Optimistische Stimmung auf der Mood in Brüssel

Technische Raffinesse und Meerestöne


Meet only Original Designs: Diesem Anspruch wurde die zweite Ausgabe der Brüsseler Mood - ehemals Decosit - in vollem Umfang gerecht. Das interessierte Fachpublikum war offen für Neues und dazu orderfreudig. Obwohl wieder einige Anbieter der Brüsseler Trendschau ferngeblieben sind, zogen die Messeleitung, aber auch ein Großteil der Aussteller und Besucher ein positives Resümee.

Auf drei Tage verkürzt und mit vielen Änderungen ging im September in Brüssel die Mood über die Bühne. Die Messe mit der starken internationalen Anziehungskraft ist Treffpunkt für Fachbesucher, die nach neuartigen architektonischen Textilanwendungen suchen. Deren Verweildauer hat sich in den letzten Jahren allerdings deutlich verkürzt. "Dreitägige Aufenthalte kommen fast nicht mehr vor", erklärt Messechef Patrick Geysels. "Auch um Kosten zu sparen, konzentrieren sich viele Besucher auf einen der Veranstaltungstage und gehen dabei effizient und zielbewusst über die Messe."

Obwohl der Aufschwung in der Textilindustrie noch nicht angekommen ist, war die Stimmung insgesamt positiver als 2009. Laut einer Umfrage der Messe zeigten sich 86 % der Aussteller mit der Besucherqualität zufrieden. Zahlreiche Anbieter berichteten von einem gesteigerten Kaufinteresse. "Projekte, die 2009 noch auf Eis gelegt wurden, werden jetzt umgesetzt", berichtet Kerstin Baron-Breunig von Gebr. Munzert. Gerade die Nachfrage aus der Automobilindustrie, aber auch im Fashion- und Polsterbereich sei in den zurückliegenden Monaten stark gestiegen. "Wir haben uns richtig anstrengen müssen, um uns den gesteigerten Bedarf einzustellen", hieß es bei Hornschuch. "Es läuft gut im Handel, die Wirtschaft hat aufgeholt", freute sich Manfred Juling von Geos. Donata Apelt-Ihling lobte insbesondere die neuen technischen Entwicklungen. Schade nur, dass einige Aussteller der Vergangenheit wie Müller Zell, Pongs oder Conjugi Eger wieder der Messe ferngeblieben waren.

Rohstoffpreise steigen

Allerdings werden sich Handel und Verbraucher auf höhere Preise für Heimtextilien und Polsterbezüge einstellen müssen: Missernten und schrumpfende Anbauflächen, aber auch die hohe Nachfrage aus China und anderen Schwellenländern haben die Baumwollpreise zuletzt innerhalb eines Monats um 15 % nach oben schnellen lassen. Auch Spekulanten halten den Preis künstlich hoch. Bei den Kunstfasern treiben der steigende Rohölpreis, der Wegfall von Produktionskapazitäten sowie die verstärkte Nachfrage aus dem asiatischen Raum die Kosten. Allein Acryl verteuerte sich in den letzten Monaten um 25 %. Um preisstabiler produzieren zu können, schließt die Industrie inzwischen Großverträge ab; Produktionsprozesse werden optimiert und rationalisiert.Die erhöhten Rohstoffkosten lassen sich allerdings nicht immer im vollen Umfang an die Kunden weitergeben. "Bei uns gehen steigende Materialpreise vom Gewinn ab; höhere Preise sind am Markt nicht durchzusetzen" - darüber sind sich die Geschäftsführer Bernd Kout (Munzert) und Hanns Bergmann (Stoeckel & Grimmler) einig.

Sonderschauen Blue Drop Bub und Outdoor

Zum zweiten Mal wurde auf der Mood der Blue Drop Award vergeben, der sich als Design- und Qualitätssiegel etablieren soll. Eine internationale Jury zeichnete High-End-Produkte in insgesamt zehn Kategorien für ihre hohe Qualität und Innovationskraft aus. Unter den Preisträgern auch die Weberei Munzert: Für ihren Webstoff in Hologramm-Optik erhielten die Oberfranken den Blue Drop Award in der Kategorie Innovation. Je nach Blickwinkel zeigt der Stoff unterschiedliche Muster. Als zweites deutsches Unternehmen erhielt Hornschuch den Blue Drop im Bereich Nachhaltigkeit für seine Skai-Nature-Base-Produktlinie, die zu über 80 % aus nachwachsenden Rohstoffen besteht.

Alle für die Blue Drop Awards nominierten Entwürfe wurden im Blue Drop Bub in Halle 6 gezeigt. Der Ausstellungsbereich galt unter den Besuchern als echter Geheimtipp.

