Interview des Monats: Advansa, Hamm

"Chemiefasern sind die Lösung

Vor rund einem halben Jahr sorgte der Faser-Spezialist Advansa für eine Überraschung: Die Muttergesellschaft Sabanci verkaufte das Unternehmen an das Management und einen externen Investor. In der Haustex-Branche sind Advansa-Produkte für die Füllung von Bettwaren von hoher Bedeutung, und es gibt wohl kein anderes Faserunternehmen mit solch aktiver Markenorientierung und Innovationskraft. Dr. Heinz Meierkord, Geschäftsführender Gesellschafter, und Dr. Jürgen Musch, Leiter der Entwicklungsabteilung, erläutern im Haustex-Interview unter anderem die Gründe für den Erwerb, wie sie sich die Zukunft des Unternehmens vorstellen und welche Rolle nachhaltige Produkte für Advansa spielen.

Haustex: Es war für Außenstehende nicht unbedingt damit zu rechnen, dass die türkische Sabanci-Holding sich von ihrer deutschen Tochterfirma Advansa trennen würde. Was war der Grund für diese überraschende Entwicklung?

Dr. Heinz Meierkord: Es sind im Wesentlichen drei Gründe, die den Sabanci-Konzern dazu bewogen haben, den Verkauf von Advansa zu vollziehen. Vorab muss man wissen, dass Sabanci im Wesentlichen auf drei unternehmerischen Säulen fußt. Als Kerngeschäft, das auch hohe Investitionsmittel erfordert, sieht Sabanci einerseits den Energiemarkt in der Türkei, der gerade dabei ist privatisiert zu werden. Das andere wesentliche Standbein ist der Einzelhandelsbereich. Darüber hinaus gehört die größte türkische Privatbank zu Sabanci, die seit Jahrzehnten den größten Teil der Wertschöpfung innerhalb des Konzerns beisteuert, so dass es zwischen Industrie und Bankensektor bei Sabanci ein gewisses Ungleichgewicht gibt. Mit der Konzentration auf Energie und Handel möchte der Konzern eine stärkere Balance erreichen. Dabei gerät ein kapitalintensives und mit vergleichsweise geringen Margen arbeitendes Unternehmen wie Advansa leicht aus dem Fokus der Konzernspitze. Im Grunde handelt es sich bei dem Verkauf von Advansa nur um eine Weiterentwicklung dessen, was die großen Chemiekonzerne früher schon exerziert haben und warum DuPont sich im Jahr 2000 von seinem Fasergeschäft verabschiedet hat. Hinzu kommt, dass wir uns im Advansa-Geschäft seit Jahrzehnten immer weiter spezialisiert haben, um dem Wettbewerbsdruck durch Überkapazitäten aus Asien auszuweichen, die auf Dumpingpreisen und somit nicht ökonomisch gefundenen Preisen basieren. Uns ist es demgegenüber hervorragend gelungen, ein langfristig stabiles Geschäft über Spezialitäten zu erreichen. Dadurch ist unser Geschäftsmodell allerdings für Außenstehende recht kompliziert geworden und für eine große Holding daher relativ schwierig zu managen.

Haustex: Wo konkret lag denn das Problem?

Meierkord: Es ist nicht einfach, komplizierte Geschäftsmodelle nachzuvollziehen und auch die Vorhersagen zu verstehen, die wir über den voraussichtlichen Geschäftsverlauf eines Geschäftsjahres abliefern. Das liegt unter anderem daran, dass wir ein saisonales Geschäft betreiben, mit Umsatzschwankungen, die sich übers Jahr verteilen. Außerdem setzen wir geringere Mengen zu höheren Preisen ab, statt große Mengen zu Standardmarktpreisen. Aber der Hauptgrund für die Trennung war die Konzentration von Sabanci auf Energie und Einzelhandel.

Haustex: Wurde sofort an ein Management-buy-out gedacht?

