Tarkett will zurück zu den Wurzeln

Rückbesinnung auf den Großhandel trägt erste Früchte


Tarkett konzentriert sich wieder mehr auf den Großhandel. Nachdem dieser dem Bodenbelagshersteller in den vergangenen Jahren in Scharen den Rücken gekehrt hatte, baut Albert Waibel, Geschäftsleiter Vertrieb der deutschen Tarkett Holding in Frankenthal, nun eine eigene Vertriebsschiene für den Großhandel aus. Mit kompetenten Ansprechpartnern und neuen Kollektionen will er den Umsatz auf dem deutschen Markt deutlich steigern und ihn damit für Tarkett zur Nummer 2 in Europa machen. Gelegen kommt ihm dabei die Übernahme der CV-Marke Rhinofloor von Armstrong.

Verlorenes Terrain zurückzugewinnen ist nicht einfach. Diese leidvolle Erfahrung musste Albert Waibel, Geschäftsleiter Vertrieb Deutschland der Tarkett Holding, machen. Doch rund zwei Jahre nach seinem Wechsel aus der Gesamtvertriebsleitung der Unternehmensgruppe ter Hürne zu Tarkett gibt er sich optimistisch, die aus verschiedenen Gründen verschnupften Großhändler allmählich wieder ins Boot holen zu können. Dafür wurde mit einer Reihe von Maßnahmen der Weg geebnet, wobei eine gesonderte Vertriebsschiene für den Großhandel und speziell auf ihn zugeschnittene Kollektionen das größte - und wohl dringend notwendige - Commitment darstellen. Das Konzept scheint aufzugehen, der Erfolg stellt sich ein: Nach einem zweistelligen Umsatzwachstum im vergangenen Jahr rechnet Tarkett im laufenden Jahr mit einem erneuten "deutlichen Plus". Und man ist in Frankenthal auch weiter zuversichtlich für die Zukunft. Selbstbewusst eröffnete Waibel im Luxemburger CV-Werk Lentzweiler, dass er für die kommenden drei Jahre von jeweils mehr als 15 % Umsatzzuwachs ausgeht.

Dazu soll der Großhandel zu 35 % beitragen, motiviert durch die für ihn reservierten Sortimente und ein Vertriebsteam unter Leitung von Senior Key Account Manager Großhandel Roland Brechtel. Dem erfahrenen Branchen- und Großhandelsmann, der seit Jahren fest bei Tarkett und den Kunden verwurzelt ist, steht Key Account Manager Großhandel, Guido Gross zur Seite. Der Fach- und Einzelhandel einschließlich Einkaufsgesellschaften wird von Verkaufsleiter Christoph Friedl betreut. Gruppen wie Hammer/Schlau zählen zwar ebenfalls zum Fachhandel, ihr Ansprechpartner aber ist Key Account Manager Andreas Rieke. Für Hartbeläge, sprich Parkett und Laminat, zeichnet Verkaufsleiter Georg Lindenbuß verantwortlich. Außerdem ist geplant, die Zahl der Mitarbeiter im Außendienst noch weiter aufzustocken.

Bis 2013 unter den Top 5 Fachhandelsanbietern für Parkett und Laminat

Tarkett will in allen Produktsegmenten Marktanteile gewinnen. Besonders viel verspricht sich Holzexperte Waibel vom Parkett- und Laminatbodenbereich, wo allerdings auch das Niveau gering ist. Hier peilen die Frankenthaler an, auf einem insgesamt rückläufigen Markt bis 2013 zu den Top 5 für den deutschen Fachhandel zu gehören. Budgetiert hat Waibel für diese beiden Produktgruppen, die mit einer eigenen Mannschaft betreut werden, für das laufende Jahr 35 % mehr Umsatz, 2011 ist eine weitere Zunahme um rund 40 % vorgesehen. Bereits im vergangenen Jahr konnte bei Laminat eine Umsatzsteigerung von 15 % und bei Parkett immerhin von 12 % realisiert werden.

Auch der allgemein anziehende Markt für elastische Beläge fördert nach Ansicht Waibels eine weiterhin positive Entwicklung. Nach 12 % Umsatzplus bei CV-Belägen 2009 ist für das laufende Jahr trotz der auslaufenden Kollektionen ein Wachstum in vergleichbarer Größenordnung vorgesehen, 2011 sollen es mit den neuen CV-Sortimenten im Rücken sogar +15 % werden. Derzeit beansprucht Tarkett in diesem Marktsegment einen Anteil von 32 %.

Zur Unterstützung dieser hochgesteckten Ziele will Waibel an der unter seiner Regie eingeführten klaren und stabilen Preispolitik festhalten. Darüber hinaus wird massiv in Neuheiten investiert: Laminat und Parkett werden weiter ausgebaut, die Designbeläge Starfloor, I.D. Essential und I.D. Premier auf mehr als 250 Referenzen erweitert.

