60. Jahrestagung der österreichischen Textilindustrie

Trendwende geschafft

Wien - "Die Textil- und die Schuhindustrie schaffen Trendwende und steuern in ruhigeres Fahrwasser, die österreichische Bekleidungsindustrie ist weiter auf Kurs", so bringt der Fachverband Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie (kurz TBSL) die aktuelle Situation in den drei Industriesektoren auf den Punkt. Dem neu und schlagkräftig aufgestellten Fachverband steht Reinhard Backhausen (Textil) als Obmann vor. Stellvertreter sind Wolfgang Sima (Bekleidungsindustrie) sowie Joseph Lorenz (Schuh- und Lederwarenindustrie). Durch die Fusion zu einem gemeinsamen Fachverband ist eine auch zahlenmäßig bedeutende Interessenvertretung entstanden. Der Verband repräsentiert 550 Unternehmen mit ca. 24.000 Beschäftigten und einem Umsatz von über 4 Mrd. Euro.

Der österreichischen Textilindustrie ist die Trendwende gelungen, das zeigen die Zahlen deutlich: Der Umsatz der insgesamt 340 rot-weiß-roten Textilunternehmen, die rund 12.400 Menschen Beschäftigung bieten, ist im ersten Halbjahr 2010 um 8 Prozent auf 1,1 Mrd. Euro gewachsen. Die Exporte konnten um 7 Prozent auf 714 Mill. Euro gesteigert werden", so Branchensprecher Backhausen anlässlich der ersten gemeinsamen Jahrestagung des Verbandes Mitte September. Besonders starke Steigerungen waren in den ersten Stufen der textilen Produktionskette festzustellen: bei den Umsätzen der Spinnereiindustrie um 12,7, im Webereibereich gar um 19 Prozent. Für Auftragszuwächse sorgten die im vergangenen Jahr geleerten Lager der Kunden, die nun wieder aufgefüllt wurden. Positiv ausgewirkt hat sich auf die Auftragslage vor allem die erfreuliche Entwicklung im Hauptmarkt Deutschland. Auch die Unsicherheit durch steigende Lohnkosten in China, wachsende Logistikkosten sowie Turbulenzen bei den Arbeitsverhältnissen in Niedrigstlohnländern haben zu Rückführung von Produktionen nach Europa geführt. Die österreichische Textilindustrie entwickelt vor allem im technischen Bereich verstärkt neue Produkte. Hersteller geben ihren Produkten durch funktionale Eigenschaften neuen Zusatznutzen und eine höhere Attraktivität für die Konsumenten. Innovationen und Entwicklungen in spezialisierten Nischen geben den österreichischen Firmen neue Chancen. "Textil überschreitet traditionelle Grenzen zunehmend. Damit ergeben sich für unsere Mitgliedsunternehmen auch immer neue Möglichkeiten. Auch deshalb sind wir für die Zukunft optimistisch", so Backhausen.

"Nachdem die österreichische Bekleidungsindustrie das Jahr 2009 zwar mit einstelligen Minuswerten, aber im Vergleich zu anderen Branchen relativ gut bewältigt hatte, hält Wolfgang Sima, Vorsitzender der Berufsgruppe Bekleidungsindustrie im Fachverband TBSL, den Abwärtstrend in der ersten Jahreshälfte 2010 generell für gestoppt: "In zahlreichen Firmen konnten in der abgeschlossenen Bestellsaison sogar wieder Zuwächse geschrieben werden". "Wir erwarten, dass die Umsatzzuwächse im Bekleidungshandel in wichtigen Märkten wie Deutschland (+2,5 Prozent) oder Österreich (+3,5 Prozent) eine weiter steigende Nachfrage des Handels nach sich ziehen werden", so Franz J. Pitnik, Geschäftsführer des Fachverbandes TBSL.

Die österreichischen Schuhmarken der 22 industriellen Hersteller werden in mehr als 50 Länder weltweit exportiert. Hauptmärkte sind naturgemäß die EU-Staaten, angeführt von Deutschland, aber auch nach Russland und in viele Überseemärkte wird geliefert. "Die österreichischen Schuhproduzenten haben zudem in vielen Großstädten weltweit zahlreiche eigene Stores", so Branchensprecher Joseph Lorenz. "Das spricht für den hohen Bekanntheitsgrad und die Beliebtheit ihrer Marken." Die Exportquote betrug im abgelaufenen Jahr 2009 rund 75 Prozent, der Gesamt-Exportwert lag bei rund 500 Mill. Euro. Ebenfalls eine hohe Internationalisierung weist mit einer Exportquote von 70 Prozent die österreichische Lederwarenindustrie auf. Hauptmärkte sind naturgemäß die EU-Staaten, auch hier rangiert Deutschland an erster Stelle. Die österreichischen Markenartikelhersteller erzielten 2009 einen Gesamt-Exportwert von rund 170 Mill. Euro.