Meierkord: Advansas Geschäftsmodell mit sehr vielen Faser-Spezialitäten hängt auch vom Know-how einiger Mitarbeiter in diesem Unternehmen ab. Daraus schälte sich für Sabanci die Erkenntnis, wenn man das Unternehmen nur mit den entscheidenden Leuten verkaufen könne, es dann doch gleich an diese Personen zu verkaufen.

Haustex: Auf Deutsch also: Ohne Meierkord ist Advansa nur die Hälfte wert? Wieso hängt der Erfolg des Unternehmens so stark von Ihnen ab?

Meierkord: Es sind eine ganze Reihe von Mitarbeitern, einige davon heute Mitinhaber, von denen die Zukunft des Unternehmens abhängt, unter anderem auch von mir. Grundsätzlich ist Polyester-Technologie kein Hexenwerk, und wer eine Polyester-Produktion eröffnen möchte, kann die entsprechenden am Markt befindlichen Fachleute engagieren, die ihm innerhalb von wenigen Monaten solch ein Werk auf der grünen Wiese aus dem Boden stampfen. Aber die Fasern, die dort entstehen, gibt es heute schon zu Genüge am Markt zu kaufen. Um sich also von der breiten Masse abheben zu können, bedarf es Spezialwissens, das man nicht so einfach einkaufen kann. In unserem Unternehmen haben wir über viele Jahre dieses Spezialwissen erarbeitet, das auch auf der DuPont- Erfahrung basiert. Natürlich sind auch die Maschinen bei uns nicht die gleichen wie in Asien. Wir haben sie entsprechend für unsere Zwecke modifiziert, aber eben auch nur durch das Wissen unserer Ingenieure. Sie werden die Maschinen, die wir in der Produktion stehen haben, so kein zweites Mal auf der Welt finden und Sie können sie auch nicht einfach von der Stange kaufen. Um es auf den Punkt zu bringen: Es geht nicht ohne die Erfahrung der einzelnen Mitarbeiter des Unternehmens, alles muss zusammen wirken. Dass wir dort angekommen sind, wo wir heute stehen, ist im Prinzip die typische Eigenschaft des deutschen Mittelstandes. Die Mitarbeiter sind vernünftig ausgebildet, haben genug Erfahrung sammeln können, bleiben lange in einem Unternehmen und arbeiten gut zusammen.

Dr. Jürgen Musch: Dazu kommt noch die langjährige Marktkenntnis, die wir haben.

Haustex: Wer gehört zu den neuen Gesellschaftern von Advansa?

Meierkord: Das sind Bernhard Reiling, der Besitzer eines wesentlichen Rohstofflieferanten von Advansa sowie vom Unternehmen vier Mitglieder der Geschäftsführung: Dave McMillan, schwerpunktmäßig zuständig für den Vertrieb und die Entwicklung der Kurzschnittfasern; David Bayliss, verantwortlich für unsere weltweiten Marken-Geschäfte sowie John van den Buijs, Firmenanwalt und verantwortlich für die Verwaltung des geistigen Eigentums, also der Markenrechte und Patente. Und schließlich meine Person. Ich vertrete das Unternehmen unter anderem nach außen. Es gibt sicherlich noch mehr wichtige Mitarbeiter, aber wenn wir die alle als Gesellschafter aufgenommen hätten, könnten wir das Unternehmen nicht mehr vernünftig leiten.

Haustex: Wie geht es mit dem Unternehmen jetzt weiter?

