Deko + Gardine auf der Heimtextil

In Frankfurt stehen die Zeichen auf Grün

Die Vorzeichen zur diesjährigen Heimtextil waren bei den Deko- und Gardinenleuten nicht die besten: Dass neun Premiumverlage und namhafte Hersteller auf der IMM in Köln mit Pure Textile quasi in einer Gegenveranstaltung ihre Neuheiten präsentierten, tat schon weh. Böse Stimmen erwarteten nur noch einen "konsumigen Bodensatz" in Frankfurt. Auch das Schnee- und Eischaos mit gesperrten Flughäfen im Vorfeld war kein gutes Omen. Aber dank der guten Nachfrage zum Jahresende, des prognostizierten Wirtschaftsaufschwungs für 2011 und der fast frühlingshaften Temperaturen während der Messetage war die Heimtextil 2011 dann doch ein voller Erfolg - sowohl auf Aussteller- wie Besucherseite. Die neue Hallenaufteilung wurde insgesamt gut angenommen. von Birgit Genz

Die Heimtextil hat auch 2011 ihren guten Ruf als internationale Messeplattform bestätigt. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass mit Nya Nordiska ein weiterer deutscher Premiumverlag fehlte, der über Jahrzehnte mit seinen innovativen Stoffen Anziehungspunkt in Frankfurt war. Stattdessen zeigte Nya die Neuheiten auf der IMM in Köln. Aber auch treue Aussteller wie Eckardt Gardinen fehlten. Dafür waren die deutschen Webereien mit ihrer international anerkannten Kompetenz gut vertreten.

Trotz im Vergleich zum Vorjahr gestiegener Besucherzahlen wurden allgemein Fachhändler und Raumausstatter aus Deutschland vermisst. Die Läger seien leer, aber vielen fehlten die finanziellen Mittel, war als Begründung zu hören. Alle großen Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz seien aber da gewesen und orderwillig. "Es ist sehr auffällig, dass viele Großkunden, die in den letzten zwei Jahren sehr zögerlich waren und ihre Neu-Kollektionierung auf Halteposition hatten, jetzt ihre Bestellungen aufgeben", so Kerstin Baron-Breunig von Munzert. "Unsere Großkunden sind deutlich optimistischer und aufgeschlossener für Neuheiten als 2010." Positiv fällt auf: Die Kunden setzen verstärkt auf Qualität.

"Wir haben deutlich besser als 2010 geschrieben", war auch Thorsten Bopp von Albani zufrieden. Die Qualität der Besucher sei hervorragend, sie seien gleich entscheidungsfähig. Ähnlich äußerte sich Hendrik Unland: "Wir hatten eine deutlich höhere Frequenz als letztes Jahr, im Export haben wir drei- bis viermal mehr geschrieben als 2010. In Griechenland und England läuft allerdings gar nichts." Auch Claus Wölfel schätzt an der Heimtextil vor allem die guten Auslandskontakte: "Das internationale Business ist sehr ausgeprägt". Das sah Sascha Dempwolff von Porschen genauso: "Wir haben gute Exportkontakte nach Portugal, Spanien und Kanada geknüpft."

Neue Hallenstruktur kam an

Die neue Hallenstruktur mit den Tapeten und Textilverlagen in der 3.1. wurde auf Aussteller- und Besucherseite allgemein begrüßt. Auch die kurzen Wege in die Halle 5 mit Sonnenschutz und Deko-Technik fanden Zuspruch. "Die Hallenstruktur ist konzeptionell der richtige Ansatz", meinte Martin Auerbach, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Heimtextilien-Industrie.

Doch macht die neue Aufteilung auch schmerzlich bewusst, dass das Segment Stoff auf der Heimtextil gegenüber frühen Jahren zunehmend an Bedeutung verliert. Dennoch müsse man die Messe nicht schlecht reden, kritisierten mehrere loyale Aussteller jene Mitbewerber, die nur als Besucher über die Heimtextil flanierten und das Konzept missbilligten. Hendrik Unland: "Es gibt offensichtlich zwei klare Interessenlagen: Die einen finden die Heimtextil gut und stehen zu ihr und die anderen nehmen das neue Konzept auseinander, ohne sich überhaupt richtig damit beschäftigt zu haben".
Kleinere Kritikpunkte gab es allerdings auch seitens der Aussteller; sie betrafen unter anderem die Standverteilung in Halle 3.0, wo Hersteller neben ihren Kunden platziert waren, die Besucher vermissten Sitzgelegenheiten zum Ausruhen und bemängelten das Raumklima: "Zu warm und zu hohe Luftfeuchtigkeit". Am Lochner-Stand waren eines Mittags 26 C gemessen worden.

