100 Jahre Uzin Utz AG: Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Dr. H. Werner Utz

"Ich blicke lieber nach vorne"

Das 100-jährige Bestehen der Uzin Utz AG findet in schwierigen Zeiten statt. Zwar wurde gerade das erfolgreichste Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte abgeschlossen, gleichzeitig machen aber steigende Rohstoffpreise, Transport- und Energiekosten nicht nur den Ulmern zu schaffen. BTH Heimtex sprach mit dem Vorstandsvorsitzender Dr. H Werner Utz, der trotz einem Jahrhundert Firmengeschichte lieber in die Zukunft schaut, auch über die internationale Ausrichtung des Unternehmens, das Verhältnis zum Großhandel und das Thema Umweltschutz.

BTH Heimtex: Was schwingt bei Ihnen mit, wenn Sie an das 100. Jubiläum Ihres Unternehmens denken?

Dr. H. Werner Utz: Das ist natürlich schon ein tolles Jubiläum, aber ich bin nicht so nostalgisch veranlagt, ständig zurückzublicken. Aus diesem Grund haben wir das Jubiläum mehr auf die Zukunft ausgerichtet. Ich blicke lieber nach vorne. Wir haben einen Wettbewerb gestartet, wie der Boden der Zukunft aussehen könnte. Die kreativen Ideen präsentieren wir in einer Ausstellung. Wir werden natürlich auch gemeinsam mit Kunden, Partnern und Mitarbeitern feiern - mit 40.000 Fässchen Gold Ochsen Bier aus unserer Region. Uns ist es auch wichtig, die Ulmer Bevölkerung zu beteiligen. Darum feiern wir im September am Ulmer Münsterplatz, mitten in der Stadt.

BTH Heimtex: Neben der Zukunft des Bodens: Wie sieht die Zukunft Ihres Unternehmens aus? Wie gehen Sie mit gestiegenen Rohstoff-, Transport- und Energiekosten um, die gerade der Verband der elastischen Belagshersteller (FEB) und auch der Klebstoffverband beklagen?

Dr. Utz: Was die Rohstoffkosten angeht, stehen wir im Moment mit dem Rücken zur Wand. Wir dachten im Herbst 2010, dass der Höhenflug im März diesen Jahres ein Ende finden würde. Jetzt haben wir gerade von BASF erfahren, dass das ein Irrtum war. Zum 1. Juni steht wieder eine Preiserhöhung an - und wir hatten in den vergangenen 15 Monaten schon fünf. Obwohl wir zum 1. Januar bereits unsere Preise erhöht haben, werden wir leider nicht umhinkommen, dies zum 1. Juli oder 1. August noch einmal zu tun.

BTH Heimtex: Wie groß ist der Kostenfaktor Rohstoffe in der Produktion?

Dr. Utz: Ich schätze den Rohstoffanteil auf 45 bis 50%, das ist bei uns schon ein Großteil der Kalkulation.

BTH Heimtex: Spüren Sie auch die Auswirkungen der bauaufsichtlichen Zulassung für Verlegewerkstoffe?

Dr. Utz: Das macht uns natürlich Kopfzerbrechen. Eine solche Zulassung stellt für uns eine Wettbewerbsverzerrung dar. Manche erhalten ihre Zulassung, andere müssen monatelang darauf warten. Außerdem werden die kleineren Anbieter deutlich benachteiligt: Die Zulassungskosten sind die gleichen, ob ein Produkt nun 1Mio.oder 20.000 EUR Umsatz erzielt. Zum 1. Januar 2012 kommt die bauaufsichtliche Zulassung auch für die anderen Bodenbelagsklebstoffe. Die meisten Hersteller haben ihre Produkte bereits angemeldet. Die Frage ist, ob das DIBt 2.000 Anträge bis Ende des Jahres bearbeiten kann. Ich gehe davon aus, dass die Frist verlängert werden muss.

BTH Heimtex: Was kennzeichnet den deutschen Markt momentan?

Dr. Utz: Der deutsche Markt ist momentan in einer guten Verfassung - und das wird meiner Meinung nach auch in den nächsten drei bis vier Jahren so bleiben. Dass wir einen guten und stabilen Markt für unsere Handwerker-klientel haben, liegt an den Renovierzyklen. Im privaten Bereich werden Bodenbeläge alle sieben bis zehn Jahre ausgetauscht und Bäder so alle 20 Jahre. Im Moment haben wir gerade eine Phase, in der die Konsumneigung angestiegen ist. Die Menschen beschäftigen sich in unsicheren Zeiten wieder stärker mit ihren eigenen vier Wänden. Ich hatte gerade Gespräche mit Handwerkern, die vorwiegend Privatkunden haben. Die sagen, dass sie guten Gewissens dieses Jahr überhaupt keine Aufträge mehr annehmen können. Firmen, die im Geschäft mit der öffentlichen Hand tätig sind, haben allerdings sicherlich einen gewissen Durchhänger.

