Decorex: Londoner Einrichtungsmesse wird internationaler

Handgefertigte Eleganz

Die Londoner Decorex versteht sich als Kommunikationsplattform für die britische Design- und Einrichtungsszene. Mit einem klaren Konzept rückt sie das hochwertige Einrichten in seiner Gesamtheit in den Fokus der Besucher, statt einzelne Produktgruppen in ihrer ganzen Breite darzustellen. In diesem Jahr ging der Trend zu zurückhaltender Eleganz und handgefertigten Einzelstücken, wie BTH Heimtex beim Rundgang über das Messegelände feststellen konnte.

Als letzte bedeutende Einrichtungsmesse im europäischen Herbst fand Ende September die Decorex International in London auf dem Gelände des Chelsea Royal Hospitals statt. Nach der Übernahme der Messe durch die United Business Media (UBM), einer der größten und erfahrensten Messeveranstalter weltweit, ist sie als Designmesse weiterentwickelt worden und muss zu den interessantesten ihrer Art gezählt werden.

Schon der Eingang zur Messe glich einem Tor in eine andere Welt. Links und rechts des verdunkelten und verengten Ganges hatte die britische Einrichtungsikone Nicky Haslam seine Versionen von "cherished places", den geliebten Orten installiert: zwei Schlafzimmer wie Traumlandschaften mit aufgerichteten, silbernen und goldenen Muscheln, die an Michelangelos Geburt der Venus erinnerten. Sie schienen die Träume der Schlafenden nach oben zu leiten, bewacht von klassizistisch anmutenden Statuen als Allegorien des Herbstes. Die Materialien wirkten opulent und edel oder waren einfach Papiere und Steine.

Klasse statt Masse

Anders als die großen deutschen Einrichtungsmessen ist die Decorex nicht produktorientiert aufgebaut, sondern bietet einen Gesamtüberblick über hochwertiges Einrichten mit den verschiedensten Produktkategorien. Statt die ganze Breite und Tiefe einer bestimmten Produktgruppe abzubilden, steht das Einrichten im hochwertigen Genre im Mittelpunkt. Das Nebeneinander von Heimtextilien, Lampen, Bettwäsche, Teppichen, Bildern, Home Entertainment, Tapeten, ausgesuchten Polstermöbeln etc. wirkt wie ein Gang durch ein edles Einrichtungshaus à la Harrods. Als Besucher empfindet man dies eher als eine Entdeckungsreise und nicht wie das Abarbeiten des Einkaufszettels. Dabei ist die Messe übersichtlich und kann an einem oder zwei Tagen gut bearbeitet werden.

Handgearbeitete Produkte und individuelle Maßarbeit

Wie auf keiner anderen Einrichtungsmesse legen viele der Aussteller großen Wert auf Handarbeit und kundenspezifische Designs. Das liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass in London viele international arbeitende Designbüros ansässig sind, die Hotelprojekte, hochwertige Appartements, öffentliche Gebäude oder exklusive Yachten ausstatten und es dabei mit einer zahlungskräftigen aber auch auf Individualität bedachten Kundschaft zu tun haben.

"Für mich ist London der wichtigste Standort", sagte uns Susann Eschenfelder, die in Hamburg ein Studio mit hochwertigen Handstickereien für Wandbespannungen, Decken, Polstermöbel, Kissen und Fensterdekorationen betreibt und die einzige deutsche Ausstellerin auf der Decorex war. "Hier treffe ich die Kunden, die für mich wichtig sind. Das ist bei den großen Messen wie etwa der Pariser Maison & Objet nicht mehr der Fall."

Teppichanbieter wie Veldon Fleece, Loomah oder Riviere Rugs präsentierten ihr Produktkonzept als Dienstleistung. Die ausgestellten Teppiche waren nur Referenz, tatsächlich gefertigt wird nach den Vorgaben der Käufer.