Meierkord: So wie es unter Sabanci bereits angelegt worden ist, denn der Konzern war, das muss ich ganz klar sagen, auf gar keinen Fall ein schlechter Eigentümer. Wir verfügen hier über eine moderne Produktion, in die in den letzten Jahren noch erhebliche Mittel investiert worden sind. Unser Markennamen-Geschäft wurde in den letzten drei Jahren stark auf andere Felder im Ausland ausgeweitet, in Asien und den USA, und es läuft sehr gut an. Asien bedrängt uns nicht nur mit Commodity-Produkten, vielmehr steigt umgekehrt von dort die Nachfrage nach höherwertigen Produkten und Spezialitäten. Es ist ja hinlänglich bekannt, wie stark europäische Marken in Asien nachgefragt werden, und auf dem Terrain spielen wir auch gerne mit. Was weniger die Haustex-Branche angeht, aber für die Gesamtperformance von Advansa sehr wichtig ist, sind unsere Kurzschnittfasern, die in letzter Zeit ein deutliches Wachstum verzeichnen. In diesem Markt haben wir eine weltweit führende Position inne. Wir verfügen somit über ein diversifiziertes Produktportfolio, das uns eine gut ausbalancierte Nachfrage ermöglicht.

Haustex: In welchen Produktbereichen arbeitet Advansa?

Meierkord: Wir haben ein Markengeschäft im Bereich Kissen, Steppbetten und Matratzen, basierend auf Füllfasern. Ein weiterer Bereich sind Produkte für funktionale Bekleidung mit Markennamen wie ThermoCool oder Coolmax. Das dritte Standbein - rein technologisch getrieben ohne Konsumentenmarken - sind die besagten Kurzschnitt-Fasern, zum Beispiel für den Einsatz in Tapeten oder Nonwovens. Von der Umsatzgewichtung teilt es sich in etwa je zur Hälfte auf das Markengeschäft und die Kurzschnitt-Fasern auf.

Haustex: Wie wird sich Advansa in Zukunft nach außen darstellen?

Meierkord: Seit dem 1. Dezember haben wir einen komplett neuen Corporate-Identity-Auftritt, den wir in den letzten Wochen und Monaten erarbeitet haben. Natürlich haben wir uns intensiv darüber Gedanken gemacht, was wir wollen, was unsere Grundwerte sind, wie die Außenwelt uns wahrnehmen soll. Das betrifft das Firmenlogo, den Internet-Auftritt, Briefköpfe, Visitenkarten, einfach alles, denn natürlich wollten wir uns verabschieden von dem früheren Auftritt mit schwarzen Buchstaben und dem am Ende hervorgehobenen Sabanci-SA. Das neue Logo soll den speziellen Charakter unserer Geschäfte und unserer Mitarbeiter nach außen tragen. Auf der Heimtextil im Januar wird der neue Auftritt erstmals umfassend zu sehen sein.

Haustex: Bei den Markennamen, speziell auch bei den Füllfasern, ändert sich aber nichts?

Meierkord: Nein, dabei handelt es sich um einen stabilen und wichtigen Wert für das Unternehmen. Die Marken haben heute einen so hohen Wiedererkennungswert, dass sie nachgewiesenermaßen schon mehrere Besitzerwechsel schadlos überstanden haben.

Haustex: Handelt es sich bei dem neuen Corporate Identity also um eine rein optische Geschichte?

Meierkord: Nicht nur. Es geht auch darum, die Mitarbeiter mitzunehmen, denn erstmals gehören wir nicht zu einem großen Firmenkonglomerat. Deshalb wollen wir unseren Leuten auch mitteilen, welche Grundwerte das nun selbständige Unternehmen Advansa verkörpert. Und diese, im Wesentlichen drei Grundwerte werden durch die Dreifarbigkeit im Firmenlogo versinnbildlicht. Der erste Grundwert ist der Einklang von Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz, wie das hier schon immer so war, und das ist auch der Mörtel, der das Unternehmen zusammenhält. Wenn es so etwas wie die DNA eines Unternehmens gäbe, dann wäre es bei uns die ausgeprägte Sicherheitsphilosophie, die Advansa von anderen Firmen unterscheidet. Und jeder Mitarbeiter identifiziert sich damit. Wer sich nicht damit identifizieren kann, gehört nicht zu uns. Der zweite Grundwert ist Exzellenz beziehungsweise Kompetenz, und hat mit unserem Know-how zu tun. Und der Dritte ist Initiative. Für ein Unternehmen mit der Komplexität und der Größe wie der unseren sind Eigeninitiative, Querdenken und die Freiheit, Dinge im Interesse des Unternehmens zu tun, für jeden Einzelnen ganz entscheidende Merkmale, die wir in die Tat umsetzen müssen.

