Barbara Sprinzl zum Thema Schlaf-, Wohn- und Reisedecken

Vor uns liegen spannende Jahre


"60 Jahre Haustex" - ein stolzes Jubiläum, zu dem ich ganz herzlich gratuliere. Seit so vielen Jahrzehnten ist die Haustex eine verlässliche Konstante im Heim- und Haustextilienmarkt, sei es als Quelle der Information oder als Präsentationsplattform. Im vielfältigen Themenspektrum bietet sie umfassende Fachinformationen, immer mit aktuellen Sonder-Themen und Schwerpunkt-Ausgaben. Wenn es um fundierte Berichterstattung in den Fachgebieten Bett-, Tisch- und Hauswäsche, Betten, Bettwaren, Decken sowie Matratzen/Schlafsysteme geht, kommt niemand an der Haustex vorbei - und das seit Jahrzehnten. Gerade für den Produktbereich, für den ich hier schreibe, für die Schlaf-, Wohn- und Reisedecken, gibt es nichts Vergleichbares auf dem deutschen Fachzeitschriftenmarkt.

Einfach "der Feder freien Lauf zu lassen" über unsere Nische der Haustextiliensparte, ist gar nicht so einfach, denn viele Dinge, die sich im Laufe der Jahre verändert haben, reflektiert man ja gar nicht mehr, sondern nimmt sie als gegeben. Und zugegebenermaßen bin ich ja auch erst seit etwas über zehn Jahren dabei. Doch genau in dieser Zeit ist vieles anders geworden. Daher nutze ich gerne die Gelegenheit, Trends und Entwicklungen nachzuzeichnen und einen Ausblick in die Zukunft zu wagen, nachgezeichnet am Produkt der Decken und Plaids.

Seit den Anfängen der Haustex hat der Artikel "Wolldecke" eine grundlegende Veränderung erfahren. "Reisedecken" waren Anfang der 50er Jahre teils wirklich noch notwendig in unbeheizten Transportmitteln, und auch der Wärmeeffekt im Winter, sei es im Wohn- oder im Schlafzimmer, war ein entscheidendes Kriterium. So gab es schwere, möglichst Schmutz unempfindliche Decken, der Designaspekt stand im Hintergrund. Das Gewicht war gleichzeitig Qualitätsmerkmal, die Verfeinerung der Warenqualität durch Ausnutzung natürlicher Fasereigenschaften kam erst langsam in Gang. Eine Decke war ein reiner Bedarfsartikel und kaum mehr. Heute soll ein gutes Wollplaid immer noch wärmen, noch dazu in Zeiten explodierender Energiekosten, aber das Plaid ist zum funktionalen Einrichtungsgegenstand geworden. Der Trend zum "Homing", in dem das private Heim zum Lebensmittelpunkt geworden ist, das Wohnen, Repräsentieren, Spielen, Beisammensein, aber auch Arbeiten vereinen muss, wirkt sich deutlich aus. Man will ein schönes Heim, für sich selbst, aber auch für andere. So möchte man sein Wollplaid auch zeigen können, vielleicht sogar ein Highlight in der Wohnungsdekoration damit setzen, gleichzeitig damit aber auch in Ruhe abschalten, entspannen und kuscheln können.

An diesen Trend knüpfen sich weitere Anforderungen, die in den letzten fünf Jahren von Konsumenten und Handel verstärkt an uns Hersteller und unsere Produkte gestellt werden: zum einen wird international anerkanntes Design immer wichtiger, aber auch ethisch und ökologisch verträgliche Produktion rückt in den Focus, und letztlich erwartet der Markt immer schnellere Kollektionswechsel. Vor allem die moralische und umweltbewusste Komponente sind im Vergleich zu den Anfängen der Haustex völlig neue Kriterien, die zwar zunächst nebensächlich erscheinen, aber vor dem Hintergrund negativer Auswüchse in diesem Bereich, insbesondere in der globalisierten Textilindustrie, ein entscheidender Faktor für Hersteller und Konsumenten werden. Auch die höheren Ansprüche an Design und die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit machen immer neue Anstrengungen der Produktentwickler nötig. Trotz allem langlebige und qualitativ beständige Produkte anzubieten, ist unsere Antwort auf diese veränderten Bedingungen - und natürlich eine eigene inländische Fertigung. Gutes Design bedeutet ja nicht, modischen Trends hinterherzulaufen, sondern auf die Funktion ausgerichtete, durchdachte Produkte zu entwickeln, die möglichst lange ihren Dienst tun.

Aber natürlich ist der Markt auch modischen Trends unterworfen. Ein gewisser Zeitgeist spielt mit. Waren vor 60 Jahren Wolldecken vornehmlich gewebt und hatten Karomuster in meist gedeckten Farben (auch wenn unsere alten Musterbücher hier wirklich mutige Ausnahmen dokumentieren!), so hat sich hier viel gewandelt. Heute gibt es gestrickte, geraschelte, gewebte Plaids, aus Cashmere, aus echtem Pelz, aus Mohair, Kamelhaar und Seide, um nur aus unserem eigenen Produktspektrum zu zitieren. Die Dessins zeigen Streifen, Figuren, Schrift, es gibt Applikationen aus Stoff, Glitzersteinchen oder Leder. Ganz deutlich beeinflusst die Mode das Design der Haustextilien ebenso wie Einrichtungstrends. So gab es in den letzten Jahren eine Welle mit Pastelltönen, auch eine Phase der Non-Colours von Hellgrau bis Anthrazit und in diesem Jahr schließlich haben die Beerentöne aus der Bekleidung auch die Haustextilien erfasst.

