2HK/MZE: Interview mit Alexander Voss, 2HK Bereichsleiter

"Gemeinsames Einkaufen war gestern, gemeinsames Verkaufen ist morgen"

Fachmärkte sind ein wichtiger Absatzmittler für die Produkte unserer Branche, weil sie eine breite Kundengruppe ansprechen: Nicht primär den Bestverdiener, der eher die Klientel des Raumausstatters oder gehobenen Fachhandels ist, sondern den "normalen" Verbraucher, der die Mehrheit der Bevölkerung repräsentiert. Was bedeutet das für Geschäftspolitik und -strategie des Fachmarktes? Wie präsentiert er sich am besten ? Wie kann er dabei von der Zugehörigkeit zu einer Kooperation profitieren? Darüber diskutierten BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Weidt und Alexander Voss, Bereichsleiter bei 2HK/MZE, der sich bei 2HK u.a. um die Fachmarkt-Mitglieder der Kooperationen kümmert und selber zwei Fachmärkte betreibt.

BTH Heimtex: 2HK hat sich inzwischen in der Kooperationslandschaft etabliert. Bislang werden Sie stark mit Ihrem Konzept "Der textile Einrichter" identifiziert, mit dem sich vor allem der Raumausstatter und der gehobene Fachhandel vor Ort profilieren kann. Dabei reichen Ihre Kompetenzen viel weiter auch in andere Handelsbereiche, wie z.B. Möbel und Schlafen hinein...

Alexander Voss: Absolut. Wir haben bisher den "Textilen Einrichter" herausgestellt, weil uns dieses Konzept des ganzheitliches Einrichtens unverwechselbar macht. Möbel, Küchen, Schlafen und Raumausstattung ganzheitlich aus einer Hand war etwas völlig Neues in unserer Branche und gehörte besonders herausgestellt. Natürlich sind wir aber genauso im Fachmarktbereich und beim traditionellen Fachhandel unterwegs und bieten ihnen alle relevanten Service- und Dienstleistungen. Bei Fachmärkten generieren wir sogar zahlenmäßig und umsatzbezogen den größten Zuwachs.

BTH Heimtex: Einer Ihrer persönlichen Schwerpunkte bei 2HK sind die Fachmärkte. Und Ihr Vorteil ist, dass Sie deren Bedürfnisse, Probleme, Wünsche und Herausforderungen genau kennen, weil Sie selber mit Ihrer Familie zwei Fachmärkte führen. Sie wissen, wovon Sie reden.

Voss: (lacht) Danke für die Blumen. Das stimmt. Wir sprechen die gleiche Sprache. Ich weiß, wie es ist, wenn zwei Mitarbeiter krank sind und einer im Urlaub, und das Geschäft trotzdem laufen muss. Ich kann auf Augenhöhe mit unseren Mitgliedern reden.

BTH Heimtex: Wie definieren Sie "Fachmarkt" überhaupt?

Voss: An der Verkaufsfläche festgemacht, beginnt für uns ein Fachmarkt bei 600 m2, wobei das natürlich keine ganz fixe Grenze ist. Dann unterscheiden wir zwischen einem Fachmarkt mit Ausstellung, Beratung und handwerklichen Dienstleistungen, der Studio- oder Boutiquecharakter hat und in Richtung Raumausstatter oder Fachhandel tendiert, und einem Fachmarkt mit Abholcharakter, der ein großes Angebot an Lagerware und hohe Kundenfrequenz aufweist.

Ich will Ihnen dazu zwei typische Beispiele aus unserem Mitgliederkreis nennen: die Tapetenhalle in Velbert ist ein höchst erfolgreicher Fachmarkt mit Lagerhaltung, der permanent einige Hundert Teppichbodenrollen und 60,70 Paletten Laminat am Lager bereit hält und viel Ware dreht.

Unser Mitglied Wegert in Lauda-Königshofen dagegen ist mit über 1.000 m2 Verkaufs- und Ausstellungsfläche einer der Großen in seiner Region, jede seiner Abteilungen kann es an Größe und Auswahl locker mit einem klassischen Fachgeschäft aufnehmen. Aber er hat nur abgepasste Teppiche vorrätig, alles andere bezieht er im Coupon.

Wobei ein Fachmarkt mit Lagerhaltung eine andere Sortiments- und Preisstruktur braucht als ein Fachmarkt mit Studio-Charakter.

BTH Heimtex: Muss ein Fachmarkt Vollsortimenter sein?