BTH Heimtex: Und was unterscheidet den deutschen Markt von anderen Märkten?

Dr. Utz: Deutschland ist besser durch die Krise gekommen als beispielsweise Frankreich und Großbritannien. Wir gehen davon aus, dass wir in Frankreich noch zwei schwierige Jahre vor uns haben. In Großbritannien ist der Markt in den vergangenen vier Jahren schwach gewesen, jetzt geht es wieder bergauf. In den Niederlanden, wo wir eine starke Marktposition haben, ist der Markt ein bisschen abgeschwächt. Wo es nach wie vor gut läuft, ist in Polen, Tschechien und Russland. Ein klarer Zielmarkt mit erster Priorität sind die USA. Wir haben nach drei Verlustjahren 2010 die Kehrtwende geschafft und werden dort auch in eine Produktionsstätte investieren. Für uns war überraschend, dass wir dort vor allem mit Trockenmörteln gewachsen sind.

BTH Heimtex: Herr Dr. Utz, Sie haben reichlich Erfahrung mit der Integration von Marken wie Pallmann, Wolff und RZ. Ist Ihre Einkaufsliste jetzt abgearbeitet?

Dr. Utz (lacht): Im Moment ist der Fokus eher international. Um einen Markt ein bisschen beeinflussen zu können und eine eigene Marktstrategie durchzusetzen, braucht man schon einen Marktanteil von 15%. Das haben wir natürlich in vielen Märkten noch nicht und darum wäre eine Übernahme interessant, wenn sich in unserem Kerngeschäft etwas anbieten würde. Wir haben aktuell in Norwegen eine reine Handelsgesellschaft übernommen und wollen von dort den skandinavischen Markt beliefern. Langfristig könnte es sein, dass wir auch dort eine Produktionsstätte brauchen.

BTH Heimtex: In welchen Ländern produzieren sie noch?

Dr. Utz: In Polen, Frankreich, Niederlande, der Schweiz mit zwei Standorten, Indonesien und natürlich Deutschland.

BTH Heimtex: Wie sehen Sie sich gegenüber dem Wettbewerb aufgestellt?

Dr. Utz: Gut. Das, was im Markt an der einen Stelle hinzugewonnen wird, geht zwangsläufig anderswo verloren. Die Auswirkungen der Aktivitäten anderer Marktteilnehmer spüren wir nicht konkret. Es ist eher ein schleichender Prozess in gewissen Segmenten, die wir vielleicht nicht mehr so erreichen wie in der Vergangenheit.

Unsere Vertriebsstrategie ist aber eindeutig definiert: In Deutschland beliefern wir 250 bis 300 Objekteure direkt - alles andere läuft über den Großhandel.

BTH Heimtex: Klebstoffe gibt es neben Uzin jetzt auch bei Pallmann. Bodenleger und Parkettleger haben bislang bei Uzin gekauft. Wie steuern Sie das?

Dr. Utz: Es ist richtig, dass es da zu Beginn Verunsicherungen gab, aber das haben wir geregelt. Der Pallmann-Vertrieb soll auch nur Pallmann-Kunden ansprechen. Es gibt eine gewisse Schnittmenge und der Kunde hat natürlich die Wahl.

Eine Rolle spielen die Vertriebswege. Wir vertreiben Uzin-Produkte wesentlich stärker über den Großhandel. Bei Pallmann ist das etwas anders, weil wir dort direkt vertreiben.

BTH Heimtex: Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Großhandel aus?

Dr. Utz: Wir sind eng miteinander verbunden. Früher haben wir mit dem Großhandelsaußendienst intensiv Aufbauarbeit geleistet. Die Kunden wurden gemeinsam besucht. Das ist heute aus Kostengründen aber nicht mehr möglich. Der Druck auf den Außendienstmitarbeiter des Großhandels, überhaupt zu verkaufen, ist einfach zu groß. Insofern sind wir heute stärker auf das Wohlwollen des Großhandels angewiesen, unsere Produkte aktiv zu verkaufen.

BTH Heimtex: Ein anderes wichtiges Thema: Uzin und Umweltschutz - welche Pläne haben Sie in diesem Bereich?