Produktion wird nach Europa zurückverlagert

Die Aufbruchstimmung, die bereits auf der vergangenen Heimtextil spürbar war, hat sich übers Jahr bestätigt, wenn auch Dekos und Gardinen 2010 noch ein Umsatzminus von 3 % hinnehmen mussten. Zumindest konnte die Negativentwicklung gebremst werden.

Immer noch zurück geht die Zahl der in Deutschland fertigenden Textilunternehmen. Aber auch dieser Trend verlangsamt sich; der Produktionsstandort Europa gewinnt wieder an Bedeutung. Sogar eine Rückverlagerung von Produktionen aus China ist zu beobachten. Und die Gründe dafür liegen nicht nur im schwachen Euro, der Exportvorteile bietet.

In Fernost stiegen die Preise um bis zu 30 %. Speziell in China ist der wirtschaftliche Aufschwung so stark, dass einheimische Produzenten weniger auf Bestellungen aus Europa angewiesen sind; sie bedienen zunächst den eigenen Markt. Von dieser Entwicklung profitieren die Länder Osteuropas und die Türkei. Und die europäische Heimtextilienindustrie sieht endlich wieder Möglichkeiten, ihr Geschäft zu stabilisieren und sogar deutliche Margenverbesserungen zu erzielen.

Das ist auch dringend nötig, denn die Auswirkung der Wirtschaftskrise sind bei den deutschen Herstellern noch deutlich zu spüren. Trotz der anziehenden Konjunktur haben die meisten Unternehmen bislang noch nicht einmal das Vorkrisen-Niveau erreicht, geschweige denn ein nennenswertes Plus erzielt. Die meisten Webereien mussten 2010 noch über Monate hinweg kurz arbeiten.

Die Talsohle scheint jedoch durchschritten. So rechnen die meisten deutschen Heimtextilienproduzenten für das laufende Jahr bereits wieder mit einem deutlichen Umsatzplus. Die Kapazitäten seien mittlerweile wieder gut ausgelastet, und die Aufträge nehmen zu - vor allem aus dem Ausland. Firmenkonjunkturen wie bei der Weberei Lochner, die wegen der guten Auftragslage seit September Überstunden fahren muss, oder Wölfel, wo Sonderschichten am Wochenende eingerichtet wurden, machen Hoffnung. Viele Unternehmen planen sogar wieder Investitionen.

Rohstoffpreise machen Sorgen

Ein großes Problem für die Branche ist die sich verschärfende Lage auf den Rohstoffmärkten und die damit verbundenen exorbitanten Preiserhöhungen. Für Baumwolle haben sich die Preise innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. Zum einen vernichteten die Flutkatastrophen in Pakistan und Australien große Ernteflächen. Gleichzeitig sorgten starke Regenfälle in China, dem größten Baumwollerzeuger der Welt, dafür, dass die Erntemengen deutlich geringer ausfielen. Die Erzeugerländer versorgen jetzt primär ihre eigenen Märkte. So hat Indien bereits vor Monaten die Notbremse gezogen und mit der Begründung, nicht mehr genügend Baumwolle für den Eigenbedarf zu haben, die Exporte gestoppt. Seit November darf zwar wieder indische Baumwolle ausgeführt werden, die zugelassenen Mengen entsprechen aber in keiner Weise dem Bedarf. Zum anderen ist die Nachfrage aus den USA, Mexiko und China deutlich gestiegen und in dem angespannten Umfeld werden die Preise für Rohbaumwolle durch Spekulanten noch zusätzlich angeheizt.

Unangenehmer Nebeneffekt: Die teure Baumwolle hat auch zu massiven Preissteigerungen bei anderen Rohstoffen geführt. So kosten Polyester und Viskose seit Anfang November rund 30 % mehr.

Allmählich zeichnen sich jedoch neue Perspektiven im internationalen Baumwollmarkt ab; die weltweit gestiegenen Preise verlocken dazu, die Anbauflächen auszuweiten. Allein in den USA werden sie in diesem Jahr um 15 % vergrößert, auch Australien und Brasilien bauen ihre Produktion aus. Allerdings stehen diese Mengen frühestens ab April zur Verfügung.

Erfolg mit anspruchsvollen Produkten und Lizenzen

Insgesamt gibt sich die Heimtextilienbranche für 2011 zuversichtlich. Die Umfrage der Messeleitung hinsichtlich der aktuellen Branchenkonjunktur fiel jedenfalls deutlich positiver aus als noch vor einem Jahr. Knapp 90 % der deutschen Besucher und Aussteller beurteilten sie als gut bis befriedigend, gegenüber 78 % im Vorjahr.