Haustex: Ist es für die Mitarbeiter nicht auch ein ganz anderes, neues Gefühl, jetzt mit dem Meierkord als Inhaber zu sprechen als früher, in Anführungszeichen, nur mit dem Geschäftsführer? Jetzt müsste doch alles etwas überschaubarer sein, da man etwas näher zusammengerückt ist.

Meierkord: Ja, Entscheidungen, die früher mehrere Aufsichtsratssitzungen und zwei bis drei Monate brauchten, selbst wenn sie für das Geschäft wichtig waren, dauern heute fünf Minuten.

Haustex: Setzt so etwas neue Kräfte frei?

Meierkord: Ein steigender Grad an Freiheit geht immer einher mit einem steigenden Grad an Verantwortung. Das muss auch jeder Mitarbeiter verstehen. Aber es ist tatsächlich so, dass das Management jetzt mehr Zeit hat, sich auf das wirkliche Geschäft zu konzentrieren. Das in einem Konzern notwendige und aufwendige Reporting entfällt. Das ist der Vorteil des Mittelstandes und ein Grund dafür, dass Deutschland aus der letzten Krise schneller herausgekommen ist als andere Länder.

Haustex: Nun waren die letzten Jahre, geprägt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, für ein exportorientiertes Unternehmen wie Advansa sicherlich nicht ganz leicht.

Meierkord: In den letzen Jahren war es bei Advansa nicht anders als bei vielen anderen Unternehmen. Insgesamt lief es recht positiv, bis im Jahr 2009 die große Blase platzte. Da waren wir auch von Kurzarbeit betroffen. Deshalb war auch 2010 anfangs noch sehr schwierig, doch dann ging es aufwärts. Und schließlich folgte, bedingt durch den starken Preisanstieg bei Baumwolle, der Run auf Polyester-Fasern, kombiniert mit einer weitgehend leeren Pipeline in der Wertschöpfungskette für Polyester, da die Unternehmen ihre Kapazitäten wegen der bis dahin geringen Nachfrage heruntergefahren hatten.

Haustex: Angesichts der abnehmenden Rohölreserven auf der Welt muss man sich wahrscheinlich auf weiter steigende Preise bei Chemiefasern einstellen, die ja auf Rohölderivaten basieren.

Musch: Das meinen viele, ist aber nicht so. Die gesamte Textil-Chemiefaserproduktion, inklusive Polyester, verbraucht nur 0,8 Prozent der weltweit geförderten Rohölressourcen. 90 Prozent dieser Ressourcen werden verbrannt, als Treibstoff oder als Heizkraft. Der Wechsel zu alternativen Energien würde somit die Verfügbarkeit der Ressourcen für die Chemieindustrie um den Faktor 100 vergrößern. Eine ganz andere Frage ist allerdings, wie man den Verbrauch fossiler Rohstoffe so steuert, dass er so wenig Einfluss wie möglich auf das Klima und die Umwelt insgesamt hat. Man sollte daher aus anderen Umweltgründen schauen, wie man seitens der Industrie möglichst verantwortlich handeln kann, damit es den nächsten Generationen nicht schlechter geht als uns. Dieser Punkt ist für uns von großer Bedeutung, da er unseren Leitwert "Sicherheit, Umweltschutz und Gesundheitsschutz' elementar betrifft. Advansa hat aus diesem Grund im vergangenen Jahr einen Extruder installiert, der recyceltes Polyester von Getränkeflaschen verarbeiten kann. Damit arbeiten wir wesentlich Ressourcen schonender als mit so genanntem Virgin-Polyester. Wir setzen dieses Material aber nur dort ein, wo wir im Vergleich zur herkömmlichen Technologie mindestens die gleiche Güte produzieren. Bei manchen Fasern erreichen wir sogar eine Verbesserung des Produktes durch die neue Technologie.