Voss: Nicht zwangsläufig. Die Sortimentsstruktur hängt auch vom Einzugsgebiet, den Kunden und dem Markt ab. Grundsätzlich gehören für uns zu einem typischen Fachmarkt alle Arten an Bodenbelägen, Farben, Tapeten, Gardinen und Sonnenschutz, vielleicht sogar Badtextilien, die vielerorts vernachlässigt werden.Bei Haustextilien scheiden sich die Geister. Es gibt aber Häuser, die stark im Bettenbereich sind und auf unsere MZE-Bettenschiene zugreifen.

BTH Heimtex: Wie sinnvoll sind die sogenannten Frequenzbringer für Fachmärkte - Kerzen, Vasen, Geschenkartikel o.ä.?

Voss: Sie sind sicher schön anzusehen. Aber man muss sich ernsthaft fragen, was sie an Umsatz im Jahr einbringen? An Deckungsbeitrag? Was macht man mit den Restanten? Meiner Meinung nach nehmen sie relativ viel Platz ein und verursachen überproportional viel Arbeit. Deshalb empfehle ich, sich besser um die Kernkompetenzen zu kümmern. Es sei denn man liegt in einer besonders frequentierten Lage.

BTH Heimtex: Fassen wir noch einmal die Kriterien für einen Fachmarkt zusammen und lassen dabei den Studio-Typ außen vor: Verkaufsfläche ab 600 m2, Lagerhaltung, breites Sortiment, aber nicht unbedingt ein Vollsortiment, preislich von konsumig bis mittel angesiedelt, hohe Kundenfrequenz mit größeren Heimwerker-Anteil, vermutlich niedrigerer Durchschnittsbon, geringerer Anteil an Beratungs- und Verarbeitungsleistung... Was ist mit der Lage? Ein Fachmarkt dieser Art braucht doch sicher ein Einzugsgebiet von einer gewissen Größe, um eine relevante Anzahl an Haushalten zu erreichen.

Voss: Die kritische Größe sind 40.000 Einwohner im Umkreis. Weniger sollten es nicht sein, sonst lässt sich die erforderliche Frequenz kaum erreichen.

BTH Heimtex: Und der eigentliche Standort? Ist es nicht sinnvoll, dass sich ein Fachmarkt dort ansiedelt, wo verwandte Sortimente angeboten werden?

Voss: Ganz genau. Mein Traum-Standort wäre bei Obi auf dem Parkplatz, weil die für die Frequenz sorgen. Viele Kunden nutzen die Gelegenheit, auch noch in ein benachbartes Geschäft zu schauen, wenn sie sowieso vor Ort sind.

BTH Heimtex: Der Baumarkt ist aber für viele Fachmärkte ein rotes Tuch.

Voss: Ich weiß. Doch er wird nicht wieder verschwinden. Wir müssen mit ihm leben. Und wir können auch mit ihm leben. Ich begegne immer wieder einem Problem: Dass sich Fachmärkte, auch aus Angst vor den Baumärkten, im Sortiment und in den Preisstufen zu schnell und zu weit nach oben bewegt haben.

BTH Heimtex: Aber genau das wurde ihnen jahrelang gepredigt: Nicht in den Preiskampf mit dem Baumarkt zu treten, weil man den als Fachmarkt von vornherein verloren hat.

Voss: Schon. Aber wenn ein Fachmarkt zu sehr nach oben wegdriftet, bleiben die konsumigen Kunden weg. Und dann sitzt der Fachmarkt-Inhaber da mit seinen 1.200 m2 Verkaufsfläche und bedient am Tag fünf Kunden. Das drückt auf die Stimmung und frustriert, selbst wenn man wirtschaftlich gesund ist. Situation ändern und Geduld haben oder besser als Studio platzieren.
Ein Fachmarkt braucht Frequenz, Bewegung in der Fläche, Produkte, die sich drehen. Das Lager muss sich umschlagen. Das heißt, er braucht auch Produkte in der Preiseinstiegslage, Abholware, Produkte für den Heimwerker.

Nach meiner These sind maximal 15 % der Bevölkerung als Kunden für den gehobenen Fachhandel und die Raumausstatter interessant. Wenn man aber nicht in diesem High Class-Bereich agiert, ist man auf die anderen 85 % angewiesen. Und die lesen am Wochenende den Prospekt vom nahegelegenen Baumarkt, der Laminat für 3,99 oder 4,99 EUR anbietet. Daraus bilden sie ihre Preisvorstellung für Laminat. Dann wollen sie sich etwas wirklich Gutes leisten, planen also 50 % mehr ein und landen damit bei 6,99 oder 7,99 EUR. Der Fachmarkt fängt aber erst bei 12,99 EUR Einstiegspreislage an und ist in den Augen des Kunden nun eine "Apotheke". Damit hat er ihn verloren, wahrscheinlich für immer.