"Wir erwarten für 2011 eine Konsolidierung und ein gutes Plus", war Donata Apelt-Ihling überzeugt. Ähnlich sieht es Klaus Munzert: "Wir erwarten in jedem Fall einen besseren Geschäftsverlauf als 2010, wobei sich das schon in der zweiten Halbjahreshälfte angekündigt hat."

Die Chancen der deutschen Anbieter liegen derzeit vor allem in Marktnischen und dem Trend zu hochwertiger textiler Ausstattung. Die Stoffneuheiten 2011 sind daher anspruchsvoll und basieren auf komplizierten Herstellungstechniken. Führende Designer nutzen das Know-how der deutschen Industrie und suchen Entwicklungen, die so aufwändig gearbeitet sind, dass sie von der Konkurrenz in Fernost bis auf weiteres nicht zu kopieren sind.

So bleiben Heimtextilien mit Funktion und Zusatznutzen ein wichtiges Thema. Ebenso neue Technologien wie Digitaldruckverfahren, mit denen kundenspezifische Designs in kleinsten Losgrößen realisierbar werden.

Auf der einen Seite nimmt Private Labeling immer größeren Raum ein, um aus der Vergleichbarkeit herauszukommen; auf der anderen Seite gewinnt das Lizenzgeschäft an Bedeutung. Bekannte Namen aus der Mode wie Esprit, Joop, Tom Tailor - oder ganz neue Escada und Hugo Boss im Haustextilien-Bereich - sichern damit ihre Marken ab und generieren mit dem Bekanntheitsgrad zugleich Zusatzumsätze in neuen Marktsegmenten. Immerhin sind fast 40 % der Endverbraucher stark markenbewusst. Davon profitieren Firmen wie der Jacquardweber Stoeckel & Grimmler, der nach Esprit, Schöner Wohnen und der Lizenz für Joop Ready Mades mit Fertigvorhängen, Kissen und Plaids jetzt auch die Joop-Lizenz für Coupon-Stoffe von Brandproducts übernommen hat.

Ready Mades sind generell ein starkes Thema geworden, nachdem die Großfläche zunehmend das Thema Textiles Wohnen entdeckt. Für diese Vertriebsschiene sind Fertigvorhänge und fertig konfektionierte Schlaufenschals das ideale Produkt, da sie keiner Beratung bedürfen und so auf Personal verzichtet werden kann. Auch aus dem Fachmarkt sind Ready Mades nicht mehr wegzudenken.

Bei Raumausstattern und Fachhandel ist hingegen der Trend weg von der Stückware hin zum Coupon ungebrochen, war bei Lochner zu hören. Bei Wölfel läuft gleichzeitig die Maßkonfektion "auf konstant gutem Niveau" und bei der Heco gibt es hier sogar eine verstärkte Nachfrage: "Hier haben wir einen riesigen Sprung nach vorne gemacht. Die Konfektion ist ein Handwerk, das ausstirbt", urteilte Burkhard Koop. "Die Materialien sind so filigran geworden, dass viele Raumausstatter Probleme mit der sachgemäßen Verarbeitung haben."

Einen Schwerpunkt legte die Messe wegen der steigenden Nachfrage auf das "grüne" Thema Nachhaltigkeit. Denn die stetig wachsende Sensibilisierung für wertige Produkte und Umweltprobleme manifestiert sich speziell in Deutschland immer deutlicher und hat längst auch die Heimtextilienbranche erreicht. Erstmals erstellte die Messe als Orientierungshilfe ein Verzeichnis von Ausstellern, deren Angebot sich durch ökologische Produkte oder eine nachhaltige Herstellungsweise auszeichnen. Und auch die Initiative "Heimtextil goes City", die Messeneuheiten im Frankfurter Stadtgebiet in Szene setzte, hatte das Thema nachhaltig produzierter Textilien im Fokus.

Allerdings: "In der Industrie ist das Thema Nachhaltigkeit sehr schwierig durchzusetzen, weil nach wie vor der Preis wichtiger ist als die Umweltfreundlichkeit. Und der Großhandel verkauft keinen Meter mehr, nur weil es Cradle to Cradle ist", wusste Kerstin Baron-Breunig von Munzert aus Erfahrung zu berichten. Dabei ist gerade Munzert in diesem Bereich durchaus aktiv und zeigte einen Hologramm-Stoff aus recycelten Feinfasern.
aus BTH Heimtex 02/11 (Wirtschaft)