Deko + Gardine auf der Heimtextil

Qualität setzt sich durch

2012 könnte ein richtig gutes Jahr für die Anbieter im Segment Deko und Gardine werden. Die Konsumlaune der Verbraucher ist ungebrochen, viel Kapital fließt in die Errichtung und Ausstattung von Wohnungen und die Situation bei der Rohstoffversorgung hat sich entspannt. Kein Wunder, dass auf den Ständen der Heimtextil eine gute Stimmung herrschte. Die Branche zeigt sich zumindest für den deutschen Markt optimistisch und registriert außerdem mit Genugtuung, dass Produkte "Made in Germany" wieder mehr Abnehmer finden - im In- wie im Ausland. von Birgit Genz

Bei der Messe Frankfurt freute man sich in diesem Jahr über namhafte Rückkehrer und neue Aussteller auf der Heimtextil. Mit dabei waren unter anderem Sonnhaus, Kobe Deutschland, Engelbert Stieger aus der Schweiz sowie Nya Nordiska, die in Halle 3.1. neben Wandbekleidungen auch einige trendweisende Stoffe zeigten.

Dafür fehlten erstmals seit vielen Jahren Gebr. Munzert. Die oberfränkische Weberei überdenkt derzeit das aktuelle Messekonzept: "Wir haben über die Jahre unsere Kompetenz der marktorientierten Kollektionsentwicklung in Zusammenarbeit mit den Kunden stark ausgebaut. Diese schätzen eine solche Form der Zusammenarbeit sehr, so dass der Verkauf von der Stange zunehmend in den Hintergrund rückt", erklärte Geschäftsführer Bernd Kout. In Frankfurt habe man die eigene Klientel aber zuletzt nicht mehr optimal erreicht. Darüber hinaus stellten wichtige Abnehmer von Munzert selbst auf der Heimtextil aus, während die Partner aus Asien und Übersee vermehrt auf einen Besuch in der Mainmetropole verzichten würden. Kout wünscht sich deshalb eine Messeplattform speziell für hochwertige Hersteller. Außerdem müsse das Qualitätsmerkmal "Made in Germany" verstärkt in den Vordergrund gerückt werden.

Der spanische Hersteller Sati hatte seine Buchung für Frankfurt erst kurzfristig storniert. Vor dem Hintergrund einer nach wie vor angespannten wirtschaftlichen Lage auf dem Heimatmarkt hatte sich die Geschäftsleitung zum Jahresende entschieden, den Export zu stärken und komplett neu zu organisieren. Die Vertriebsgesellschaften in Deutschland, Italien und Frankreich haben jetzt mehr regionale Verantwortung. "Wir haben die Zuständigkeiten für bestimmte europäische Märkte neu auf die Tochtergesellschaften verteilt. Dadurch sind zusätzliche Kapazitäten in der Exportabteilung entstanden, die den großen Wachstumsmärkten in Südamerika, Asien und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion zugute kommen", erklärte Hubert Reinermann, Geschäftsführer von Sati Deutschland. "Natürlich sind solche Veränderungen auch immer mit schmerzlichen Einschnitten in bestimmten Bereichen verbunden und so hat sich die Sati Grupo Textil schweren Herzens dazu entschieden, 2012 nicht auf der Heimtextil auszustellen."

Günstige Rahmenbedingungen

Ob diese Entscheidung richtig war, wird die Zeit zeigen. Für deutsche Anbieter ist Frankfurt jedenfalls noch immer ein wichtiger Ort, um Neukunden zu gewinnen - gerade aus dem Ausland. Und die konjunkturellen Rahmenbedingungen sind in diesem Jahr auch gar nicht so schlecht.

Die Bilanz für 2011 fällt allerdings gemischt aus. Nach einem deutlichen Umsatzminus in 2010 lagen Dekorationsstoffe nur knapp unter Vorjahr, Drucke konnten leicht zulegen. Bei Gardinen reichte es zwar zu einem stabilen ersten Halbjahr, nach 12 Monaten war die Branche aber wieder ins Minus gerutscht. Deutlich gesteigerte Produktions- und Absatzmengen melden die Anbieter von Polsterstoffen. Allerdings sanken in diesem Segment die Preise durch den verschärften Konkurrenzdruck von Produkten aus Ländern mit niedrigeren Produktionskosten. Die Umsätze der deutschen Hersteller blieben so lediglich auf Vorjahresniveau.