Haustex: Diesen Sachverhalt der Öffentlichkeit zu erklären, dürfte allerdings ein sehr dickes Brett sein, das Sie dort bohren müssen.

Musch: Sie haben Recht. In der Öffentlichkeit herrscht allgemein die Meinung vor, dass alles, was natürlich ist, wie Baumwolle oder auf nachwachsenden Rohstoffen basiert, per se besser für die Umwelt sei als auf Rohöl basierende Fasern. Diese Fehleinschätzung in der Öffentlichkeit haben wir versucht, über eine Öko-Bilanz Studie zu widerlegen. Um die Objektivität und die Aussagekraft dieser Studie zu stärken, haben wir dafür ein unabhängiges Institut aus den Niederlanden beauftragt, das TNO-Institut in Utrecht, eine Forschungsorganisation in etwa vergleichbar mit den deutschen Fraunhofer Instituten. Das TNO-Institut untersuchte für uns den ökologischen Fußabdruck verschiedener Fasern, der wesentlich weiter geht als der so genannte CO2-Fußabdruck. Er berücksichtigt nämlich neben der Auswirkung auf die Erderwärmung unter anderem auch Faktoren wie den Verbrauch nicht regenerativer Energie, den Wasserverbrauch oder den Landverbrauch. Wenn man einerseits bedenkt, dass der ökologische Fußabdruck eines Amerikaners dem von 43 Afrikanern entspricht, und andererseits in Rechnung stellt, dass die wirtschaftlich benachteiligten Bevölkerungen auch Anspruch auf einen steigenden Lebensstandard haben, wird klar, dass wir uns alle in den nächsten Jahren werden einschränken müssen, auch im Konsum, denn sonst wird das Ganze irgendwann nicht mehr funktionieren. Hinzu kommt, dass in etwa 40 Jahren zirka neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern werden, zwei Milliarden mehr als heute, die alle Lebensmittel und sauberes Trinkwasser benötigen werden. Und heute hungern schon eine Milliarde Menschen und viele Millionen Menschen haben keinen Zugang zu wirklich trinkbarem Wasser. Vor diesem Hintergrund hat das TNO-Institut in seiner Studie festgestellt, dass Produkte, die auf wieder aufbereitetem Polyester basieren, deutlich bessere Werte aufweisen als beispielsweise Baumwolle oder andere Fasern, die auf nachwachsenden Rohstoffen basieren.

Haustex: Ein Ergebnis, das tatsächlich nicht mit der überwiegenden Meinung der Allgemeinheit übereinstimmt.

Musch: Leider ja, deswegen muss man es der Öffentlichkeit auch unbedingt klar machen. Nehmen Sie beispielsweise den Wasserverbrauch. Um eine Tonne Baumwolle zu erzeugen, benötigt man laut Studie durchschnittlich mehr als 5.700 Kubikmeter Wasser. Bei Viskosefasern aus österreichischer Produktion sind es 445 Kubikmeter, recycelte Polyesterfaser, die wir produzieren, benötigt nur 46 Kubikmeter pro Tonne. Beim Bedarf an Anbaufläche liegt Baumwolle ebenfalls ganz weit vorne, für eine Tonne werden 8.200 qm benötigt. Österreichische Viskose liegt mit 6.900 qm nicht weit dahinter. Unsere Faser aus recyceltem Polyester benötigt lediglich 27 qm pro Tonne.

Haustex: Warum sprechen Sie von österreichischer Viskose?

