Heimtextil 2010

Anfängliche Skepsis wich hoffnungsvollen Aussichten


Frankfurt - Die große Frage der Branche zu Beginn dieses Jahres: Was wird die Messe Heimtextil 2010 bringen? Denn das wirtschaftliche Jahr 2009 war katastrophal, die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist im letzten Jahr so stark gesunken wie nie zuvor. Andererseits ist der Handel, speziell der Bettenfachhandel, offenbar noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Anders auf Herstellerseite, wo Firmen mit einem nennenswerten Export zum Teil ordentlich bluten mussten. Skepsis daher allerorten im Vorfeld der Messe. Doch es kann offensichtlich Entwarnung gegeben werden: Handel wie Industrie waren in Frankfurt erstaunlich gut "drauf'. Kommentar eines Ausstellers: "Wenn 2009 ein Krisenjahr war, hätten wir gerne weitere fünf Jahre solch eine Krise."

Die Messe Frankfurt zog am Ende der Veranstaltung ein rundum positives Fazit: Die 40. Heimtextil habe mit deutlich positiven Signalen für das Geschäftsjahr 2010 geendet. Nach Zählung der Messegesellschaft haben 72.000 Fachbesucher aus mehr als 120 Ländern die internationale Leitmesse für Wohn- und Objekttextilien genutzt, um ihre Lager wieder zu füllen und sich frische Inspiration für die neue Saison zu holen. Insgesamt 2.521 Aussteller aus 60 Ländern waren zu Gast in den Messehallen. "Die diesjährige Heimtextil war ein voller Erfolg. Trotz der schwierigen Lage in der Textilindustrie und auf Abnehmerseite hatten wir nicht nur stabile Ausstellerzahlen, sondern auch ein Plus bei den Besuchern", freute sich Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Gegenüber den revidiert 70.000 Besuchern 2009 registrierte man in diesem Jahr ein Plus von rund 2.000. Auch die Stimmung war nach seinem Empfinden gut. "Auf der Heimtextil herrschte förmlich Aufbruchstimmung", so Braun. Das bestätigt auch Bernd Kout, stellvertretender Vorsitzender des Verbands der Deutschen Heimtextilien-Industrie e.V.: "Wir alle sind mit gespannten Erwartungen zur Heimtextil gereist und sind mehr als positiv überrascht worden. Vor allem die Überseemärkte scheinen aus ihrer Schockstarre erwacht zu sein. Die Kunden begreifen, dass sie etwas machen müssen, um sich auf dem Markt zu behaupten."

"Wir sind sehr glücklich mit der Veranstaltung 2010", sagt Hugues-Arnaud Mayer, Generaldirektor der französischen Firma Abeil SA. "Der große Erfolg der Heimtextil ist ihre Internationalität. Wenn wir hierher kommen, reisen wir nicht nach Deutschland, wir reisen zur internationalen Heimtextilbranche." Diese Einschätzung bestätigte sich auch in den Zahlen, welche die Messe erhoben hat. Die Heimtextil hat demzufolge besonders international weiter an Bedeutung gewonnen. Nicht nur auf Ausstellerseite sei die Beteiligung aus dem Ausland mit 85 Prozent einzigartig hoch gewesen. Auch bei den Besuchern ist die Veranstaltung international gewachsen. Während das Inland im Vergleich zum Vorjahr mit mehr als 25.000 Besuchern erfreulich stabil geblieben sei, so die Messe, habe es international ein Wachstum um sechs Prozent gegeben. "Die Heimtextil hat ihre Position als globale Auftaktveranstaltung der Textilwelt mehr als deutlich untermauert", betont Braun.

Deutlich positiver als noch im Vorjahr äußerten sich Besucher und Aussteller der Heimtextil zur aktuellen Branchenkonjunktur. 71 Prozent sowohl der Aussteller als auch der Besucher schätzten diese als gut bis befriedigend ein. 2009 waren es noch 56 Prozent der Aussteller und 66 Prozent der Besucher. Damit scheine die Talsohle der besonders international vernetzten Textilbranche durchschritten, vermutet die Heimtextil. Dies deckt sich mit der durch die Redaktion eingefangenen Stimmung in den Haustextil-Hallen 8 und 11. Die Industrie ist froh, ein schweres Jahr 2009 hinter sich zu haben und setzt auf ein etwas angenehmeres 2010. Ermutigt darin wird sie durch die gute Stimmung ihrer Handelspartner. Im Großen und Ganzen sind die Einzelhändler gut übers Jahr gekommen, mit einem kleinen Umsatzminus oder sogar mit einem Plus, wie der Haustex fast verschämt hinter vorgehaltener Hand berichtet wurde. Da man aufgrund der schlechten Vorzeichen vorsichtig geordert hatte, sanken die Lagerbestände stärker als erwartet, so dass jetzt wieder verstärkter Orderbedarf besteht. Ein Übriges tat der Winter, der die Freundlichkeit hatte, schon im Dezember mit harschen Temperaturen einzusetzen und für weitere Abverkäufe sorgte.