Im CV-Bereich liegt der Schwerpunkt auf dem modernisierten Ornamenta- und Traffic-Programmen, dem Premium-Angebot für den deutschsprachigen Groß- und Fachhandel. "Wir haben Marktanalysen durchgeführt und nach den Ergebnissen alle Produkte aufgewertet", betonte Waibel. So seien unter anderem die Nutzschichten verstärkt worden, um den Handel bessere Nutzerargumente liefern zu können. "Gute Qualität sorgt für eine gute Marge", ist der Geschäftsleiter überzeugt. Es sei viel Geld in die Bemusterung geflossen, alleine 1 Mio. EUR in neue Dekore. Gleichzeitig seien Abläufe zusammen mit dem Handel effizienter gestaltet worden.

"Der Markt wird neu verteilt"

Bisher ist der deutsche Markt in Europa für Tarkett noch die Nummer 3. "Wir wollen aber die Nummer 2 nach Frankreich werden", kündigte Waibel an und gab sich optimistisch, Skandinavien in zwei Jahren zu überholen. "Schließlich können wir alles", meinte er. Tarkett sei in der Lage, alle kundenspezifischen Dekore anzubieten.

Entgegen kommt Waibel auch der Aufkauf der Marke Rhinofloor von Armstrong. Unter diesem Label wurden bisher CV-Beläge für den Wohnbereich vertrieben, die aus dem britischen Werk Teeside kamen. Waibel rechnet durch diesen Erwerb mit einem zusätzlichen Umsatz von rund 2 bis 2,5 Mio. EUR in Deutschland. "Der Markt wird neu verteilt", sagte er und betonte: "Der Handel will wachsen, deshalb wird er niemanden boykottieren." Einen Wermutstropfen hatte der umtriebige Geschäftsleiter trotz aller rosigen Ankündigungen dennoch parat: Wegen steigender Rohstoffkosten, die die gesamte Branche derzeit belasten, müssten die Tarkett-Kunden mit höheren Preisen rechnen.

Praktisch, sinnlich, ökologisch

"Wir möchten das weltweit führende Unternehmen für innovative Bodenbelags- und Sportbodenlösungen sein, die eine nachhaltige Wertsteigerung für unsere Kunden darstellen." Marketingchef Robert Jacono machte bei der Pressekonferenz in Luxemburg deutlich, welches Ziel Tarkett anvisiert. Bei der Umsetzung des ehrgeizigen Vorhabens setzt er auf eine Marketingstrategie, die Produkte mit den Attributen praktisch, sinnlich und ökologisch in den Mittelpunkt stellt. Darüber sollen maßgeschneiderte Lösungen für jede Lebenssituation und jedes Segment angeboten werden. "Das ist der Schlüssel für Wohlbefinden und Erfolg", meint Jacono.

Um alle Zielgruppen besser erreichen zu können, wurde der Bereich Produktmarketing und Kommunikation um Katja Kleine-Wilde personell aufgestockt. Sie ist zuständig für den Segmentschwerpunkt Gesundheitswesen, Bildungswesen mit den Zielgruppen Designer, Architekten und Entscheider. Ihnen bietet sie Produktlösungen mit homogenen und heterogenen Belägen, Linoleum und Sportbelägen an. Pressesprecherin Tanja Damrau verwaltet den Segmentschwerpunkt Wohnungsbau, Ladenbau für Handel und Endverbraucher, die sich für CV, Designbeläge, Holz und Laminat interessieren.

Design-Kompetenz


Das Business Centre RHE (Resilient Heterogeneous) im luxemburgischen Lentzweiler, das die Fachpresse auf Einladung von Tarkett besuchte, ist das Kompetenz-Zentrum Produktmarketing für PVC-Fußböden des Bodenbelagsherstellers sowie westeuropäisches Kompetenz-Zentrum für Design und gleichzeitig eine von drei logistischen Plattformen: Während Lenham in Großbritannien für den britischen Markt zuständig ist, übernimmt das Werk im französischen Sedan den Objektbereich West-Europa und Lentzweiler den Handel in West-Europa.

In Lentzweiler werden 60 Mio. qm Beläge wie Vinyl für Handel und Objekt, Schallschichten für Automobile und Fußbodenunterschichten pro Jahr hergestellt. Davon fallen 50 % auf das Objektgeschäft, 40 %auf das Handelsgeschäft und 10 % auf Schallschichten für Automobile und Unterschichten für Fußböden.

Das Werk beschäftigt 450 Mitarbeiter an fünf bis sechs Tagen die Woche im Schichtbetrieb über jeweils 24 Stunden. Lentzweiler ist einer von insgesamt vier Produktionsstandorten in Europa. Die übrigen sind Sedan mit hochwertigen Objektbelägen, Lenham mit "Safety" Bodenbelägen und das Werk im deutschen Konz, das als einziger deutscher Hersteller von CV (Cushioned Vinyl) über eine Vier-Meter-Anlage verfügt.


Tarkett Holding - Daten und Fakten


Nachtweideweg 1-7
67227 Frankenthal
Tel.: 0 62 33 / 81 0
Fax: 0623 / 81 10 10
info.de@tarkett.com
www.tarkett.de


Muttergesellschaft: Tarkett S.A.