Zurückhaltende Eleganz ersetzt Recycling Look

Neben der Handarbeit waren auch natürliche Materialien gefragt, allerdings in eleganter Ausführung und mit eher zurückhaltenden Designs. Der Used Look und das Thema Recycling sind im hochwertigen Bereich fast ganz verschwunden, waren in diesem Segment aber ohnehin schwächer als im jungen Designmarkt. In London zeigte nur noch Golran seine Carpets Reloaded. Ansonsten waren die Teppiche überwiegend uni gehalten und warteten mit Ton-in-Ton-Designs sowie feinen floralen oder figürlichen Komponenten. Silbriges Grau und warmes Beige waren stark vertreten.

Die Londoner Designerin Chichi Cavalcanti nennt diese Teppiche "Begleiter", weil sie nicht mehr so stark in den Vordergrund drängen wie viele der ungewöhnlich überfärbten, ausgewaschenen oder zusammengestückelten Teppiche des Recycling Looks. Stattdessen schlagen jetzt Rückbezüge auf Designs des 19. Jahrhunderts eine Brücke zwischen Tradition und zeitgenössischer Interpretation bei Julian Chichester oder Nicole Fabre Designs.

Typisch britisches Design

Der früher unter dem Namen Mediterraneo bekannte Leuchten- und Glashersteller Baroncelli wurde auf der Decorex für das beste zeitgenössische Design bei seiner Wandleuchte Rex geehrt. Die Auszeichnung zeigt, wie positiv ausländische Aussteller auf der Messe aufgenommen werden - und dass Beleuchtung als integraler Bestandteil der Raumeinrichtung angesehen wird. Die Wandleuchte Rex besteht aus zwei mit satiniertem Gold galvanisierten Bögen, an denen mehrere handgearbeitete Glaskristallstäbe mit Leuchtelementen befestigt sind. Die Bögen werden bei anderen Einrichtungsgegenständen wieder aufgenommen, etwa bei Kerzenhaltern.

Aber auch typisch britisches Design wurde gezeigt, am deutlichsten bei Susie Watson, die eine zeitgemäße Kollektion unterschiedlichster Wohnaccessoires und Heimtextilien vorstellte. Auch hier sind die Farben erdig und zurückgenommen, die Muster unaufdringlich mit verstreuten floralen und figürlichen Elementen. Für Watson ist es wichtig, dass alle Produkte in Indien und Sri Lanka handgefertigt sind. Hier zeige sich ein neuer Umgang mit indischer Handwerkskunst. Sie wird als Basis hochwertiger Einrichtungsprodukte betont und nicht wie bei vielen anderen Anbietern verschwiegen oder in die untere Preis- und Qualitätsschiene gesteckt.

Schottisches Textildesign fand sich bei Johnstons of Elgin und John Boyd Textiles zeigte sehr gediegene Möbelstoffe und Wandbehänge aus Pferdehaaren. Bei Alternative Flooring waren typische britische Treppenläufer zu sehen.

Wachstum dank klarem Konzept

In den letzten Jahren ist die Decorex stetig größer geworden und dabei internationaler geworden. Allein zwischen 2009 und 2011 erhöhte sich die Zahl der Aussteller von 260 auf 319, der Anteil internationaler Anbieter von 5 auf 15%. Es gibt eine Warteliste für das ausgebuchte Gelände, so dass es der Messeleitung vergleichsweise leicht fällt, einen bestimmten Qualitätsanspruch an die Interessenten zu richten.

Auch auf Besucherseite ist die Messe gewachsen, von 8.900 auf geschätzte 11.000. Der Anteil ausländischer Besucher dürfte schon jenseits der 15%-Marke liegen.

Diese Entwicklung wird auch durch das klare Konzept der Decorex begünstigt. "Wir sprechen Designer, Spezifikateure und Einkäufer für den gehobenen Markt an. Wir wollen Treffpunkt der britischen Design Community im anspruchsvollen Einrichtungsmarkt sein", sagte Tony Crinion, Brand Director der Decorex. "Das ist uns wichtiger als eine umfassende Einkaufsplattform für den Einzelhandel oder das Objektgeschäft abzugeben. Wenn sich Einrichter, Architekten und Designer auf der Decorex angesprochen und wohl fühlen, dann kommt alles andere von selbst."
aus BTH Heimtex 11/11 (Wirtschaft)