Dr. Thomas Wagner zum Bereich Tischwäsche

Ausrichtung an aktuellen Wohntrends


Der Haustex und ihrer Redaktion herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag! Ebenfalls Jahrgang 1949, kann ich ziemlich genau auf ein halbes Leben, nämlich auf 30 Jahre im Dienste der Textilindustrie zurückblicken, mit allen Höhen und Tiefen. Die Haustex hat uns in dieser ganzen Zeit begleitet und stets sachlich und umfassend zu den anstehenden Themen berichtet - herzlichen Dank für diese Beiträge auch im Namen der Firma Pichler. Gerne möchte ich den Anlass nutzen, um für die Sparte Tischwäsche einen Blick zurück auf die vergangenen 30 Jahre zu werfen und auch einen Ausblick wagen.

Das Thema "Aussteuer", das die Erstausgabe der Haustex vor 60 Jahren und lange danach prägte, war schon vor 30 Jahren kein Thema mehr; längst vorbei waren die Zeiten des Verkäufermarkts, als in den 50er Jahren noch zugeteilt werden musste. Auch die Zeiten von Hamsterkäufen, wo mit günstigen Preisen noch große Mengen bewegt werden konnten, neigten sich Anfang der 80er Jahre dem Ende zu. Als geflügeltes Wort pflegten die Einkäufer schon in meiner Anfangszeit als Verkaufsleiter bei Pichler zu sagen, "die Schränke sind voll, wir brauchen etwas Neues!"

In der Tat hat die Tischwäsche in dieser Zeit einen starken Wandel erfahren: Bis Ende der 70er Jahre haben abgepasst gewebte oder bedruckte Tischdecken das Bild einer Tischdeckenabteilung geprägt, sei es als Damasttischdecke, Kaffeedecke, rustikalere Wohnraumdecke, ggf. mit Klöppelspitze eingerahmt oder als buntgewebte oder bedruckte Gartendecke.

Anfang der 80er Jahre setzen sich dann zunehmend Unidecken und allover gemusterte Tischdecken durch. Hinzu kamen Stickereidecken überwiegend als Mitteldecken und Kleinteile. Sie waren abgepasst gestickt auf feinen batistartigen Geweben; alle Arten von Ajoureffekten, sei es als Cutwork, Ausbrenner, Bändchenstickerei oder Makrameespitze, erlebten einen Höhepunkt - das Tischkleid mit bedruckter oder bestickter Mitteldecke auf einer Uni-Unterdecke war geboren.

Während die abgepasst gewebten und bedruckten Tischdecken überwiegend nur schmal gesäumt waren, wurden bei dem Tischkleid Unterdecken mit Feston-abschluss bevorzugt. Aufgrund ihrer Lohnintensität brachten Stickereidecken und aufwendige Festonarbeiten einen starken Importschub, der sich an den Importstatistiken der Jahre 1980 bis 2000 deutlich ablesen lässt.

Hauptlieferländer für Festondecken waren damals Portugal, später auch die Türkei und Indonesien. Die handgeführte Stickerei begann auf Madeira und wurde dann auf den Philippinen zu einer hohen Reife gebracht. Ende der 90er Jahre brach dieser Markt jedoch zusammen, nachdem Billigimporte aus China den Markt restlos überschwemmt haben. Nur in einigen Nischen, unter anderem bei der Plauener Stickerei, können sich diese Decken heute noch im gehoben Bereich behaupten.

Die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen hat die Anforderungen an Tischdecken im Privathaushalt nach mehr Pflegeleichtigkeit maßgeblich geprägt. Einen Durchbruch bezüglich der Bügelleichtigkeit brachte die Hochveredelung bereits in den 70er Jahren. Dadurch konnte der Waschkrumpf deutlich reduziert und die Formstabilität verbessert werden. Außerdem sind pflegeleicht ausgerüstete Decken knitterarm und leichter zu bügeln. Dieser Anforderung entsprachen auch die 100 Prozent Acryltischdecken, die in den Anfangspreislagen vor allem in den Kaufhäusern dominant waren.