BTH Heimtex: Das kann ich nachvollziehen. Dennoch kann der Fachmarkt preislich nicht mit dem Baumarkt konkurrieren, weil er ganz andere Einkaufskonditionen hat, höhere Kosten etc.

Voss: Das soll er ja auch gar nicht komplett. Er muss nur dem Kunden die Preisangst nehmen, indem er in den Eckpreisen, die der Kunde im Kopf hat, mit dem Baumarkt vergleichbar ist. So zieht er den Kunden zunächst ins Geschäft. Wobei der Fachmarkt die Preiseinstiegsware immer lagernd vorhalten muss. Sonst schafft er den Preiseinstieg nicht. Er kann nicht Laminat für 4,99 EUR im Coupon anbieten oder Parkett für 19,99 EUR. Der Schwerpunkt in der Beratung muss dann auf die mittel- bis höherpreisigen Produkte verlegt werden. Man nimmt dem Kunden über den Preiseinstieg die Schwellenangst und führt ihn über die Beratung hin zu höherwertigen Produkten. Dann spielt der Preis oftmals keine Rolle mehr. Den Kunden geht es letztlich nicht um den billigsten Preis, sondern um den "richtigen". Sie wollen nicht das Gefühl haben, über das Ohr gehauen zu werden.

BTH Heimtex: Wären nicht auch Eigenmarken eine Lösung für den Fachmarkt? Damit kann er sich der Vergleichbarkeit entziehen...

Voss: Auf jeden Fall. Und er kann auch ruhig Marken herausstellen, die er führt, sollte die einzelnen Produkte dieser Marken jedoch neutralisieren. Dazu sind wir von 2HK übrigens da: Mit unserem Warenwirtschaftssystem können wir das steuern.

BTH Heimtex: Stichwort Marken. Wie wichtig sind Gütesiegel usw. als Verkaufsargument für den Verbraucher?

Voss: Sehr wichtig - falls er sie kennt. Nehmen Sie beispielsweise Stiftung Warentest. Die ist dem Verbraucher bekannt und vertraut. Die ist für ihn glaubwürdig. Das kennen wir aus dem Bettenbereich, den wir bei MZE auch betreuen. Eine der verkaufsstärksten Matratzen dort ist ein Modell, das von Stiftung Warentest zum dritten Mal in Folge gut benotet wurde. Das funktioniert bei uns genauso.

BTH Heimtex: Vermutlich wäre nun jedoch der Rückschluss falsch, dass der Fachmarkt sich in diesen Fällen die Beratung sparen kann...

Voss: Absolut. Dadurch hebt er sich vom Baumarkt ab. Wenn ein Kunde im Baumarkt nach einem Produkt fragt, schickt der Verkäufer ihn zum dritten Gang auf der linken Seite. Im Fachmarkt wird dem Kunden das Produkt aus dem Regal geholt, zur Kasse getragen, eingepackt, er wird verabschiedet und zur Tür gebracht und erfährt eine ganz andere Wertschätzung.

BTH Heimtex: Wie muss ein Fachmarkt sein Angebot präsentieren? Steht die Ware im Vordergrund, soll er Dekorations-Ideen zeigen?

Voss: Beides. Und auch technische Informationen sind wichtig, zum Beispiel den Aufbau einer lackierten Tür darzustellen. Im Bodenbelagsbereich sollten verschiedene Verlegearten demonstriert werden, zum Beispiel verklebtes und schwimmend verlegtes Parkett, bei denen sich deutlich ein akustischer Unterschied feststellen lässt.

Kojen mit Milieuszenen sind wichtig, um Farb- und Materialkombinationen zu zeigen. Und, was häufig vergessen oder unterschätzt wird: die musikalische Untermalung. Nichts ist schlimmer als ein Fachmarkt, in dem Totenstille herrscht und man die Gespräche eines anderen Kunden - unfreiwillig - mitverfolgen kann.

BTH Heimtex: Nun haben wir ausführlich über Fachmärkte gesprochen, aber noch nicht darüber, warum 2HK als Kooperation für Fachmärkte interessant ist. Was braucht der Fachmarkt von einer Kooperation, was erhält er bei Ihnen?