Doch auch die Messe hatte im Vorfeld dafür gesorgt, dass die Besucher positiv gestimmt nach Frankfurt reisten. So verteilte sie Gratis-Eintrittskarten an die ersten 1.000 Bettenfachhändler, die sich bei der Messe meldeten. Und wie zu hören war, wurden auch an Besucher des letzten Jahres Freikarten verteilt. Erstmals wurden auch die Raumausstatter stärker umworben und mit einem Rundum-Wohlfühl-Paket versehen. Mehr als 3.500 solcher Pakete wurden verteilt, mit der Möglichkeit des freien Eintritts, einer eigenen Lounge und kostenlosem gastronomischem Angebot. Ein interessantes Vortragsprogramm, das allerdings mehr Zuhörer verdient hätte, fand auf dem Lets-talk-about-it-Areal in Halle 8 abgehalten.

Im Anschluss an die Preisverleihung der Haustex an die Bettenfachhändler des Jahres 2010 richtete die Heimtextil in der Halle 8 sogar erstmals einen Branchenabend für die Haustextil-Branche aus, mit Drinks, Häppchen und fetziger Musik.. Wer kommen wollte, egal ob Aussteller oder Besucher, war herzlich willkommen. Es war bedauerlich, dass trotz zahlreicher Einladungen nur Wenige den Weg dorthin fanden, denn damit haben sie zumindest fürs Erste die Chance vertan, einem informellen Abend in Frankfurt zum Erfolg zu verhelfen. Doch Olaf Schmidt und Objektleiterin Meike Schad von der Messe Frankfurt versicherten, dass man im kommenden Jahr auf jeden Fall einen weiteren Anlauf nehmen wolle, die Branche zu einem gemütlichen Abend zusammenzurufen. Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten. So präsentierte sich die Halle 8 erneut etwas bunter, was die Bestückung mit Ausstellern betraf. Ob beispielsweise ein Gemeinschaftsstand von ägyptischen Anbietern in der Halle der Weisheit letzter Schluss ist, darf zumindest bezweifelt werden. Im Gespräch äußerten einige Aussteller ihren Unmut darüber und wünschten sich mehr einheimische Hersteller in ihrer Nachbarschaft. Andere wiederum scherte der bunte Mix überhaupt nicht. Ihrer Meinung nach findet der deutsche Fachhandel in "seiner" Halle 8 nach wie vor ein repräsentatives Sortiment, aus dem er sich bedienen kann.

Und dann war da noch das Thema der Halle 11. Einig waren sich alle darin, dass sie baulich imposant ist und ein angenehmes Arbeitsklima verströmt. Aber warum die meisten Aussteller der Halle 9 des letzten Jahres nun in die 11 wandern mussten, erschloss sich kaum jemandem, schon gar nicht den Besuchern, die nun noch mehr Meter auf der Messe abzulaufen hatten. Ein Selbstversuch zeigte, dass man stolze fünf Minuten braucht, wenn man schnellen Schrittes vom Haupteingang der Halle 8 zum Eingang der 11 gelangen möchte. Der eine oder andere Rempler mit langsameren Besuchern in der Via Mobile auf dem Laufband ist dabei schon einkalkuliert. Und luftig war es in der Halle nicht nur in der Vertikalen, sondern auch in der Horizontalen: Die Außenwände waren auf beiden Ebenen der 11 nicht belegt, stattdessen sorgten mehr oder minder künstlerische Installationen dafür, dass die Leerstände in der Halle nicht so sehr auffielen. Auch die Laufwege zwischen den Ständen waren großzügig bemessen. Nötig war das nicht, denn die Frequenz in der Halle wäre auch bei schmaleren Gängen nicht ins Stocken geraten. Die Kunden fanden in der Halle sicherlich zu ihren Stammlieferanten, doch die Zahl derer, die einfach mal schauen wollten, was sich in der Halle tut, war recht übersichtlich.

