Interior-Trends zur imm cologne

Nachhaltigkeit von Formen und Produkten


Köln - Seit nunmehr sieben Jahren beruft die imm cologne ein international besetztes Expertengremium ein, um die zentralen Themen für das Interior Design der jeweils kommenden Saison zu identifizieren: das Trendboard, das in jährlich wechselnder Besetzung einige der einflussreichsten Designer, Architekten, Fachpublizisten und Materialexperten versammelt und anhand von Material- und Farbmustern die Erscheinungsformen der Interior Trends bis ins Detail bestimmt.

Das 72-seitige Trendbook ist eine Darstellung dieser Trends anhand von einfühlsamen Textskizzen zu den formalen und emotionalen Motiven, ausgestattet mit aufwendig inszenierten Fotos und detaillierten Informationen zu den Farbwerten und Materialcollagen.

Mit seiner Veröffentlichung im Herbst zieht das Trendbook eine Zwischenbilanz zu den Frühjahrspräsentationen und gewichtet die Entwicklungen, die es bis auf die erste große Einrichtungs- und Ordermesse des Jahres, die imm cologne 2011 schaffen werden, nach ihrem Potenzial für das Interior Design der Zukunft. Insgesamt werden in dem von der imm cologne herausgegebenen Buch "Interior Trends 2011" die vier wichtigsten Tendenzen im Design und in der Wohnkultur herausgearbeitet.

Emotional Austerity
Nach der Krise stellt sich für viele die Frage: Was braucht man wirklich, um gut zu wohnen? Es gilt, aus der Leere etwas Neues zu schaffen. Verspielte Opulenz oder gar frivoler Glanz finden sich entsprechend selten in den aktuellen Entwürfen hochwertiger Möbel und eleganter Interieurs. Dafür zeigen sie eine Leidenschaft für Schlichtheit und formale Strenge, die ansteckend wirkt, fast heiter. Mit filigranen Formen und weichen Farben sprechen sie nicht nur unseren Kopf, sondern auch unser Herz an. Daneben stehen hübsch bescheiden kastige oder runde Grundformen. Die Reduktion auf das Wesentliche ist eine Glaubensfrage, und die Klassiker der Moderne werden als Zeugen dafür berufen, dass es möglich ist, die Essenz der Dinge zu erfassen. In diesem Interior Trend zeigt sich auch besonders stark die neue Lust des Designs am Neu-Zusammensetzen alter Formen und Techniken und ihrer Durchmischung mit neuen Elementen und Funktionen. Farbe und Materialien sind von der Natur dominiert. Zu Materialien wie Leder, Filz, Holz und Pflanzenfasern gesellen sich aber auch technische Gewebe, und das alles in geprägten oder gesteppten Oberflächen.

Surprising Empathy
In diesem Interior Trend fühlen sich all jene zuhause, die nach neuen Formen und Konzepten für die Zukunft suchen, weil sie sich nicht mehr mit aufgepeppten Varianten des einmal Erreichten zufriedengeben wollen. Designer verschieben die Grenzen des Machbaren, suchen die Lösung für unsere Probleme in der Technologie neuer Produktionsverfahren und intelligenten Materialien. Auch das Gegensätzliche als Gestaltungsprinzip hat die Aufgabe, unsere Sinne zu schärfen und uns immer wieder zu überraschen, uns neue Räume zu eröffnen und uns willkommen zu heißen. Was leicht wirkt, entpuppt sich als schwer und belastbar, was schwer und massiv aussieht, betört durch seine Leichtigkeit. Das gilt für Formen und Materialien. Volumen erscheinen luftig oder werden bis auf ihren Umriss reduziert, um Ballast abzuwerfen, während zweidimensionale Flächen durch wabige und geflochtene Strukturen Tiefe gewinnen. Für neue Funktionen werden kurzerhand neue Formen gefunden. Insgesamt bestimmen kantige und gefaltete Strukturen die Ästhetik. Farblich dominiert ein kaltes Grau, begleitet von Aschegrau und Schwarz, aufgehellt durch leuchtende Akzente in Zitrusgelb und Mandarinenorange. Ein leichtes Taupe vermittelt zwischen Grau und Weiß und sorgt für etwas Weichheit in der Farbskala.

