Dr. Thomas Wagner, Pichler Textil

Prognosen sind so eine Sache


Das alles beherrschende Thema in unserer Branche sind seit Monaten die Rohstoffpreise, allen voran die Baumwollnotierungen. Seit einigen Wochen ziehen auch die Polyesterpreise massiv an. Der Markt spielt dabei total verrückt: so ist manchmal über Wochen kein Angebot für ein bestimmtes Polyestergarn zu bekommen, oder ein verbindliches Angebot wird noch am selben Tag zurückgezogen. Anfang November haben wir uns erlaubt, ganz bescheiden die aktuellen Garnpreise abzufragen und sind fast vom Stuhl gefallen. Bei einigen Garnen kamen seit unserem letzten Kauf Steigerungen von über 100 Prozent heraus, durchgerechnet auf die fertige Tischdecke macht das je nach Größe bis zu 30 Prozent aus! Wir sind der Meinung, dass derartige Erhöhungen nicht durchsetzbar sind. Zumindest in unserer Sparte würde das Geschäft weitestgehend zum Erliegen kommen und wir könnten unsere Leute heimschicken. Andererseits sind wir überzeugt, dass die weltweite Spekulation mit Rohstoffen derartige Übertreibungen nicht allzu lange durchhalten kann und dass die aktuelle Spitze nicht von Dauer sein wird. Aber das frühere Niveau werden wir so schnell nicht mehr sehen. Mit Blick auf die jüngste Entwicklung und die Stimmung in unserem Land könnten wir Deutschen völlig entspannt auf das Jahr 2011 sehen; auch die Konjunkturprognosen spiegeln dies wieder - wenn da nur nicht die Weltwirtschaft und die finanziellen Verflechtungen wären. Mit Prognosen ist das so eine Sache: Im August 2008 sagte Josef Ackermann "ich glaube, die Finanzkrise ist überwunden." Vielleicht meinte er das nur mit Blick auf sein Institut. Am 15. September hatten wir dann die Lehmann-Pleite, die alle Prognosen über den Haufen warf. Mit einer derart irreführenden Äußerung spreche ich nur ein Extrembeispiel "politisch gesteuerter" Einschätzungen an und halte mich deshalb mit Prognosen lieber zurück. Hoffen wir lieber, dass vorerst alles so bleibt wie es ist.
aus Haustex 01/11 (Wirtschaft)