Interview des Monats: Michael Thürmer, Bereichsleiter Holzhandel der Eurobaustoff

Eurobaustoff will Marktanteil im Holzhandel erhöhen

Michael Thürmer ist gewiss kein Unbekannter im Holzhandel. Insbesondere in den vergangenen fünfzehn Jahren hatte sich Thürmer als Analytiker, Stratege und Querdenker einen Namen gemacht. Manchmal ist er dabei wohl auch angeeckt. Von Raab Karcher kam er 1996 zur Hagebau-Zentrale nach Soltau und war dort lange Jahre für den Unternehmensbereich Holzhandel verantwortlich. Seit dem Jahre 2008 betätigte er sich dann freiberuflich als Unternehmensberater, Referent und auch Publizist. Erst vor wenigen Wochen kehrte Thürmer ins operative Geschäft zurück und übernahm in der Zentrale der Eurobaustoff in Bad Nauheim die Leitung des neu geschaffenen Unternehmensbereichs Holzhandel. Grund genug für ParkettMagazin, mit Michael Thürmer den Holzhandel allgemein und die Eurobaustoff im Besonderen zu reden.

ParkettMagazin: Gemäß Pressemitteilung ihres neuen Arbeitgebers hatten sie vor etwa drei Jahren den direkten Wettbewerber Hagebau angeblich verlassen, weil dort die Interessen der mittelständischen Holzhändler nicht mehr ausreichend vertreten worden seien. Spricht nicht die unveränderte Mitgliedschaft von bedeutenden Holzhändlern, wie z.B. Andresen und Jochimsen, Gräf oder Leyendecker gegen diese Begründung?

Michael Thürmer: Die Interessen der Holzhändler hatte ich damals in meiner Strategie "Hagebau Holzhandel 2015" formuliert und gebündelt. Sie können den Pressemitteilungen der Hagebau entnehmen, dass es nun eine neue Strategie 2014 gibt. Welche Einzelinteressen die von ihnen genannten Unternehmen jeweils haben, kann ich nicht einschätzen. Das müssen die Unternehmen selbst beantworten.

Mir hat es große Freude bereitet, die Strategie 2015 zu entwickeln. Ich habe dann aber keine Möglichkeit mehr gesehen, meine Ideen auch umzusetzen und bin deshalb in die Beratertätigkeit gewechselt. Ich wollte an den Themen Modernisierung, Renovierung, Holzbau und Zielgruppenausrichtung weiterarbeiten und glaubte, hier durch direkte Beratung im Handel mehr bewegen zu können.

ParkettMagazin: Eurobaustoff ist doch insgesamt deutlich größer als Hagebau. Besteht nicht eben aus diesem Grund die Gefahr, dass sich der individuelle Bedarf der mittelständisch geprägten Gesellschafter etwaigen zentral gesteuerten Führungskonzepten unterordnen muss?

Michael Thürmer: Ich würde das nicht an der Größe, sondern an der Ausrichtung des Unternehmens festmachen wollen. Die Ausrichtung der Eurobaustoff ist eindeutig in Richtung des Mittelstands. Wenn Sie sich den durchschnittlichen Gesellschafter der Eurobaustoff anschauen, ist daraus abzuleiten, dass der Eurobaustoff-Gesellschafter eher an individuellen Konzepten interessiert ist, als dies bei anderen Kooperationen der Fall ist. Bei den Wettbewerbern zählen teilweise sogar Konzerne oder zumindest marktführende Unternehmen zu den Mitgliedern. Unser Bestreben ist es, die Interessen des Mittelstands zu bündeln, um sich gegen Konzerne bzw. Marktführer behaupten zu können.

Der mittelständische Unternehmer hat Zukunft und gegenüber dem angestellten Niederlassungsleiter eines Konzerns Vorteile, zum Beispiel durch seine persönliche lokale Gebundenheit. Unsere Aufgabe als Kooperation ist es, unsere Gesellschafter mit individuellen Konzepten vor Ort zu unterstützen. Das geht z.B. über modulare Systeme, die sowohl an kleinere, mittlere als auch große Unternehmen angepasst werden können.

ParkettMagazin: Thema "Holzhandel als gleichberechtigter Unternehmensbereich neben dem Fliesen- und Baustoffhandel". Was verstehen Sie unter dieser Gleichberechtigung?

Michael Thürmer: Genau die gleiche Frage habe ich mir auch im Vorfeld gestellt, und in allen Gesprächen habe ich gute Antworten bekommen. Jetzt, nach meinem Dienstantritt, hatte ich auf dem Eurobaustoff Forum die gute Gelegenheit, mit einer Vielzahl von Händlern zu sprechen. Meine Gesprächspartner waren einhellig der Meinung, in allen Bereichen einheitlich gut beraten zu werden.