Geschäftsleitung Nordeuropa: Ivo Schintz
Geschäftsleiter Vertrieb der Tarkett Holding: Albert Waibel
Marketing: Roberto Jacono
Senior Key Account Manager Großhandel: Roland Brechtel
Key Account Manager Großhandel: Guido Gross
Verkauf Fachhandel: Christoph Friedl
Verkauf Hardflooring (Deutschland/Schweiz): Georg Lindenbuß
Vertrieb Objekt Nord: Angela Dörwald
Vertrieb Objekt Mitte: Stefan Reinsch
Vertrieb Objekt Süd: Jürgen Nees
Key Account DIY / Discounter: Andreas Rieke


Umsatz (Konzern):1,7 Mrd. EUR (2009)2,1 Mrd. EUR (2008)
Umsatzanteile: 39 % EU, 29 % USA
Produktionsstätten (Konzern): 29, davon eine in Konz in Deutschland
Konzernsitz: Nanterre, Frankreich
Anteilseigner Konzern: Deconinck Familie (50 %), KKR (50 %)
Mitarbeiter (Konzern): 8.000, davon rund 150 bei der Tarkett Holding


Produkte:
-PVC-Beläge
-Cushioned Vinyl (CV)
-Kunststoff-Design-Beläge (LVT)
-Linoleum
-Sicherheitsbeläge
-Sportbodenbeläge
-Nassraumbeläge
-Parkett
-Laminat


Kommentar von Cornelia Küsel

Aufstieg mit Niveau

Tarkett hat viel Vertrauen verspielt in den vergangenen Jahren. Zukäufe, Umorganisationen, Umzug der Zentrale ins französische Nanterre nach Veräußerung, Qualitätsverluste durch Billigprodukte, Vernachlässigung der Großhändler - die Liste der Zumutungen für die Kundschaft ist lang. Deutschland Vertriebsleiter Albert Waibel, der vor rund zwei Jahren kurz vor Beginn der Wirtschaftskrise von ter Hürne zu Tarkett wechselte, steht trotz erster Erfolge immer noch vor einer Herkulesaufgabe. Denn nicht nur Neukunden muss er gewinnen. Auf einem begrenzten Markt geht es vor allem darum, abgesprungene Großhändler zu überzeugen, die längst woanders einkaufen und bisher keinen Grund sehen, zu Tarkett zurückzukehren.

Ein wichtiger Schritt ist sicherlich, eine extra Vertriebsschiene für den Großhandel einzurichten. Dieser braucht Ansprechpartner, die seine Probleme kennen, sich ihrer annehmen und zu Lösungsansätzen kommen. Das aber lässt sich nur mit einem hoch motivierten Team erreichen, das über die Gesamtstrategie des Unternehmens unterrichtet ist und damit eine Perspektive hat. Waibel weiß das. Er nimmt seine Mitarbeiter ernst und beteiligt sie an wichtigen Entscheidungen. Das kommt gut an, wie zu vernehmen war. Gelobt wird die soziale Kompetenz des jetzigen Chefs, dessen Handeln weniger von praxisferner Technokratie als Pragmatismus geprägt ist. Diese allgemeine Stimmungslage dürfte erheblich zum besseren Image der Marke Tarkett beitragen.

Die Umsatzentwicklung deutet an, dass sich etwas zum Positiven bewegt. Beeinflusst wird sie außer von der Mitarbeiterführung und der Vertriebsstruktur aber auch von neuen, technisch ausgereiften Produkten, die sich von denen der Mitbewerber abheben. Auch hier hat Tarkett augenscheinlich seine Hausaufgaben gemacht. Eine Fülle neuer Dekore wurde entwickelt, die Qualität der Bodenbeläge gesteigert. Dies macht deutlich: Die Zeit der vom Großhandel angeprangerten Preiseinstiegspolitik gehört der Vergangenheit an, der Hersteller bewegt sich wieder auf höherem Niveau.

Das alles sind Maßnahmen, die dem Unternehmen den Wiederaufstieg ermöglichen könnten. Ob sie es aber alleine schaffen, ist fraglich. Von einem bereits verteilten Kuchen bleiben unter gewohnten Umständen nur noch Krümel übrig. Doch die Zeiten sind nicht normal, sie geben Tarkett die Chance, eine frische Torte mit anzuschneiden und sich neue Marktanteile zu sichern. Denn zum einen springt nach der schweren Wirtschaftskrise die Konjunktur wieder kräftig an. Zum anderen hat Armstrong seine CV-Produktion an Tarkett verkauft. Da ist Waibels Einschätzung folgerichtig: "Der Handel will wachsen, deshalb wird er niemanden boykottieren." Auch Tarkett nicht - vorausgesetzt die Unternehmensführung bleibt transparent und stringent zielgerichtet. Das wäre mal etwas Neues, zumindest was Tarkett betrifft.
aus BTH Heimtex 11/10 (Wirtschaft)