Was die Trends der Zukunft sein werden, kann ich höchstens ganz grob erahnen. Die skizzierten Einflussfaktoren und die Kreativität der Hersteller werden immer wieder neue und verbesserte, funktionale und angenehme Produkte hervorbringen, wovon die Verbraucher profitieren werden. Vorstellbar sind durch die Weiterentwicklungen synthetischer Fasern oder Veredlungen auch von Naturfasern in der Zukunft ganz neue Materialeigenschaften, wie das Aufbringen von permanenten Duftstoffen, von Kühlpartikeln oder gar Medikamenten. Nicht zu sprechen von der Einarbeitung elektronischer Elemente wie z.B. GPS-Empfängern oder MP3-Playern. Das, was uns heute noch unsinnig und unmöglich erscheinen mag, kann in zehn Jahren schon selbstverständlich sein. Sicher aber werden Kriterien wie Langlebigkeit, Ökologieverträglichkeit, Design und natürlich auch die Funktionalität von Wärmen bis Kuscheln - vielleicht in Kombination mit Musikhören oder Telefonieren - weiterhin bestimmend sein.

Es haben sich aber auch die Bedingungen des Handels verändert. Seit der ersten Haustex-Ausgabe wurden die Kaufhauskonzerne größer und größer, um schließlich in einer aktuellen Krise festzustecken. Discounter kamen auf und beschränken sich schon längst nicht mehr auf Lebensmittel. Der Versandhandel entstand, diversifizierte sich vom Universal- bis zum Spezialversender, um schließlich die digitale Welt zu erschließen. In immer neuen Formen wird der Kampf um den Käufer geführt, in einer gesättigten und neuerdings von Krisen geschüttelten Konsumgesellschaft. Der Verbraucher lässt sich heute nicht mehr darauf festlegen, wo und zu welchem Preis er kauft. Es ist heute rein gesellschaftlich kein Problem mehr, seine Lebensmittel im Discounter und zugleich im Feinkostgeschäft zu kaufen und ebenso das Spannbettlaken beim Kaffeeröster und den Bettbezug im noblen Aussteuerhaus. Nein, für die, die es sich leisten können, ist ein Schnäppchen keine Schande, sondern ein Vergnügen. Aber die Spanne zu denen, die es sich nicht leisten können, wird immer größer.

Und doch gibt es viele Fachgeschäfte, die dem Trend zu immer billigeren Angeboten trotzen, die den Kunden nicht das Gefühl geben, nur Geld ausgegeben, sondern sein Heim bereichert zu haben. Und wer das mit besonderem Erfolg, mit besonderer Hingabe macht, das lesen wir immer wieder in der Haustex. Sie initiiert sogar einen Wettbewerb um den Titel des "Bettenfachhändlers des Jahres". Der Verbraucher möchte angeregt werden durch ansprechende, Produktgruppen übergreifende Warenpräsentation, möchte kompetentes Verkaufspersonal um sich haben und schließlich der Überzeugung sein, gut eingekauft zu haben. Das geht nur im engagierten Einzelhandel, mit klaren Konzepten, mit gut ausgebildeten Verkäufern und guten Service-Ideen. Und die Vorteile der elektronischen Medien können auch vom Einzelhandel genutzt werden, sei es für den Kontakt zum Kunden oder zu seinen Lieferanten. Dabei hat sich aber gerade unsere Kundenstruktur, also bei den Geschäften, die unsere Produkte anbieten, sehr verändert. Waren es vor 20 Jahren noch vornehmlich Bettenfachgeschäfte und Aussteuerhäuser, so haben wir heute einen großen Anteil an Raumausstattern und Einrichtungsgeschäften. Dies ist einerseits auf die oben beschriebene Wandlung des Produkts vom wärmenden Bedarfsgegenstand zum Einrichtungsaccessoire zurückzuführen, dokumentiert aber auch den tiefgreifenden Wandel im Heim- und Haustextilienbereich, der in den letzten zehn bis 15 Jahren stattgefunden hat. Viele Geschäfte konnten den gestiegenen Erwartungen und auch dem Druck der Discounter und Versender nicht standhalten.

Doch schließlich sind auch wir Hersteller gefordert, dem Handel kommerzielle Konzepte anzubieten, sei es in der Kollektionsentwicklung und -präsentation, im Preisgefüge oder im Service. Dabei sind Kooperationen von Seiten der Hersteller aus verschiedenen Branchen von großem Nutzen. Ganzheitliche Konzepte wie z.B. die passende Decke zum Sofabezug oder zur Bettwäsche oder zum Vorhang oder oder oder ..., dies sind Möglichkeiten, nicht nur für die Industrie, Synergieeffekte zu nutzen, sondern auch für den Handel. Wohnaccessoires wie Decken und Plaids, die einen dekorativen wie auch funktionalen Zweck erfüllen, werden immer gefragt bleiben, auch wenn sich der Vertrieb weiter wandeln wird. Vor uns liegen spannende Jahre, denn die Veränderungen werden noch weiter gehen. Erfolgreich werden im Handel wie in der Industrie Konzepte sein, die übergreifende Trends aufgreifen und sich deutlich zum Dienst am Kunden bekennen. Und auf diesem Weg wird uns die Haustex sicher noch viele Jahrzehnte begleiten.
aus Haustex 08/09 (Wirtschaft)