Marburg

Natur und Technik prägen Colanis neue Kollektion

"Architekten sollten Innenarchitekten mehr zu Wort kommen lassen", ist der Designer Lugi Colani überzeugt. Mit seiner
neuen Kollektion "Visions" für die Marburger Tapetenfabrik gibt er denen gleich die richtigen Produkte für die Wand-gestaltung an die Hand. BTH Heimtex war bei der Präsentation in Hamburg dabei.


DLuigi Colani in einem von ihm entworfenen Sessel vor einer Tapetenbahn aus seiner neuen Kollektion "Visions".
er Designer Luigi Colani mag es rund und vertritt diese Vorliebe mit wortgewaltiger Überzeugungskraft. "Wir müssen mehr Nestcharakter in unsere Innenräume bringen", kritisiert er den kantigen Mainstream moderner Architektur. Es gebe in den Wohnungen keine weiche Linie, der das Auge folgen könne und ihm ermögliche, sich auszuruhen. "Architekten sollten Innenarchitekten mehr zu Wort kommen lassen", schlägt der 84-Jährige vor und empfiehlt sich damit selbst. Schließlich sind seine Entwürfe für Autos, Flugzeuge, Konsumgüter und Inneneinrichtungen frei von rechten Winkeln. Seinen Hang zu aerodynamischen und biomorphen Formen hat der stets in Weiß gekleidete Kosmopolit auch in seine dritten Kollektion für die Marburger Tapetenfabrik einfließen lassen, die er bei einem Fototermin in Hamburg erstmals präsentierte.

Natur und Technik bestimmen die sehr edle Karte des Multitalents, die den weitblickenden Titel "Visions" trägt: Kurven, baumrindenartige Strukturen und wasserstrudelförmige Dessins mit metallischen glatten und matt glänzenden Oberflächen. Die Farben sind subtil, klar und zurückhaltend von schimmerndem Stahlblau über silbriges Grau bis hin zu einem schlammigen Mattgold und einem Grün, das an oxidiertes Kupfer erinnert. "Große Flächen wollen gestaltet werden und dafür sind Tapeten ein einmaliges Trägermaterial", meint Colani, der die Wandbekleidung für einen integralen Bestandteil der Innenarchitektur hält. Wer sich wie er mit Inneneinrichtung beschäftige, komme zwangsläufig zur Tapete.

Der für seine deutliche Sprache berüchtigte Designer lobt ganz brav die gute Zusammenarbeit mit Marburgs Chefdesigner Dieter Langer. Dieser habe aus einer Vielzahl an Skizzen und Entwürfen eine Auswahl getroffen, die den Ansprüchen der internationalen Märkte gerecht würden. "Langer hat gute Arbeit geleistet", schmeichelte Colani, der sich nach eigenen Angaben bei der Zusammensetzung von "Visions" zurückgehalten habe. "Ich bin die kompromissbereiteste Kreatur der Welt", kommentierte er mit einem Hauch Selbstironie seine Bereitschaft, dem Fachmann die Auslese "für den gedämpften Architekturmarkt" zu überlassen.

Für künftige Tapetenentwürfe kündigte Colani aber schon an: "Ich möchte immer noch frecher werden." Im Entstehen sei eine Tapete, die im hellen Bereich eines Zimmers dunkel sei und umgekehrt. "Sie sorgt für Ausgleich zwischen hell und dunkel", erläuterte Colani. Zudem hofft er, für ein Unesco-Hotel in Abu Dhabi Tapetenkollektionen entwerfen zu können. Für die arabische Welt dürften diese viel bunter ausfallen als für Europa. Sie würden extravagant und verrückt - vorausgesetzt, Colani erhält den Auftrag. Der Designer hat offensichtlich Spaß an der Auseinandersetzung mit Wänden.

Aber auch die Provokation bereitet ihm sichtlich Freude. In Hamburg machte er deutlich, was er vom Prestigeprojekt Elbphilharmonie hält: nichts. Das sei keinesfalls ein Wahrzeichen, schimpfte er und zeichnet eine Alternative auf Papier: ein mehrere hundert Meter hohes Rohrgerüst in der Elbe, in der Mitte aufgehängt eine fliegende Untertasse, in der man Kaffee trinken kann. In der Dunkelheit ergibt sich aus dem Bau, dessen Teile Lampen tragen, ein "H" für Hamburg. "Damit hättet Ihr Euer Wahrzeichen", polterte Colani.

Die Kollektion "Visions" wird offiziell erstmals am Stand der Marburger Tapetenfabrik bei der Heimtextil in Frankfurt vorgestellt.
aus BTH Heimtex 01/13 (Sortiment)