12. ICOC, Stockholm

Eine vertane Chance


Zu den wichtigsten Veranstaltungen für Orientteppich-Liebhaber gehört die Internationale Konferenz für Orientteppiche ICOC (International Conference on Oriental Carpets). Ihr Ziel ist es, das Verständnis für Orientteppiche zu fördern. Sie findet alle vier Jahre an wechselnden Orten statt. Im Juni 2011 war Stockholm Austragungsort der 12. ICOC. Teppichexperten und -liebhaber aus der ganzen Welt kamen, um den rund 40 Fachvorträgen zu folgen und die begleitende Händlermesse zu besuchen.

Im Rahmenprogramm der Konferenz bot sich der Besuch von Teppich-Ausstellungen und Museen in Stockholm an. Für die Tage vor der ICOC selber wurde eine auf die Interessen der Teppichexperten zugeschnittene Reise nach Kopenhagen angeboten. Zum Abschluss zog es noch über 100 Teilnehmer weiter nach St. Petersburg, wo unter anderem die neue Ausstellung der Pazyryk-Entdeckungen besichtigt werden konnte.

Die Fachkonferenz fand mit der begleitenden Händlermesse in den leider weniger charmanten, außerhalb der Stadt gelegenen Messehallen statt. Wer aber seinen Weg dorthin gefunden hatte und die von vielen Teilnehmern als sehr umständlich empfundene Registrierung gemeistert hatte, wurde mit einem besonders breit gefächerten Vortragsprogramm belohnt.

Einen thematischen Schwerpunkt bildeten skandinavische Textilien, was nicht zuletzt dem Gastgeberland geschuldet war. Neben verschiedenen Vorträgen zu den bekannten Provenienzen Zentralasiens, Persiens, der Türkei und Indiens, gab es zum Beispiel auch Einblicke in die Flachgewebe Rumäniens. Das fachliche Niveau war durchgehend sehr hoch. Allerdings lief das Programm in zwei Blöcken parallel ab, was nicht wenigen die Entscheidung schwer machte, welchem Thema der Vorzug zu geben wäre. Leider blieb die technische Ausführung weit hinter dem sonst so hohen Anspruch zurück, mehrfach streikten die Computer und sorgten bei Vortragenden und Publikum für Verärgerung.

Überaus bemerkenswert war die außergewöhnlich gut bestückte Händler-Messe, die die ICOC begleitete. Beinahe 50 auf antike Teppiche und Textilien spezialisierte internationale Händler boten Ware an, die auch höchsten Sammleransprüchen gerecht wurde. Ferdi Besim aus Wien bringt es auf den Punkt: "Ich habe in meinem 56-jährigen Teppichleben noch nie ein so exzellentes Angebot von antiken Teppichen gesehen." Wer also mit Geld und etwas Zeit nach Stockholm kam, konnte seine Sammlung oder sein Sortiment um echte Raritäten erweitern; besonders die Freunde turkmenischer Knüpfungen kamen auf ihre Kosten. Aber auch sonst gab es unzählige Highlights, wie zum Beispiel die traumhaft schönen Suzanis von Motamedi.

War die ICOC also ein voller Erfolg? Leider nein. Nach eigener Aussage ist es das Ziel der Konferenz, das Verständnis für den Teppich zu fördern. Das sollte bedeuten, dass der Teppich einem möglichst breiten Publikum näher gebracht wird. Vor diesem Hintergrund wäre es notwendig gewesen, die ICOC in Stockholm im Vorfeld besser publik zu machen. Die sehr geringen Besucherzahlen zeigten dass nur der harte Kern der Teppichliebhaber vor Ort war. Die Aussteller schätzen, dass weniger als halb so viele Besucher im Vergleich zur letzten Veranstaltung in Istanbul kamen.

Wenig hilfreich war zudem der Umgang der Organisatoren mit der Presse, die einen nicht unerheblichen Eintrittspreis zahlen musste. Das betraf nicht nur die Redaktion von Carpet XL, die darüber hinaus monatelang überhaupt keine Rückmeldung aus Stockholm auf redaktionelle Anfragen erhielt, sondern auch die Publikumspresse vor Ort. Wenn von Tageszeitungs-Redakteuren dreistellige Euro-Beträge Eintritt verlangt werden, muss man sich nicht wundern, wenn sie auf einen Bericht verzichten und die Konferenz in der Stockholmer Presse nicht angemessen berücksichtigt wird.

Das Fazit der Aussteller war niederschmetternd. Noch nie erhielt die Redaktion von Carpet XL im Nachgang einer Veranstaltung so viel negative Rückmeldung. Die Kritik reicht von der angesprochenen fehlenden Öffentlichkeitsarbeit bis zu hohen versteckten Kosten bei der Standmiete. Bis auf ganz wenige Ausnahmen werteten die Händler die ICOC als Enttäuschung und fühlten sich schlecht behandelt. Die Organisatoren hinterlassen einen Scherbenhaufen, der es der nächsten Veranstaltung in vier Jahren nicht leicht machen wird, an vergangene ICOC-Erfolge vor Stockholm anzuknüpfen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Licht und Schatten nie enger beieinander lagen. Das Vortragsprogramm deckte ein weites Themenspektrum für alle Teppichinteressierten ab und auf der begleitenden Messe wurde mit das Beste angeboten, was der Handel zu bieten hat. Die ICOC hätte die Reise nach Stockholm für jeden Teppichliebhaber lohnenswert gemacht. Eine vertane Chance, den Teppich wieder ein Stückchen ins Rampenlicht zu rücken.
aus Carpet Magazin 04/11 (Wirtschaft)