Leid tun konnten einem die Aussteller in der 9.0. Sie waren offenbar der Rest vom Schützenfest, der nicht in die 11 passte, aber auch nicht in die 8. Welches Konzept dort zum Tragen kam, erschloss sich dem Betrachter weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick. Fast konnte man darauf wetten, dass in diesem Jahr unter den Ausstellern wieder das Thema Preisnachlass für einzelne Unternehmen behandelt wurde. Anlass war die Anwesenheit der Firma Frankenstolz mit ihrer Tochter Reformetta Häussling, die dem Vernehmen nach im letzten Sommer schon so gut wie entschieden hatte, nicht nach Frankfurt zu kommen. Mehrere Gesprächspartner auf der Messe wussten aus angeblich gesicherter Quelle, dass das Unternehmen, neben anderen, nur mit deutlichen Rabatten von der Abwanderung abgehalten werden konnte. Die Mutmaßungen über den Preisnachlass schwankten zwischen 20 und 100 Prozent! Im Gespräch mit der Haustex versicherte Frankenstolz-Geschäftsführer Eberhard Künstler, dass man eine Rechnung mit ganz normalen Preisen erhalten habe. Aber selbst wenn die Heimtextil einen so wichtigen Ankermieter wie Frankenstolz mit Sonderkonditionen geködert haben sollte, könnte man das auch als Investition der Messe in die Qualität der Halle 8 ansehen, wovon alle anderen Aussteller in der Halle auch profitierten. Denn man mag sich nicht vorstellen, wie die Halle 8 aussähe, wenn das Branchenschwergewicht Frankenstolz fehlen sollte.

Wer auf der Messe einen Generaltrend suchte, musste unverrichteter Dinge wieder heimkehren. Das Angebot der Aussteller war grundsolide, aber, mit wenigen Ausnahmen, im Wesentlichen unspektakulär. Die Verwendung von Silber als antibakteriell wirkendes Mittel, ob in ionisierter Form als Ausrüstung oder in Garnen verwendet, setzte sich in Frankfurt fort. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Zinkoxid an seine Stelle tritt. Die Firma Smartcell stellte in Frankfurt eine Faser vor, die dieses in der Kosmetik und Medizin verwendete Produkt enthält. Erste Hersteller testen Endprodukte, die diese Faser enthalten. Interessant ist eine weitere Faser auf Polyesterbasis, die im Gegensatz zu normalen PE-Fasern hydrophil reagiert. Sie verspricht als Füllung in Bettwaren ein verbessertes Feuchtigkeitsmanagement. Der Faserproduzent Wellman International hat diese Faser auf der Heimtextil vorgestellt und dem Bettwarenproduzenten Sanders das exklusive Vermarktungsrecht für 2010 eingeräumt. Sanders zeigte überdies auf seinem Stand eine Bettdecke, die schachbrettartig konstruiert ist und eine besondere Anschmiegbarkeit an den Schläfer aufweisen soll. Die Firma Irisette zeigte ein Bettwäsche-Dessin, das per Inkjet gedruckt wurde. Mit dieser Technik erreicht man, im Gegensatz zum herkömmlichen Druck, eine variantenreiche Musterung mit wesentlich feineren Farbverläufen. Durch längeren Produktionsprozess ist dieses Produkt im oberen Preissegment angesiedelt.

Im Anschluss an die Heimtextil fand in Köln die Möbelmesse statt, die das Thema Schlafen mit den Schwerpunkten Matratzen und Schlafsysteme in der Halle 9 abdeckt. In der März-Ausgabe der Haustex gehen wir ausführlich darauf ein. Nur soviel vorab: Auch dort war, wie in Frankfurt, die Stimmung unter den Ausstellern positiv. Die Halle 9 war gut besucht, insgesamt registrierte die Messe mit rund 100.000 Besuchern trotz eines Messetages weniger eine gegenüber dem Vorjahr nahezu unveränderte Besucherzahl. Als erfreulich ist zu werten, dass die Zahl der Fachbesucher über dem Vorjahr lag. Die nächste Heimtextil findet vom 12. bis 15. Januar 2011 statt.
aus Haustex 02/10 (Wirtschaft)