Gerade weil unsere Fachhändler alle Sortimente aus einer Hand erhalten, können Renovierungs- oder Modernisierungsvorhaben umgesetzt werden.

ParkettMagazin: Gehen bei einer Organisationsform nach Produktgruppen im Vergleich zu einer funktionalen Struktur, die vom Produkt abstrahiert, nicht wichtige Synergieeffekte verloren?

Michael Thürmer: In einem komplexen Gebilde wie der Eurobaustoff ergeben sich wegen der vielen Artikel und Artikelgruppen, die teilweise nicht viel miteinander zu tun haben, viele Schnittstellen.

Natürlich kann man nach Branchen organisieren. Das würde einen Gesellschafter, der ein Bauzentrum betreibt und mehrere Artikelgruppen braucht, dazu zwingen, mit verschiedenen Mitarbeitern kommunizieren zu müssen. Er will aber nur einen Ansprechpartner haben. Da entsteht schon automatisch die erste Schnittstelle, die Schwierigkeiten verursachen kann. Das gilt auch für den Kunden unserer Gesellschafter, auch diese wollen die Marketingleistung, Renovierungsleistung usw. aus einer Hand haben. Die spannende Frage ist, wie man die Schnittstellen so definieren kann, dass nicht einer, sondern mehrere unserer Mitarbeiter mit dem gleichen Lieferanten verhandeln müssen. Deshalb organisieren wir im Bereich Holzhandel den Einkauf nach Sortimenten. So hat der Lieferant nur einen Ansprechpartner.
Auch wir arbeiten noch an einer optimalen Organisationsstruktur, um die zwangsläufig vorhandenen Schnittstellen zu optimieren.

Eine reine Holz-Kooperation hat es da natürlich wesentlich leichter. Wenn man sich nur mit Holz beschäftigt und nur hauptsächlich Endverbraucher als Zielgruppe hat, kann man auch mit Category Management recht erfolgreich sein.

ParkettMagazin: Ist es zutreffend, dass der Holzfachhandel gegenüber dem Baumarkt in den letzten Jahren Marktanteile gewonnen hat?

Michael Thürmer: Nein, das ist meiner Meinung nach falsch. Es gibt verschiedene Studien, die belegen, dass der Baumarkt im Holzeinzelhandel Marktanteile hinzugewonnen hat. Etwas anderes wäre auch unlogisch. Jeder Baumarkt mit 15.000 m2 Verkaufsfläche hat eine Holzpräsentation von 3.000 bis 4.000 m2. Diese stark gewachsenen Flächen erzeugen ja auch Umsatz. Sehen Sie mal: Stoellger hat den Fachmarkt geschlossen. Oder Brandt und Holzbeierlein haben zugemacht. Viele Holzeinzelhändler haben vom SB-Verkauf auf Ausstellungsverkauf umgestellt.

Es sind viele Standorte verschwunden. Der Holzeinzelhandel hat ganz eindeutig gegenüber dem Baumarkt Umsatzanteile verloren.

ParkettMagazin: Aber mein Eindruck war, dass zumindest der Baumarkt in den letzten Jahren nicht mehr gewachsen ist.

Michael Thürmer: Holzprodukte, je nachdem was Sie mit dazu zählen, haben im Baumarkt einen Umsatzanteil von rund 8%. Insgesamt hat die Bedeutung des Baumarkts zugenommen. Das sehen sie ja auch daran, dass einige führende Lieferanten des Holzhandels inzwischen im Baumarkt vertreten sind. Viele Baumärkte haben ihre Verkaufsfläche drastisch erhöht und damit natürlich auch den Umsatz gesteigert. An dem Anteil des Holzumsatzes hat dies nichts geändert, der bleibt bei weiterhin 8%, hat aber natürlich gemeinsam mit dem gesteigerten Gesamtumsatz in absoluten Zahlen deutlich zugelegt.

Das Gesamtvolumen liegt im Holzhandel um die 10 Mrd. EUR. Der Großhandel nimmt an Bedeutung zu und der Einzelhandel geht zurück. Nach den Statistiken des Holzhandelsverbandes ist der Einzelhandelsumsatz in den letzten Jahren um etwa 8% zurückgegangen, die aber der Großhandel wieder kompensiert hat.

ParkettMagazin: Welche Ziele haben sie sich für ihre Tätigkeit bei Eurobaustoff vorgenommen. Es ist doch wohl zutreffend, dass ihre Kooperation im Bereich des Holzhandels deutlich kleiner ist als Holzring, Holzland und Hagebau?