Unter dem Strich war die deutsche Heimtextilien-Industrie dennoch mit dem Geschäftsverlauf 2011 zufrieden. Eine ganze Reihe von Herstellern konnte vom Wirtschaftsaufschwung profitieren. Die deutschen Verbraucher kauften mehr Wohntextilien, der Export zeigte sich dynamischer. Und teilweise nutzt es der Branche sogar, dass die Krise noch immer nicht überwunden ist: Statt das Geld auf die Bank zu tragen, geben es die Bürger lieber für die Ausstattung des eigenen Zuhauses aus - oder investieren es in Bauprojekte, die wiederum ausgestattet werden müssen. Baufirmen und Renovierungs-Dienstleister haben derzeit Hochkonjunktur. Besucher wie Aussteller der Heimtextil starten vor diesem Hintergrund mit positiven Aussichten ins noch junge Branchenjahr und erwarten einen steigenden Bedarf an Haus- und Heimtextilien.

"Wir erwarten eine Fortsetzung der positiven Umsatzentwicklung, die wir in 2011 hatten", war Jan Peter Büning, Geschäftsführer bei Horn, überzeugt. "Viele unserer Kunden hatten ein sehr gutes Jahr 2011 und sind bezüglich Musterkosten und Ballenware guter Dinge. Vor zwei Jahren wurde viel mehr geklagt und lamentiert", resümierte Christina Wölfel. Und auch Olaf Maier, Geschäftsführender Gesellschafter bei Höpke stellte fest: "Polstern läuft richtig gut und entsprechend ist die Stimmung bei unseren Kunden." Wobei man sich nicht auf allein auf ein freundliches Umfeld verlassen darf, meinte Burkhard Koop von der Heco: "Wer nah dran ist am Markt, wer etwas tut, der hatte ein Bombenjahr."

Gestützt wird diese Einschätzung von einer Studie des Marktforschungsinstituts IFH Retail Consultants, nach der sich die Inlandsnachfrage nach Wohntextilien 2012 intensivieren wird. "Die Deutschen werden im laufenden Jahr voraussichtlich 242 EUR pro Haushalt in Wohntextilien investieren", erklärte daher Heimtextil-Messechef Detlef Braun. "Das sind 20 EUR mehr als 2010 und mehr als sie für elektronische Geräte ausgeben."

Leichte Entspannung bei Rohstoffen

Blieben noch die leidigen Themen Rohstoffversorgung und -preise. Hier ist die Lage auf den Märkten nach wie vor angespannt, aber nicht mehr so prekär wie noch vor einem Jahr. "Damals haben manche Lieferanten nur noch Tagespreise bei ihren Neuentwicklungen ausgegeben. Das ist zum Glück vorbei," erklärte Jab-Gesellschafter Claus Anstoetz, schränkte aber gleich wieder ein: "Der Trend zu höheren Rohstoffpreisen ist langfristig da."

Fast alle Hersteller und Verleger haben mittlerweile entsprechende Preiserhöhungen an ihre Kunden weitergegeben. "Unsere Kunden haben dafür Verständnis und haben die neuen Preise akzeptiert", berichtete Peter Lochner. Vorerst herrsche eine gewisse Entspannung an der Preisfront. "Was noch schmerzt, sind die Kosten für Polyester und Trevira-Fasern", beschrieb der Geschäftsführer der Weberei Lochner die Situation.

Neue Hallenstruktur hat sich etabliert

Die 2011 eingeführte neue Hallenstruktur war in diesem Jahr schon eine Selbstverständlichkeit. Die Halle 3.0 profitierte von der Anziehungskraft der 3.1 mit innovativen Tapetendessins, die wiederum von attraktiv gestalteten Ständen der Editeure unterstützt wurden.

Kritik gab es seitens der Aussteller wegen der Standverteilung in Halle 3.0, wo Hersteller neben ihren Kunden platziert wurden und in diesem Jahr die Durchmischung mit ausländischen Anbietern stärker ausgeprägt war. "Offensichtlich wird die Hallenaufteilung nach wie vor ausgewürfelt", machte Hanns Bergmann von Stoeckel & Grimmler seinem Ärger Luft. "Als deutscher Fachhändler kann ich nicht bei einem Türken 300 m einkaufen", fuhr er fort und machte auch gleich einen Verbesserungsvorschlag: "Insbesondere für den deutschen Handel ist es wichtig, dass sich die deutschen Hersteller zusammen präsentieren. Man müsste die Couponanbieter für den Fachhandel zusammenbringen und einen Bereich für den Großhandel bereitstellen."