Musch: Für Viskose gibt es zum Beispiel Produktionskapazitäten in Österreich und in Asien, wobei die österreichische Produktion wesentlich umweltfreundlicher ist. Zum Tragen kommt das zum Beispiel bei dem bekannten CO2-Fußabdruck: Für die Produktion von Baumwolle werden je Tonne Baumwolle über drei Tonnen CO2 freigesetzt. Bei unseren Fasern der neuen Technologie sind es etwas mehr als eine Tonne CO2. Hier liegt Viskose aus Österreich mit 685 Kilogramm CO2 noch ein Stück besser. Wird die Viskose allerdings in Werken in Asien unter anderen Produktionsbedingungen hergestellt, beträgt die CO2-Freisetzung 4,9 Tonnen. Viskose ist also nicht immer besser als Polyester.

Meierkord: Man muss auch den Wohlstand auf der Welt mehren, weil es sonst zu fundamentalen Konflikten kommen wird. Und wenn die Ressourcen durch ein nicht den Erfordernissen entsprechendes Verhalten der Konsumenten überbeansprucht werden, dann stehen wir vor einer Herausforderung von Konflikten, die wir noch gar nicht absehen können. Natürlich haben wir auch ein wirtschaftliches Interesse, das nicht verschwiegen werden soll, aber letztlich kommt man angesichts der Studie zu der Auffassung, dass Baumwolle das Problem ist und Polyester die Lösung dafür, und nicht umgekehrt. Wir möchten andere Produzenten nicht schlecht machen, aber ich denke, einige Vorurteile müssen unbedingt gerade gerückt werden. Zuerst geht es bei einer Faser um Komfort und Qualität. Aber wenn man sich dann entscheiden kann, zwischen unterschiedlichen Materialien mit dem gleichen Werten bei Komfort und Qualität, dann ist es unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sinnvoll, das Material zu verwenden, das den geringsten negativen Einfluss auf das ökologische Gesamtsystem hat. Somit haben wir weniger eine Konkurrenz zwischen Polyester und Viskose als zwischen diesen Fasertypen gegenüber der Baumwolle. Und es gibt Alternativen en masse. Wenn Sie einmal ein Coolmax-T-Shirt getragen haben, dann werden Sie nie wieder eines aus Baumwolle nutzen wollen. Bis diese Fakten im Bewusstsein der Menschen angekommen sind, haben wir allerdings noch einen weiten Weg zu gehen. Wenn Sie so wollen, hat die Chemiefaserindustrie im Allgemeinen und Advansa im Speziellen noch heute unter dem schlechten Image der unsäglichen Nyltest-Hemden der 1960er Jahre zu leiden.

Haustex: In welchen Produkten steckt recyceltes Polyester und in welchen nicht? Und wie erkennt der Konsument den Unterschied?

Meierkord: Entscheidend ist für uns, ob das neue Produkt mindestens die gleichen Werte in Komfort und Funktionalität aufweist, wie das bislang auf dem Markt befindliche. Nur wenn das zutrifft, wechseln wir zur neuen Technologie. Bei den anderen tüfteln wir weiter, bis es auch dort möglich ist. Die Artikel bei Kopfkissen und Steppbetten, die schon mit der neuen Technologie hergestellt werden, sind besonders gelabelt und weisen entweder unser Eco-Label auf und/oder das europäische Umweltzeichen, die EU-Margarite. Bei den Steppbetten sind es zurzeit die Füllungen Hollofil, Quallofil und Suprelle, bei den Kopfkissen Comforel Eco sowie Suprelle Micro und Suprelle Fresh. Wer Artikel mit diesen Produkten kauft, tut der Umwelt also etwas Gutes. Auf der anderen Seite steht unter anderem unsere kochfeste Faser Dacron 95; sie kann die Anforderungen an Komfort und Funktionalität mit der neuen Technik noch nicht erfüllen, mit der Betonung auf noch.

Musch: Wovon wir uns ganz klar distanzieren, ist das mittlerweile in Mode gekommene so genannte Greenwashing, bei dem Unternehmen sich aus Imagegründen lediglich einen nachhaltigen Anstrich geben, der bei näherer Betrachtung aber nicht zutrifft. Unsere Studie befasst sich darum nicht nur mit einem einzelnen positiven Aspekt unserer Produktionstechnik, sondern beleuchtet die Auswirkungen ganzheitlich und vor allem nachprüfbar.

