EUCA Jahreshauptversammlung, Hamburg

"Kulturrevolution im Teppichhandel"


Selten wurde auf einer Jahreshauptversammlung der EUCA, der European Carpet Importers Association, so lebhaft diskutiert wie im November 2011. Das lag aber nicht an kontroversen Ansichten der Mitglieder, sondern am Status, den der handgefertigte Teppich mittlerweile im Handel und auch bei den Endverbrauchern innehat. Schon seit Jahren sind die Importzahlen sehr schwach (siehe Carpet XL 4/2011), ein starkes Comeback dieser Produktgruppe sei laut EUCA aufgrund eines strukturellen Wandels in der Teppichbranche nicht unbedingt zu erwarten.

Der Rückgang der Importe liegt gleich an mehrere Faktoren, die Vorstand Peter Höge, Jambros, gar als "Kulturrevolution im Teppichhandel" beschreibt: So sei es vor allem der Siegeszug des Maschinenwebteppichs, der handgefertigter Ware stark zusetze. Der Geschmack der Verbraucher werde hier mit "guten Dessins, die genau dem Zeitgeist entsprechen, getroffen". Und es würden "tolle Garne zu unschlagbaren Preisen" angeboten. Waren es noch vor ein paar Jahren insbesondere belgische Maschinenweber, die den Markt bestimmten, sind es heute meist Anbieter aus der Türkei, die den Markt überschwemmen. Im Handel, und dort vornehmlich in den großen Möbelhäusern, nimmt diese preiswerte Warengruppe einen Großteil der Verkaufsfläche ein, höherpreisige Ware wird häufig kaum noch angeboten oder "in unattraktive Ecken" gedrängt.

Die Folge: Die Anzahl der verkauften Quadratmeter schnellt in die Höhe, der Umsatz leidet mancherorts deswegen nicht mal deutlich, die Marge hingegen schmilzt. Höhere Margen gäbe es bei handgefertigter Ware, doch "die ist erklärungsbedürftig", so Höge, "und gut ausgebildetes Personal, das den Kunden vom preiswerten Stapel in Richtung handgefertigter Ware hochbedient, gibt es kaum mehr". Spätestens an dieser Stelle beginne für diese Produktgruppe ein ungesunder Kreislauf: Die hochwertige Ware wird mangels erfahrener Verkäufer nicht angeboten und deshalb auf kurz oder lang aus dem Sortiment entfernt.

Für Importeure dieser Warengruppe hat das fatale unternehmerische Folgen: "In zehn Jahren bin ich kein Großhändler mehr, sondern Einzelhändler", war sich einer der Teilnehmer sicher. "Dabei", so führte er fort, "haben wir doch tolle, individuelle Ware, die vom Endkunden geschätzt wird - er muss sie nur zu Gesicht bekommen." Ein Ansatz sei demnach, kleine Fachgeschäfte zu fördern, Verkäufer von Großflächen wieder entsprechend auszubilden, aber auch das Thema handgefertigte Teppiche in die Köpfe der Verbraucher zu bringen.

Ein paar Beispiele positiver PR zum handgefertigten Teppich in Endverbraucherzeitschriften zeigte Dr. Ali Ipektchi, erster Vorsitzender von EUCA: Die Zeitschrift Schöner Wohnen hatte das Thema Orienttepiche gleich zwei Mal im Jahr 2011 auf mehreren Seiten vorgestellt und hervorgehoben, dass diese Ware zu moderner Architektur passe und Räume aufwerte. Dass der Orienttepich "in" sei, wie dort beschreiben, spiegele sich leider nicht in den Verkaufszahlen wieder.

Der Arbeitskreis Marketing der EUCA wurde bei der letzten Jahreshauptversammlung beauftragt, die Wertigkeit des handgefertigten Teppichs in der Öffentlichkeit besser herauszustellen. Das Ergebnis stellte Tobias Graebener, Talis, vor: "Von unseren Plänen, Anzeigen in der Publikumspresse oder auch im TV zu schalten, sind wir schnell aus Kostengründen abgekommen. Effektiv, da relativ preiswert aber auch stark genutzt, ist ein Engagement im Internet." Aus diesem Grund werde zur Domotex ein Endverbraucherportal gestartet, das ganz neutral und in einfacher Sprache das Thema handgefertigte Teppich erklärt. Anhand vieler Bilder werde man den Besuchern zeigen, wie die Ware in moderner Einrichtung wirke.

Auch in diesem Jahr besuchten Vertreter der Deutschen Messe die Jahreshauptversammlung, um sich insbesondere Fragen zur Domotex zu stellen. Zu den Messen in Hannover und Shanghai schienen alle Fragen geklärt. Das Thema Domotex Middle East jedoch sorgte für einige Diskussionen, als Martin Folkerts als Verantwortlicher dieser Messe verkündete, dass sie künftig nicht mehr in Dubai, sondern in Istanbul stattfinden werde (siehe Artikel Seite 26): Viele EUCA-Mitglieder fürchten eine Kannibalisierung der Domotex Hannover, da Istanbul als Standort sehr attraktiv sei und der mittelfristig geplante Messetermin im Frühjahr viele europäische Einkäufer anlocken könne.

Turnusgemäß kam es bei der Jahreshauptversammlung zur Neuwahl des Vorstands. Nicht mehr zur Wahl stand Ulrich Assmann, der ehemalige Geschäftsführer von Wissenbach, der sich in den Ruhestand verabschiedet hatte. An seine Stelle wurde jetzt Ali Razavi vom Hamburger Orientteppich Importeur Rimex gewählt. Die weiteren Vorstandsmitglieder sind unverändert für weitere zwei Jahre: Dr. Ali Ipektchi, Peter Höge, Noroozali Taleblou, Jalil Safavi, Peter Meumann und Tobias Graebener.

Während Mitgliederzahl und finanzielle Ausstattung bei EUCA nahezu stabil blieben, sah das bei Care & Fair, der Initiative der Teppichbranche gegen illegale Kinderarbeit, laut Volker Heinrich leider erneut anders aus: Erstens bringt die sinkende Mitgliederzahl weniger Grundbeiträge ein und zweitens sinken die Einnahmen über die Importabgabe, da die Importe immer weiter abnehmen. Infolgedessen mussten Anschaffungen und Engagements bei bestimmten Projekten zurückgestellt werden und konnten auch keine neuen Projekte übernommen werden. Ein Engagement in Form von zusätzlichen Spenden sei für die Fortführung der Projekte auf dem bekannt hohen Niveau wichtig.
aus Carpet Magazin 01/12 (Wirtschaft)