Donata Apelt-Ihling kritisierte im Namen ihrer Kunden, dass nicht alle wichtigen Anbieter in Frankfurt dabei waren: "Wir hatten zahlreiche Gespräche mit unseren deutschen Abnehmern, die sich ein ausgewogenes und vielseitiges Stoffangebot wünschen. Sie wollen in Frankfurt die ganze Bandbreite der Anbieter treffen." Hier sei der Veranstalter gefordert.

Ready Mades - ob als No-Name Produkt oder mit bekanntem Label von Esprit, Joop, Tom Tailor oder Barbara Becker - nehmen in der Großfläche immer mehr Raum ein. Für diese Vertriebsschiene sind fertig konfektionierte Kissen, Tischdecken, Fertigvorhänge und Schlaufenschals ideale Produkte, da sie ohne Beratung und damit ohne Personal an den Kunden gebracht werden können. "Unsere Fertigprogramme laufen beim Möbler super, da ist richtig Drehung drauf", war bei Albani zu hören. Jacquardweber Stoeckel & Grimmler profitiert speziell bei seiner Lizenz-Linie Joop von Impulsen am PoS durch die Joop-Wohnstudios, die derzeit in allen wichtigen Möbelhäusern installiert werden. Sie zeigen komplette Joop-Wohnzimmerwelt mit Möbeln und Dekostoffen und sollen den Endverbraucher animieren, auch nach Joop-Stoffen zu schauen.

Coupon Business Finder ein Erfolg

Beim Raumausstatter und Fachhandel ist hingegen der Trend weg von der Stückware hin zum Coupon ungebrochen, war bei Lochner zu hören. "Der Anteil der Fachhändler, die Ballen kaufen, wird immer geringer", so Peter Lochner. "Dabei wären Raumausstatter sicherlich glücklicher, wenn sie sich Standards wie Naturleinen oder zwei, drei gängige Farben hinlegen würden. Dann könnten sie auch in Hochzeiten wie kurz vor Weihnachten flexibler liefern", ist er sich sicher.

Positiv von sich reden machte der neue Coupon Business Finder der Heimtextil, in dem erstmals alle Aussteller gelistet waren, die auch kleine Losgrößen anbieten. Deren Stände waren durch eine entsprechende Kennzeichnung markiert. "Das neue Verzeichnis ist eine komfortable Orientierungshilfe und wirklich nützlich für die Besucher aus dem Raumausstatterhandwerk", lobte Henning Cronemeyer als Geschäftsführer des Zentralverbandes Raum und Ausstattung (ZVR) das Angebot. "Wir haben durch dieses spezielle Coupon-Lieferantenprogramm sehr viele neue Couponkunden aus nordischen Ländern und dem Südosten bekommen", war auch Claus Wölfel zufrieden.

Made in Germany wieder "in"

Erfolgversprechend für deutsche Hersteller sind hohe Qualität, starkes Design und emotionaler Ausdruck ihrer Waren. Nach einem Trend zu billigeren Produkten aus dem Ausland erlebt Made in Germany eine Renaissance. "Wir kollektionieren wieder mehr die deutschen Produzenten", war etwa von Stefanie Kerpen von Jordan zu hören. "Unsere Kunden registrieren, dass Apelt ein deutscher Hersteller ist, der sich um modische und zeitgemäße Produkte bemüht, selber die gesamte Kollektion produziert und nicht von irgendwo her importiert", hat auch Donata Apelt-Ihling festgestellt.
Innovationen kommen aber natürlich nicht nur aus Deutschland. So präsentierte das italienische Unternehmen Filature Miroglio ein Jahr nach der Markteinführung des Recycling-Garns "Newlife" in der Bekleidungsindustrie auf der Heimtextil die Anwendungen und Produkte aus diesem neuen Garn auch für Haus- und Heimtextilien. Newlife wird aus benutzten PET-Flaschen gewonnen und lässt sich in der Haptik nicht vom nativen Polyester unterscheiden. Gardinen, Dekostoffe, Tischwäsche oder Textilien für den Sonnenschutz (innen und außen) können aus dem Recycling-Garn produziert werden. Es wird in einem mechanischen Prozess hergestellt und schon beim Spinnen gefärbt, was zu erheblichen Einsparungen beim Wasserverbrauch führt.