Haustex: Advansa verfügt im Füllfaser-Bereich über eine Vielzahl von Marken. Wie sind die strukturiert?

Meierkord: Jede einzelne Marke hat ihre eindeutig definierte Positionierung und ist natürlich auch unterschiedlichen Preislevels zugeordnet, so dass wir unseren Markenauftritt erhalten und nicht zerfleddern. Marken sind wie Menschen, sie müssen eine individuelle Charakteristik haben, die sie kennzeichnen.

Haustex: Im Grunde gibt Advansa somit seinen Kunden mit den verschiedenen Marken und Labels die Mittel an die Hand, damit diese wiederum ihre Produkte gegenüber den Endverbrauchern erfolgreich positionieren können.

Meierkord: Es ist Teil unseres Markenwertes, dass wir unser eigenes Netzwerk mit anbieten, also beim Verkauf unserer Fasern auch ein Marketingpaket mitliefern. Das unterscheidet das bloße Verkaufen vom Vermarkten.

Haustex: Welche Marktstellung nimmt Advansa im Bereich Füllfasern für Bettwaren ein?

Meierkord: In Europa sind wir als Marken-Faserhersteller für hochwertige Bettwaren Marktführer mit deutlichen Alleinstellungsmerkmalen. Allerdings gibt es auf dem Markt natürlich viele Standardfasern, bei denen wir eine eher untergeordnete Rolle spielen. In den USA und in Asien sind wir relativ neu auf dem Markt - mit positiven Entwicklungen.

Haustex: Welche Produkte führt Advansa noch aus der Zeit von DuPont?

Musch: Vom Markennamen her sind es alle Artikel, die mit dem Zusatz "by Dacron' versehen sind. Rein technologisch gesehen gibt es bei uns aber keine Artikel mehr aus der DuPont-Entwicklung. Zehn Jahre sind eine lange Zeit, in der wir alle Produkte so weiter entwickelt haben, dass sie mit früher nicht mehr zu vergleichen sind. Da es Weiterentwicklungen sind, führen wir sie aber noch unter den gewohnten Markennamen.

Haustex: Hat sich für Sie, Herr Meierkord, persönlich etwas geändert, seit Sie nicht mehr nur Geschäftsführer, sondern auch Mitgesellschafter sind?

Meierkord: Ich mache mir schon etwas mehr Gedanken über die gewachsene Verantwortung, die ich nun habe, vor allem nach Feierabend. In der Motivation hat sich für mich aber nichts geändert, denn sonst hätte ich ja vorher meinen Job nicht gut genug gemacht.


Advansa Firmentelegramm


Firmenzentrale:
Advansa BV
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Internet: www.Advansa.com

Deutschland:
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CEO: Dr. Heinz Meierkord

Produkte:
Füllfasern für Bettdecken und Kissen, Funktionsfasern für Bekleidung, Kurzschnittfasern für die Industrie.

Faserfüllungen:
Aufbauend auf die 50-jährige Erfahrung von DuPont de Nemours im Bereich Faserfüllungen und die Nutzung von DuPont/Invista-Marken und -Technologien, hat sich Advansa in diesem Segment als Marktführer etabliert, indem innovative Produkte entwickelt und mit einem einzigartigen Marketingansatz kombiniert werden. Advansa stellt speziell entwickelte Füllfasern für zahlreiche Endanwendungen her: Kopfkissen, Steppbetten, Matratzen, Möbel, Bekleidung, Schlafsäcke.

Marken im Heimtextil-Markt:
Aerelle, Allerban, Climarelle, Comforel, Dacron 95, Hollofil, Quallofil, Suprelle

Marken im Matratzen-Markt:
Climarelle, Dacron, Quallofil
aus Haustex 12/11 (Wirtschaft)