Dr. Utz: Für uns ist das immer ein starkes Thema gewesen, das wir in der Vergangenheit immer sehr produktlastig gesehen haben. In den vergangenen Jahren hat sich das Richtung Nachhaltigkeit verlagert - wo man zwischen ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit unterscheiden muss. In allen drei Bereichen engagieren wir uns.

Wir sind dem ökonomischen Aspekt in den vergangenen Jahren immer sehr gut nachgekommen. Auch für den sozialen Aspekt haben wir viel getan. Die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter ist uns wichtig. Beispielsweise legen wir großen Wert auf einen mitarbeiterorientierten Führungsstil. Auch in der Region sind wir stark sozial und im Bereich Kulturförderung engagiert. Das gehört alles mit zum Thema Nachhaltigkeit.

Aber Sie interessiert wahrscheinlich besonders der ökologische Aspekt. Wir haben vor zweieinhalb Jahren zwei Diplomantinnen beauftragt, hier Basisarbeit zu betreiben. In der Folge haben wir für Nivelliermassen und Dispersionsklebstoffe als erste in der Branche EPDs (Umwelt-Produktdeklarationen) entwickelt. Im vergangenen halben Jahr hat die Nachfrage von Architekten, Bauplanern und Facility-Managern danach deutlich zugenommen. Bei Handwerkern ist das noch nicht angekommen, es sei denn sie werden mit Objekten konfrontiert, die von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert sind.

Wir beschäftigen uns mittlerweile auch mit dem Energieeintrag der Produkte, sind aber auch auf die Informationen der Vorlieferanten angewiesen; bei großen wie BASF ist das unproblematisch, bei kleineren und mittleren schwierig. Wir wollen unsere Kunden künftig auch darüber informieren, damit sie besser vergleichen können. Bisher werden lediglich quantitative Beschreibungen - auch in den EPDs - an die Hand gegeben, Bewertungen aber fehlen. Der Kunde kann nicht vergleichen, welches Produkt nachhaltiger ist.

BTH Heimtex: Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Unternehmens im Hinblick auf Führungskräfte? Wie sind Ihre Pläne?

Dr. Utz: Meine Söhne steigen jetzt ins Unternehmen ein, sodass man das ganz konkret heute noch nicht sagen kann. Sie müssen sich in der Firma erstmal beweisen. Der eine Sohn war vier Jahre als Unternehmensberater tätig, der andere zweieinhalb Jahre bei einer Bank in der Schweiz. Früher habe ich immer gesagt, mit 63 höre ich auf. Jetzt bin ich 63 und denke noch nicht konkret daran, allerdings möchte ich auch nicht bis 70 arbeiten. In den nächsten zwei bis vier Jahren werde ich in den Aufsichtsrat wechseln. Das würde sich auch anbieten, da unser Aufsichtsratsvorsitzender Prof. Hennerkes jetzt 71 ist.

Unser Unternehmen zeichnet sich durch viele gute Führungskräfte aus. Wir haben in den vergangenen Jahren Führungspositionen sehr wenig von außen besetzt, sondern auf eigene Mitarbeiter zurückgegriffen. Wir sind zuversichtlich, das weiter so machen zu können.

BTH Heimtex: Was wünschen Sie sich für die nächsten 100 Jahre?

Dr. Utz: Ich wünsche mir noch mehr Zusammenhalt in der Branche. Ich bin immer noch geprägt davon, dass wir gemeinsam vorangehen müssen. Der Endverbraucher gibt sein Geld nur einmal aus: Er kauft ein Auto, einen Computer, eine Reise - oder er kümmert sich um sein Wohnumfeld. Deshalb steht unsere Branche im Wettbewerb zu anderen Branchen. Wir müssen deshalb mehr an einem Strang ziehen.

Uzin Utz Daten und Fakten


Uzin Utz AG
Dieselstraße 3
89079 Ulm
Tel.: 0731/40 97-0
Fax: 0731/40 97-110
info@uzin-utz.com
www.uzin-utz.de

Gründungsjahr: 1911
Mitarbeiterzahl Konzern: 860
Mitarbeiterzahl Außendienst: 125
Vorsitzender des Vorstands: Dr. H. Werner Utz
Vorstand: Thomas Müllerschön
Geschäftsführer Pallmann: Stefan Neuberger
Forschung + Entwicklung: Dr. Johannis Tsalos
Unternehmenskommunikation: Katja Kretzschmar
Produkt Service: Dr. Norbert Arnold
Leiter Geschäftseinheit Uzin: Beat Ludin
Technischer Leiter: Ernst Wohlleb
aus BTH Heimtex 05/11 (Wirtschaft)