Voss: Zunächst einmal gibt es natürlich ein Grundgerüst, dass jede Kooperation anbietet, anbieten muss. Das ist zum Beispiel das Einkaufswesen. Klassischerweise kommen die Kooperationen aus dem Einkauf, bündeln Menge, platzieren diese bei der Industrie und bekommen dadurch günstigere Einkaufspreise. Natürlich machen wir das auch. Das ist die Basis. Was wir vielleicht anders machen als andere, ist ein starker Fokus auf den Verkauf. Wir bezeichnen uns ja auch bewusst als Verkaufskooperation.

Oder, anders gesagt: Gemeinsames Einkaufen war gestern, gemeinsames Verkaufen ist morgen. Was nützen 1 % mehr Bonus, wenn der Umsatz um 10 % schrumpft? Wir wollen unseren Mitgliedern 10 % mehr Umsatz verschaffen. Sprechen Sie mal mit uneren neuen Mitgliedern. Die meisten haben einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Zweistellige Zuwächse waren in 2010 keine Seltenheit. Wir nehmen gezielt den Verbraucher ins Visier und wollen ihn ins Geschäft ziehen. Dafür machen wir unter anderem Prospektwerbung. Wir bringen 12 Prospekte im Jahr, vom 16-seitigen Wohnjournal bis zu WSV- und SSV-Aktionen, von denen unsere Mitglieder auch rege Gebrauch machen.

BTH Heimtex: Aber nur mit einem Prospekt bewegen Sie den Verbraucher doch nicht ins Geschäft.

Voss: Doch, vorallem bei Neukunden. Und das ist ja auch nur ein Beispiel. Ein anderes ist Kinowerbung: Ein 90 Sekunden-Spot und die letzten 10 Sekunden sind für unser Anschlusshaus individualisiert. Das kostet gerade mal 30 EUR für ein attraktives, aktives Werbemittel, mit dem man auch junge Verbraucher erreicht.

Wir haben auch eine Kompetenzbroschüre entwickelt, in der die einzelnen Produktgruppen vorgestellt werden. Auch die ist flexibel veränderbar: Innerhalb des Rasters kann man Bilder tauschen und Texte verändern oder auch Markenwerbung integrieren. Auch diese Broschüre ist sehr günstig.

Natürlich bieten wir auch Direct mailings, Rechnungsbeileger etc. an. Aber das ist nichts Besonderes. Das sind vielmehr unsere Sonderaktionen. So haben wir etwa als Rabattkiller das Thema Staubsauger aufleben lassen.

BTH Heimtex: Rabattkiller?

Voss: Ganz einfach: Oft fragen Kunden bei einem höheren Rechnungsbeitrag nach Rabatt. Gewährt man ihnen dann 10 %, reduziert man seinen Deckungsbeitrag um 20 %! Gibt man dem Kunden stattdessen einen Staubsauger im Wert von 199 EUR dazu, fühlt er sich ernstgenommen und beschenkt und die eigene betriebswirtschaftliche Rechnung sieht viel besser aus. Auf dem Staubsauger, übrigens Testsieger und Gewinner vom Red Dot Design Award, wird noch ein Aufkleber mit Firmenlogo vom Händler geklebt und schon denkt der Kunde jeden Tag an den edlen Spender - unserem Händler. Guerilla Marketing pur.

BTH Heimtex: Was bieten Sie noch?

Voss: Zum Beispiel eine Gardinenschau mit optimierten Ständern, die leicht auf- und abzubauen sind und viel Stoff zeigen, technische Beratung über einen Gutachter und unser Warenwirtschaftssystem AIS - Artikelinformationssystem - mit dem wir komplett die Preispflege für die Produkte unser gelisteten Lieferanten übernehmen. Das ist eine große Arbeitserleichterung für unsere Anschlusshäuser. Mit nur einem Klick halten sie ihre Preise ständig aktuell.

BTH Heimtex: Was steht in diesem Jahr bei Ihnen auf der Agenda, speziell für die Fachmärkte?

Voss: Natürlich wollen wir weitere Mitglieder im Fachmarktbereich gewinnen, die bestehenden weiter integrieren und mit ihnen gemeinsam daran arbeiten, sie bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten.

Ein Zukunftsprojekt ist der Online-Verkauf. Da trauen sich viele noch nicht heran. Aber das Internet-Geschäft macht bereits 30 % vom Einzelhandels-Umsatz aus - das sind 30 % weniger in der Kasse des stationären Handels. Das konnten wir nicht ignorieren und haben zunächst im Bereich der Betten von unseren Mitgliedern einen Online-Shop eingerichtet: Bettenplanet.de. Daran werden wir mit 2HK-Sortimenten nach und nach anknüpfen.
aus BTH Heimtex 01/11 (Wirtschaft)