindert. Sie treten höchstens in mikroskopischen Größenordnungen auf. Die Oberflächenzugfestigkeit betrug mindestens 2N/mm und der Schleifverschleiß war ohne Hartstoffe mit mindestens A6 (sehr schwere Beanspruchung) beschreibbar.

Die Ausführung

Die Vorbereitung der Instandsetzungsmaßnahmen war handwerklich überaus anspruchsvoll. Die Arbeiten bestanden in der Fixierung der Baustahlmatten auf dem sanierungsbedürftigen Betonboden. Die Baustahlmatten BST 500 M(A) wurden planeben mit den im Untergrund verschraubten 8 mm Stahlbolzen und untereinander an den Stößen verschweißt. Die Dauerhaftigkeit des bewehrten Estrichs ist abhängig von der Dichtigkeit der Betonrandzone, die allein den alkalischen Korrosionsschutz der Bewehrung sicherstellt und damit ein Rosten und Abplatzungen verhindert. In den Arbeitsfugen war die Bewehrungsüberdeckung deutlich erkennbar. Mit ca. 25 mm war sogar der DIN 1045-1 für die Exposition XC4 Genüge getan und die Bewehrung langfristig vor Korrosion geschützt.

Da die Konstruktion an sich einen Verbundestrich mit besonders intensiver Bindung an den Untergrund darstellte, musste auch bei metallischen oder randliegenden Einbauten, z.B. Toranschlägen, ein extremer Haftverbund sichergestellt werden. Dazu wurde direkt vor dem Estricheinbau ein wasserverträgliches Epoxidharz auf diese Teile aufgetragen und der frische Estrich im nicht ausgehärteten Zustand des Harzes mit diesem verbunden. Die erzielbaren Zugfestigkeiten des Verbundes Estrich-Stahleinbauteil lagen mit ca. 2N/mm in der Größenordnung des Estrichmörtels selbst.

Der Estricheinbau erfolgte per Rüttelbohle. Ein dichtes Gefüge war die Grundvoraussetzung, um eine dichte Mörtelstruktur zu erreichen. Die Ebenheiten gemäß DIN 18202 wurden wie üblich eingestellt. Nach dem Einbau wurde umgehend ein Verdunstungsschutz auf Epoxidharzbasis aufgebracht, nach dessen Abtrocknung darauf die ebenfalls epoxidharzbasierte Grundierung aufgetragen. Spachtel, Beschichtung oder Versiegelung schloßen wie üblich den Estricheinbau ab.

Zusätzliche Barrierefunktion

Für die Anforderung an Bodenflächen, auf denen Verunreingungen bei der Verwendung von Betriebs-, Reinigungs- und Schmierstoffen stattfinden können, ist zusätzlich eine Barrierefunktion des Estrichs wünschenswert.

Um die Barrierefunktion zu testen und in die Estrichentwicklung einzubeziehen, wurden Scheiben des Estrichs wassergefährdenden Flüssigkeiten wie Diesel ausgesetzt. Unter den Scheiben befanden sich jeweils ein Spiegel, damit der Zeitpunkt der Durchdringung in einer Online-Überwachung genau festgestellt werden konnte. Die Scheiben waren nach ca. 100 Stunden durchdrungen. Mindestens für diese Zeit ist eine Barrierefunktion gegeben.

Eine zusätzliche Absperrung wäre durch die beschriebene Epoxidharzgrundierung realisierbar, wenn diese vollflächig als Haftvermittler auf den Untergrund aufgetragen würde.

Der Autor: Dr. Frank Langer ist Sachverständiger für Estrich & Betontechnologie

Dr.-Ing. Frank Langer
Ingenieurbüro für Baustoffanwendungen, Bauwerksuntersuchung und Instandsetzungsplanung
Andreas-Meyer-Straße 9
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E-Mail: info@i-bbi.de
aus FussbodenTechnik 03/10 (Referenz)