Die Ledererzeugende Industrie, die hochwertiges Leder für Flugzeuge, Autos, aber auch für die Möbelherstellung und in geringem Ausmaß für andere Bereiche produziert, exportiert jährlich Waren im Wert von rund 330 Mill. Euro, der Exportanteil liegt bei gigantischen 90 Prozent.

Ein Thema, das alle vier Produktionssektoren betrifft, ist das Ansinnen der EU, eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung aller Produkte ("made in ...") einzuführen. Diese wird durch die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht zu erreichen sein. Die internationale Verflechtung im Beschaffungsbereich, insbesondere bei Vormaterialien sowie die praktische Unmöglichkeit einer Überprüfung der täglich innerhalb der EU abgesetzten, riesigen Bekleidungsquantitäten, würde eine derartige Verordnung bloß zu einem "Papiertiger" machen, und es entstünden administrative sowie Etikettierungskosten, denen kein Nutzen auf Konsumentenseite gegenüberstehe. Vielmehr sei ja bereits derzeit bei europäischer Produktion "freiwillig eine entsprechende Ursprungskennzeichnung möglich, wenn sich ein Unternehmen der EU-Bekleidungsindustrie dadurch mehr Erfolg beim Kunden im Geschäft - am so genannten Point of Sales - erwartet", so Backhausen, Sima und Lorenz einstimmig.




Berufsgruppe Textilindustrie Österreich

Wien - In den Aufgabenbereich der Berufsgruppe Textilindustrie fallen neben der umfangreichen gesetzlichen Interessenvertretung gemäß Wirtschaftskammergesetz (WKG) die regelmäßigen Export-, Import- und Umsatzumfragen, die firmenneutralen Auswertungen sowie der regelmäßige Informationsaustausch. Die Berufsgruppe hat es sich zum Ziel gesetzt, das Image der österreichischen Textilindustrie als internationaler Innovationsführer zu stärken und durch regelmäßige Medienarbeit in der Öffentlichkeit sowie gezieltes Lobbying bei Meinungsbildnern zu verankern. Neben der jährlichen Tagung im Herbst präsentiert die Berufsgruppe in der Jahrespressekonferenz die Kennzahlen der Textilindustrie und verfasst regelmäßig Statements zur Entwicklung der Branche.

Branchenrelevante Bereiche, wie Umwelt- und Energiethemen (Klimastrategie, Abwasser, Abfall usw., Steuer-, Gewerberechts- und sozialpolitische Themen, usw. werden von der Berufsgruppe in Zusammenarbeit mit Firmenvertretern fachlich und organisatorisch betreut. Branchenspezifische Informationen sowie Informationen über allgemeine wirtschaftliche Themen werden im Rahmen eines regelmäßigen Newsletters an die Mitgliedsunternehmen weitergegeben. Die Berufsgruppe arbeitet eng mit den Textilschulen und Ausbildungsstätten, aber auch Lehrbetrieben unter den Mitgliedern zusammen, um den Weiterbestand von hoch qualifizierten Arbeitskräften langfristig zu sichern. Die Kollektivvertragsverhandlungen mit den Fachgewerkschaften sind eine zentrale Aufgabe der Berufsgruppe Textilindustrie. Die Kollektivverträge werden als Druckwerk, auf der Homepage sowie in der Kollektivvertragsdatenbank der WKO veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert.

Seit Jahren gibt es eine enge Kooperation mit dem deutschen Gesamtverband Textil+Mode und dem Textilverband Schweiz. Dies dient der gegenseitigen Information sowie einer Abstimmung der Positionen zu gemeinsamen Themen und einer koordinierten Vorgangsweise auf europäischer Ebene. Verschiedene Projekte wurden und werden gemeinsam durchgeführt. Weiters ist die Berufsgruppe aktives Mitglied im Europäischen Dachverband EURATEX in Brüssel.
aus Haustex 12/10 (Wirtschaft)