Michael Thürmer: Erste Aufgabe ist es, das bestehende Geschäft zu sichern und sukzessive auszubauen. Daher werden wir uns schnell darum bemühen, einen neuen Einkaufsleiter zu finden. Dann gibt es zwei wesentliche Ansatzpunkte für die weitere Entwicklung:

Zum einen die Umsetzung der in der Beratung entwickelten Konzepte, die ich so interessant finde, dass ich sie auch selber umsetzen möchte. Ich sehe große Potentiale, bei den bestehenden Gesellschaftern die Artikelgruppe Holz weiter voranbringen zu können. Das Produkt Holz muss noch stärker verankert werden, als das heute der Fall ist.

Der zweite Bereich ist der Holzfachhandel. Hier bieten wir zum Beispiel alle Produkte für den Zimmermann aus einer Hand an. Damit werden wir auch aus dem Holzfachhandel neue Gesellschafter hinzugewinnen.

Für beide Ansätze ist der Einkauf ein wichtiges Thema. Wir werden weitere Lieferanten aufnehmen, die das Konzept Holz im Baustoffhandel und im Holzhandel unterstützen. Auch über Importgeschäfte denken wir nach.

Weiterhin wollen wir mit drei Vertriebskonzepten unsere Händler aktiv unterstützen:

1. Sortimentskonzepte

2. Zielgruppenkonzepte, die beispielsweise den Zimmermann mit Vollsortimenten inklusive weiterer Dienstleistungen ansprechen.

3. Betriebstypenkonzepte - die Königsdisziplin. Hier ist zum Beispiel für ein komplettes Konzept eines Holzzentrums zu klären: Welche Marktpotentiale gibt es? In welchen Warengruppen und für welche Zielgruppen? Welche Größenordnung ist realisierbar?

Ein zentrales Ziel von mir ist ganz allgemeiner Art: Die Vergrößerung der Holzbauquote in Deutschland auf 30 bis 40%. Die Schubwirkung für unsere Gesellschafter wäre gewaltig und würde gleichzeitig durch die dauerhafte Einlagerung von CO einen enormen Beitrag für die Reduzierung des Treibhauseffektes bewirken.

ParkettMagazin: Hört man aus dieser Antwort, dass sie nicht unbedingt ein Freund der energetischen Holzverwertung sind?

Michael Thürmer: Genau! Das gilt natürlich nicht für Altholz, Totholz, Rückschnitt aus Gründen der Waldpflege etc.. Hier ist die energetische Holzverwertung gut und sinnvoll. Aber der Bereich der energetischen Zweitverwertung erscheint mir noch deutlich steigerungsfähig zu sein. Bei einer Holzbauquote von 40% steht dafür langfristig gesehen auch genügend Masse zur Verfügung.


ParkettMagazin: Es gibt einige Händler, die sowohl eine Mitgliedschaft bei der Eurobaustoff als auch beim Holzring haben. Kann man daraus ableiten, dass bisher der Holzbereich für Spezialisten bei ihnen nicht ausreichend abgedeckt war?

Michael Thürmer: Doppelmitglieder werde ich überzeugen, dass unser Angebot gleichwertig ist und wir zusätzlich alles aus einer Hand bieten können. Man muss natürlich sehen, dass der Holzring eine überschaubare Mitgliederanzahl hat und dort das Familiäre im Vordergrund steht. Die Aufgabe ist, technische Dinge wie Marketing und Vertrieb in den Fachgruppen voranzubringen und gleichzeitig hier auch emotionale Dinge wie den "Stallgeruch" zu transportieren.

Ein riesiges Potential haben wir im Bereich der Holzwerkstoffe, der bei uns bisher noch recht schwach vertreten ist. Das ist auch eine häufige Begründung für die Doppelmitgliedschaft. Hier müssen wir uns verbessern.

ParkettMagazin: Worin liegt genau der Mehrwert, den ihre Gesellschafter von ihnen erhalten können?

Michael Thürmer: 1. Der Einkauf. Neben den Rahmenkonditionen müssen wir auch immer mehr die Versorgung sicherstellen. Was ist mit Engpässen auf der Herstellerseite oder Problemen in der Rohstoffversorgung? Es ist unsere Kernaufgabe, im Falle einer Warenverknappung den Interessen unser eigenen Gesellschafter Priorität zu verschaffen.

2. Der operative Einkauf. Es macht doch keinen Sinn, dass ein einzelner Gesellschafter ein oder zwei Ladungen in Skandinavien selbst einkauft. Hier können wir helfen.