Studie definiert die Einrichtungskultur von morgen


Umweltverträglich ist auch die neue Kollektion Jazz von Backhausen. Die Österreicher haben dafür mit dem Garnproduzenten Diolen zusammengearbeitet. Jazz wird mit den neuen dauerhaft flammhemmenden Diolen Safe-Garnen gefertigt. Dieses Polyestergarn ist nach Ökotex-Standard 100 (frei von Schadstoffen) und als Cradle-to-Cradle (zu 100 % wiederverwertbar) zertifiziert. Damit passt es optimal in das umweltfreundliche Returnity-Konzept von Backhausen.

Damit bedient das Unternehmen einen aktuellen Wohntrend, der sicherlich von Bestand sein dürfte. Wie die Wohn- und Arbeits-Zukunft noch aussehen könnte, hat die Messe Frankfurt mit der Studie "Märkte der Identität" zu ergründen versucht. Für die Aussteller beantwortet sie die Frage nach den Umsatzschwerpunkten von morgen.

Insgesamt fünf Trendfelder werden in der Studie definiert:

1.Das Leben im "Dazwischen" von Wohn- und Arbeitsstätte wird zusehends Realität.

2.Im "Third Place Living" werden öffentliche Orte zu multifunktionalen Aufenthaltsräumen der mobilen Gesellschaft. Hotels, Flughäfen, Bahnhöfe und die Verkehrsmittel selbst bekommen erweiterte Funktionen.

3.Die "Wohnung als heilende Oase" gewinnt an Bedeutung. Sie passt sich den Bedürfnissen der Bewohner flexibel an und federt den schnellen Gangwechsel des Alltags ab.

4."Neue Workstyles", mobile Arbeitskulturen, erfordern zusehends fließende Raumordnungen, die Meetingkultur und die Verarbeitung von Wissen. Hier entstehen ganz neue, funktionale Raumkonzepte, die den industriellen Bürobedarf überholen.

5."Nachhaltiger Konsum" wird dem Endverbraucher in Fleisch und Blut übergehen: Reduce, re-use, recycle - neue Produkte haben mehr als ein Leben, und die neuen Möglichkeiten wie auch ethische Anforderungen verändern die Einrichtungskultur.

Die Produkte zur Ausgestaltung dieser Wohn- und Arbeitsformen müssen individuell und zahlreich sein. Das stellt sowohl die Hersteller vor große Herausforderungen als auch die Verbraucher, die sich in dem immer unüberschaubarer werdenden Angebot zurecht finden müssen. Wenn alles möglich wird, muss die Auswahl Methode haben. Kuratieren mag nach Einschätzung der Zukunftsstudie als neues Paradigma ein Lösungsansatz für den Handel und die designnahen Branchen sein. Der Fachhändler als Mensch, dem der Kunde vertraut und der ihm hilft, das eigene Leben zu gestalten und Angebote zu filtern.

Internet noch kein Distributionskanal

Das Internet gewinnt auch in der Heimtextilbranche immer mehr an Bedeutung. Einen Konkurrenzdruck spürt man aber bisher nicht, da dieses Medium eher als Informations- und Kommunikationsmittel denn als Verkaufsplattform gesehen wird.

Eine aktuell gestaltete Webseite und ein Facebook-Auftritt sind für Donata Apelt-Ihling inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Bei Kupferoth soll es demnächst auch einen Produktfinder geben, Facebook und Twitter seien ebenfalls in Vorbereitung. Seit Mitte Januar bietet Nya Nordiska als einer der ersten Textilverlage ein App an und vergrößert damit die Reichweite in der digitalen Welt. Das in Kooperation mit Architonic entwickelte Tool stellt in Ergänzung zur Nya-Webseite produktspezifische Informationen bereit. Höpke setzt auf maßgeschneiderte Softwareprodukte, mit denen die eigenen Kunden unterstützt werden. Virtuelle Beratungshilfe bietet der Möbelstoffspezialist dem Handel mit der 3D-Software Visuell. Der interaktive Katalog umfasst rund 5.000 aktuelle Höpke-Möbelstoffe. "Allein in den Niederlanden haben wir in einem Jahr 90 neue Anwender gewonnen", zieht Olaf Maier die Erfolgsbilanz. Auf der Heimtextil präsentierte der Textilverlag Beamagic von Active Online, ein PoS-System mit faszinierenden Effekten für den Kunden. Mit ihm können Produkte durch 3D-Projektion im realen Raum immer wieder neu kombiniert werden. Beamagic ist sowohl für Deko- als auch Polsterstoffe einsetzbar. Kombiniert mit Wand- und Bodenbelägen bietet es ein Einkaufserlebnis der besonderen Art.
aus BTH Heimtex 02/12 (Wirtschaft)