Transforming Perspectives
Nicht nur die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändern sich, auch das Design selbst sucht neue Wege. Gerade in der sonst so spektakulären Ecke der Designwelt ist es etwas stiller geworden, das Motto "pimp my life" hat als Konzept ausgedient. In der lustbetonten Szene der Inszenierung und Selbstinszenierung, deren derzeitiges Lebensgefühl der Interior Trend "Transforming Perspectives" beschreibt, geht es vor allem darum, Stimmungen zu filtern, neue Designansätze auszuprobieren, radikale Entwürfe vorzuschlagen. Design ist ein Mittel zur Kommunikation, und so werden neu gewonnene Perspektiven auf Design, Natur, Technik, Wohnkultur usw. vermittelt. Halb vergessene Luxusobjekte, durch Alter und Patina verändert, werden wieder entdeckt. Und auch wenn viele das Übermarketing leid sind und nach Persönlichkeit in den Objekten des täglichen Lebens suchen, so wollen einige es noch einmal wissen und treiben die Klischees noch weiter ins Extreme. Es wird viel Wert auf Materialausführungen, auf poliert oder matt ausgeführte Oberflächen gelegt. In der Experimentierwerkstatt wird vorwiegend mit geschäumten Metallen, Mineralverbundstoffen, Glas- und Metallgeweben gearbeitet, ergänzt durch weiche und harte Kunststoffe. Viele Produkte zeigen eine dank optischer Effekte, Netz- und Gitterstrukturen wandelbare Oberfläche. Die Interieurs dürfen auch schon mal in richtigen Farben schillern: Ein dunkles Pflaumenblau bildet den dominanten Hintergrund für einen künstlichen Lavendelton sowie ein ins Violett schimmerndes Taubengrau. Akzente setzt ein metallbraun glänzender Caramelton.

Re-Balancing
Es gilt, die Welt wenigstens im Kleinen etwas zurechtzurücken. Und schon zieht ein Hauch von Revolution ein in die Harmonie der eigenen vier Wände. Die mentale Komfort-Zone mausert sich zum experimentellen Gegenentwurf zu den repräsentativen Vorbildern der Hochglanz-Zeitschriften. Die Menschen sind der Vermarktung der künstlichen Design-Ikonen überdrüssig und suchen sich einfach neue, die ihrer Lebenswirklichkeit näher sind: nützliche Helfer und vertraute Begleiter. Wo die Wurzeln stark sind, kann man sich auch wieder auf Exotisches einlassen. Dabei wird das im Kleinen umgesetzte Ideal nachhaltigen Konsums zum Vorbild für das große Ganze. Wenn es schon nicht im großen Maßstab klappt, dann will man wenigsten zuhause alles richtig machen, Neues ausprobieren und die Implikationen des eigenen Handelns auf die Welt berücksichtigen. Als Formen bieten sich eckige und einfache Einzelstrukturen an, die sich in ihrer Gesamtheit zu runden Formen ausprägen und so bequeme Rückzugsmöglichkeiten schaffen. Bei so viel formaler Konsequenz dürfen Polsterungen auch schon mal etwas weicher ausfallen. Ideal sind natürlich elastische und weiche Naturmaterialien wie Kork, Schaffelle, Mohair oder Pferdehaar. Die Oberflächenstrukturen sind gestrickt oder gewoben, vereinzelt auch handgesponnen. Ein warmes Rhabarberrot sorgt für positive Energie und Wärme; es wird mit Crème-Weiß, Maisgelb und hellen, bis ins Terrakotta gehenden Brauntönen kombiniert.
aus Haustex 10/10 (Wirtschaft)