3. Die Einkaufsberatung: Hier wollen wir noch mehr bei der Auswahl der Lieferanten bis hin zur Erstellung von kompletten Sortiments- und Zielgruppenkonzepten unterstützen.

ParkettMagazin: Sie selbst haben in der Vergangenheit kritisiert, dass Kooperationsgemeinschaften keine Bonus-Sammelvereine sein dürfen. Wie stehen Sie heute zu dieser Aussage?

Michael Thürmer: Während meiner Beratertätigkeit habe ich die auf dem deutschen Markt operierenden Verbundgruppen analysiert und alle Leistungsfelder einer Verbundgruppe für den Holzhandel definiert. Nun versuche ich, möglichst alle Ideen auch in der Praxis umsetzen und das kurzfristig.

ParkettMagazin: Halten Sie die folgende Formulierung für richtig oder falsch, dass eine Verbundgruppe in einzelnen Sortimenten sich auf einen Lieferanten konzentrieren sollte, um bestmögliche Konditionen zu bekommen?

Michael Thürmer: Als Verbundgruppe kann man natürlich den meisten Einkaufsumsatz generieren, wenn man alle Lieferanten, die es auf dem Markt gibt, aufnimmt. Das dürfte aber weder für die Industrie noch für die Gesellschafter eine optimale Lösung sein.

In der Vertriebsorientierung sollte man eher mit ABC-Lieferanten-Konzepten arbeiten und hauptsächlich die Lieferanten bevorzugen, die in den weiteren Bausteinen des Leistungsspektrums mitarbeiten können. Der Preis allein ist hier nicht das ausschließliche Kriterium der Auswahl. Die Lieferanten müssen bei Marketing-Lösungen und Vertriebskonzepten unterstützen.

ParkettMagazin: Heißt das, dass sich die Lieferantenstruktur der Eurobaustoff in einzelnen Bereichen ändern wird?

Michael Thürmer: Eurobaustoff kann nicht nur einen Lieferanten in einer Artikelgruppe haben. Es gibt schließlich auch gebietsspezifische Überschneidungen zwischen unseren Gesellschaftern und deren Wettbewerbern. Da brauche ich dann zwangsläufig Alternativen. Andererseits hat es sich in einzelnen Sortimenten ergeben, dass der eine Hersteller z.B. der A-Lieferant für den Baustoffhandel und der Wettbewerber dieses Industriepartners der A-Lieferant im Holzhandel ist.

In einzelnen Sortimenten, wie z.B. bei Massivholzplatten, ist die Auswahl der bisher gelisteten Lieferanten noch sehr überschaubar. Hier müssen wir uns breiter aufstellen. Auch bei den Holzwerkstoffen und Holzinnentüren sind noch Potentiale.

ParkettMagazin: Sie haben kurz vor ihrem Eintritt bei ihrem neuen Arbeitgeber geschrieben, dass Eurobaustoff in erster Linie im Baustoffhandel wächst. Heute wollen sie doch sicherlich das Wachstum hauptsächlich im Holzhandel forcieren?

Michael Thürmer (lacht): Nun, der Artikel, den sie zitieren, ist kurz nach dem Beitritt von einigen gewichtigen Baustoffhändlern zur Eurobaustoff erschienen. Natürlich ist es meine Aufgabe heute, den Holzhandel zu unterstützen und Holzhändler hinzuzugewinnen. Die beiden Holzhandelskooperationen wollen ja wohl eigenständig bleiben. Also konzentriere ich mich auf den mittelständischen Holzhändler mit einer Umsatzgröße zwischen 5 und 50 Mio. EUR. Hier wollen wir wachsen und neue Gesellschafter gewinnen. In Münster sind beispielsweise gleich drei oder gar vier Händler Gesellschafter unseres Wettbewerbs. Darauf werde ich mich konzentrieren. Außerdem gibt es auch Regionen mit Potentialen für einen Holzhandel, wo ein Standort noch entwickelt werden kann.

Bis 2015 wollen wir etwa 200 Standorte im Holzhandel haben, dass wären 50 mehr als aktuell. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Es wird natürlich auch vom Verhalten des Wettbewerbes abhängen und von der Frage, wie schnell ich die eben angesprochenen Konzepte umsetzen kann.

Ganz klare Antwort auf Ihre Frage: Wir wollen auch im Holzhandel unseren Marktanteil deutlich erhöhen. Wenn der Baustoffhandel parallel auch noch schneller wachsen sollte, sind wir auch nicht traurig.
aus Parkett Magazin 01/11 (Wirtschaft)