Der Bügelleichtigkeit stand jedoch das Problem gegenüber, dass man hartnäckige Flecken wegen der maximalen Waschtemperatur von 60C nicht einfach "herauskochen" konnte. Zwischenzeitlich haben Mischgewebe aus Polyester und Baumwolle oder auch Gewebe aus 100 Prozent Polyester die Acryl-Tischdecken weitgehend verdrängt. Mischgewebe vereinen hohe Pflegeleichtigkeit, hohe Farbstabilität auch bei intensiven Farben mit Langlebigkeit und haben zudem einen angenehmen Griff. Gut gemacht kann der Laie sie kaum von einer Tischdecke aus 100 Prozent Baumwolle unterscheiden. Selbst bei Hotellerie und Gastronomie, die traditionell auf 100 Prozent Baumwolle bestehen, haben diese Mischgewebe für Tischwäsche einen Siegeszug erlebt.

Als weiterer Trend fand insbesondere bei Damastdecken schon Ende der 70er Jahre eine Fleckschutzausrüstung beim Verbraucher guten Anklang; aber auch hier blieb das Problem, dass nicht rechtzeitig abgetupfte und eingetrocknete Flecken sozusagen fleckversiegelt waren. Pichler hat deshalb diesen Trend nach einigen Versuchen damals nicht weiter verfolgt und lieber auf gute Fleckauswaschbarkeit gesetzt. Noch mehr Pflegekomfort versprachen beschichtete und damit abwischbare Tischdecken. Trotz des spürbar plastikartigen Griffs konnte sich ab Ende der 80er Jahre selbst der gehobene Fachhandel mit diesem Deckentyp anfreunden; die Vorzüge waren bei bestimmten Einsatzanforderungen unbestritten, Garten- und Küchendecken ebneten den Weg.

Mitte der 90er endete mit dem Tischkleid auch die Hochsaison der festonierten Uni-Unterdecke; allover-gemusterte Jacquardecken in uni mit aufwendigem Kuvertsaum oder auch bunt gewebt setzten sich zunehmend durch und behaupten sich bis heute. Mit den Einrichtungsstilen hat sich auch die Tischmode geändert: runde Tische und ausgezogene ovale Tische haben Platz gemacht für breitere und lange Kulissentische. Das Tischdeckenmaß 150/250 cm oder 160/260 cm ist heute zumindest im gehobenen Bereich wichtiger als das frühere Standardmaß einer Esstischdecke mit 130 oder 135/170 cm.

Wen wundert es, dass viele Verbraucher diese großen Tische nicht mehr zudecken wollen, zumal die Tischoberflächen heute meist versiegelt sind und nicht mehr nach dem Schutz durch eine Tischdecke verlangen. Schließlich möchte man ja auch seinen teuer erstandenen Tisch zeigen und nicht verhüllen. Die Tischdeckenanbieter haben mit zahlreichen Lösungen auf diesen Trend reagiert: Gedeckläufer als Tête-à-Tête-Läufer (quer aufgelegt) oder Kulissenläufer (längs aufgelegt) haben einen Boom erlebt. Auch Tischsets haben von diesem Trend profitiert.

Ansprechende Dekorationen sind beispielsweise bei einem Tischmaß 1107200 cm aber auch mit dem Standarmaß 135/170 cm möglich, wenn man die Tischdecke mit ca. 30 cm Überhang quer über den Tisch legt und die Wangen des Tisches frei lässt. Ein schöner Strauß in der Mitte und zum Essen zusätzlich zwei Läufer oder Sets aufgelegt machen wenig Mühe, aber viel Freude. Weitere Möglichkeiten brachten transparente Organzas, bestickt oder bedruckt, die sich mittels Ring raffen lassen oder auch glatt aufgelegt werden. Wichtig ist nur: der Tisch selbst muss noch wirken. So gesehen besteht unsere Aufgabe heute nicht darin, Tischdecken zu verkaufen, sondern einen Beitrag zur Gestaltung von Haus und Heim im Sinne des textilen Wohnens zu leisten. Schließlich ist der Tisch immer noch der Mittelpunkt der Familie und der Gastlichkeit.