Der renommierte Trevira CS Award für die attraktivste und innovativste Kollektion aus der schwer entflammbaren Faser ging an Lodetex. Der italienische Weber hatte diese Trophäe bereits 2006 erhalten; 2010 überzeugte Lodetex mit der Kollektion Natural Elegance der deutschen Design-Chefin Gudrun Schiestl. Unter den zahlreichen neuartigen Stoffen: ein doppeltes Drehergewebe mit Moiré-Prägedruck, eine wie Wolle anmutende Trevira-CS-Qualität sowie raffinierte Lasercuts und baumwollartige Taftgewebe.

Weitere Sonderausstellungen gab es zu den Themen Outdoor und Contract. Produkte für draußen schlugen im letzten Jahr so ein, dass die Neuheiten jetzt sogar an zwei Orten präsentiert wurden: einmal - passend zum Thema - unter freiem Himmel und einmal in Halle 11. In Kooperation mit dem Faserhersteller Dolan wurden Gartenmöbel mit witterungsbeständigen Bezügen ausgestellt. Und immer mehr Hersteller präsentierten Bezugsmaterialien, die witterungsbeständig, lichtecht und UV-resistent sind. Neu sind beispielsweise Tierfellmotive von Munzert in Giraffen- oder Gepard-Optik.

Trend zu experimenteller Kreativität und überbordender Opulenz

Und wohin geht die Trend-Reise in der Saison 2011/2012? Unter dem Motto Renaissance stellte die Mood zwei Prognosen vor. Der Kiss-Trend ("Keep it simple & smart") ist der junge Rebell, der sich durch Erfindungsreichtum auszeichnet. Neue Farbakzente vertreiben Biederkeit und Langeweile und bringen Leben in moderne Wohnwelten. Kiss ist experimentell, kreativ und ungewöhnlich. Die Farbtöne wirken nordisch - mit abgetöntem Weiß, mattem Ecru und Beige, blassem Pink und Grün. Grau ist ein Muss; als Spielfarbe kommt ein Schuss Fuchsia ins Spiel.

Der zweite Trend, Memento Mori, feiert das Hier und Jetzt mit überbordender Opulenz. Die zum Teil sehr voluminösen Stoffe spielen mit Schattierungen, Mattem und Glänzendem. Die warme, erdige Farbpalette zeigt tiefgründige Rembrandt-Farben, Dunkelrot, Blau, Elfenbein, Beige und Goldtöne, aber auch zeitlose Grau- und Graublau-Nuancen mit Cayenne als Akzentgeber.

Aktuell waren nach wie vor Beeren- und Naturtöne in allen Schattierungen in Brüssel präsent. Allerdings zeichnet sich langsam, aber deutlich ein neuer Trend in Richtung Meeresfarben ab: Dunkelblau, Aqua und Türkis sowie Türkis-Grün-Blau-Kombinationen erscheinen immer häufiger an Sitzmöbeln, Gardinen und Wandbekleidungen - gerne in Kombination mit gelben Highlights. Auch ein dunkleres Rot und Kiwi mit Braun sind im Kommen. Modern: Anthrazit-, Grau- und Sandtöne mit roten und grünen Farbtupfern.

Beim Material ist matte, trockene Ware gefragt, Glanz zeigt sich dezent - wie bei Tabru - etwa als reflektierendes Nylongarn mit Chenille. Technisch gesehen, ist heute jeder Zusatznutzen wichtig - sei es die Schwerentflammbarkeit, Lichtechtheit oder Outdoor-Eignung.

Dabei verleihen grobe und rustikale Garne den neuen Trevira-CS-Stoffen Struktur und naturige Optiken - bei zurückhaltender Dessinierung. Veloursstoffe gibt es jetzt in den unterschiedlichsten Garnqualitäten, sogar in der Anmutung eines Pinguinfells. Bei traditionellen Möbelstoffen halten sich geometrische, ornamentale und florale Dessins die Waage. Dazu kommen Woll-Velours mit Boucléfasern und Filze.

Bewegte Oberflächen, Doppelgewebe mit Schrumpfeffekten und Bindungskombinationen sorgen für Dreidimensionalität: Struktur entsteht immer häufiger durch die Webtechnik und nicht mehr allein durch die Kombination unterschiedlich starker Garne.

Ein weiterer anhaltender Trend geht hin zu "grünen", nachhaltigen Produkten. Hersteller forschen an Stoffen komplett aus recyceltem Material oder Bio-Synthetics aus 100 % nachwachsenden Rohstoffen. Aus Bananenfasern, Laktose oder Algen entstehen bereits prächtige natürliche Stoffe.
aus BTH Heimtex 11/10 (Wirtschaft)