Um Gastlichkeit geht es nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern vor allem in Hotellerie und Gastronomie, die wir teilweise mit denselben Tischdecken ausstatten. Wer hätte gedacht, dass unsere bügelfreie Piquédecke Cordoba ihren Siegeszug auch in der anspruchsvollen Gastronomie fortsetzen würde? Die legere Optik hat auch dort gefallen. Beim Test auf Herz und Nieren waren die Experten erstaunt, dass diese Konstruktion auch die Ansprüche im gewerblichen Bereich mehr als erfüllt.

Wie kann es weitergehen? Tischdecken müssen die weiter steigenden Ansprüche nach Komfort erfüllen; wir müssen weiter an allem arbeiten, was in Richtung weniger Waschen und Bügeln geht. Die Entwicklung bügelfreier Tischdecken war ein wichtiger Schritt. Ein weiteres Stichwort heißt Lotus-Effekt durch Nano-Ausrüstung. Es geht um das Versprechen einer verbesserten Fleckschutzausrüstung bei Waschartikeln. Die Chemieindustrie steht im Wort, die dauerhaft schmutzabweisende Wirkung dieser Ausrüstung und vor allem die Auswaschbarkeit eingetrockneter Flecken bei Naturfasern weiter zu verbessern.

In Farben und Musterung werden wir uns weiter an den aktuellen Wohntrends ausrichten. Beim Aufzeigen neuer Trends spielen heute die Wohnzeitschriften eine führende Rolle. Leider kommt dabei die Tischdecke viel zu kurz, ein Problem, dem sich die Tischwäscheanbieter wohl gemeinsam mehr widmen müssen.

Tischdecken unterscheiden sich von Dekostoffen in erster Linie durch die hohen Anforderungen an die Pflege: Tischdecken sind Waschartikel und werden es bleiben. In der klassischen Wäsche- oder Hautextilabteilung fehlt aber leider oft das Umfeld, um Lust auf textiles Wohnen zu schaffen und aktuelle Trends zu vermitteln. Tischdecken haben weit mehr Potential, als man ihnen weithin zumisst. Mit Tischdecken, Läufern und Sets lässt sich ebenso wie mit Sofakissen oder Wohnplaids mit wenigen Handgriffen eine neue Wohnatmosphäre schaffen. Neue Gardinen oder Bilder umzuhängen ist da schon aufwendiger. Abteilungen, denen es gelingt, dieses Potenzial zu wecken, klagen nicht über rückläufige Tischwäsche-Umsätze, so wie die Statistik dies leider heute widerspiegelt. Auch im Bereich des gedeckten Tisches gibt es sehr positive Beispiele von Händlern mit einem beachtlichen Tischwäsche-Umsatz, wenn sie sich einmal mit dem Metier "Textil" angefreundet haben.

Als Hersteller hochwertiger Tischwäsche stellen wir uns dieser Herausforderung, da wir auf den Handel und seine Beratung angewiesen sind. Dass wir in den vergangenen Jahren trotz rückläufiger Kundenzahl unseren Umsatz im Einzelhandel steigern konnten, belegt dies.

In diesem Sinn wünschen wir der Haustex weitere 60 erfolgreiche Jahre. Namen sind bekanntlich Schall und Rauch - auf den Inhalt kommt es an. Die Haustex hat in vielen Bereichen Innovation bewiesen und Innovationen gefördert, so zum Beispiel bei Wasserbetten. Wir würden uns freuen, wenn die Haustex in Zukunft die Begriffsabgrenzung zwischen Haus- und Heimtextilien ignoriert und stärker auf die aktuellen Wohntrends eingeht.
aus Haustex 08/09 (Wirtschaft)