Ulrike Feierabend-Hoffmeier, Rasch Tapeten

Visionen für eine starke Marke


Ulrike Feierabend-Hoffmeier ist Marketingchefin beim Tapetenhersteller Rasch. Unter ihrer Regie wurde ein Konzept erarbeitet, das der Marke Rasch wieder neue Kräfte verleihen soll. Im Mittelpunkt steht deren Aufteilung in die drei Segmente Rasch 1861, Rasch Style und Rasch Taste, mit denen die komplette Nachfrage von hochwertigen Tapeten für das Objekt bis hin zum konsumigen Wandbelag bedient werden soll. Für BTH Heimtex beschreibt Feierabend-Hoffmeier exklusiv, wie sich die Ansprüche an die Marke verändert haben und wie diese darauf reagieren muss.

"Marke und Produkt bilden ein gewinnbringendes Paar. Allerdings hat sich die Welt verändert: Die Bekanntheit einer Marke hilft in den Kopf der Zielgruppe, aber nicht in den Einkaufskorb. Am Ende ist die wertvollste Währung Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Begehrlichkeit. Die Marke steht angesichts des gesellschaftlichen Wandels vor neuen Herausforderungen. Je größer ihre Bedeutsamkeit ist, desto erfolgreicher wird sie sein.

Neue Spielregeln ergeben sich, weil sich die Konsumgesellschaft auf dem Rückzug befindet und Wachstum nicht das alleinige Thema ist. Auch die Rückbesinnung auf Qualität und Werte, die die Geiz-ist-geil-Mentalität abgelöst hat, erfordert bei Markenverantwortlichen ein Umdenken. Trends wechseln schneller als je zuvor. Damit ist das Management spezifischer Phasen der Marken-Lebenskurve (Einführung, Aufschwung, Reife, Sättigung oder Schrumpfung) nur noch ein Relikt aus guter alter Zeit. Das Informations- und Medienzeitalter hat die Evolution der Marke in Gang gesetzt. Eine lebendige Marke wird zum zeitlosen Wert, der es schaffen muss, permanent begehrenswert zu sein. So kennt Marke keinen Stillstand mehr. Sie soll dynamisch sein, Kauflust wecken und die Langeweile durchbrechen - ohne den Konsumenten und seine Wünsche aus den Augen zu verlieren.

Führung durch den Trenddschungel

Das Stichwort heißt "Shopper Marketing". Dieses Konzept zielt auf erhöhte Wertschöpfung sowohl für Handel als auch Hersteller. Um dies zu erreichen, müssen Produzenten ihre Marke durch einen Trenddschungel immer wieder zum Verbraucher führen und ihr damit den Stellenwert geben, der ihr zusteht. Ein entscheidendes Mehr ist nötig, das dem Produkt Wertigkeit verleiht. Was dieses Mehr ist, bestimmen nach wie vor die Sehnsüchte der Konsumenten. Darüber hinaus muss die Produzentenseite Marke und Produkt wieder vereinen und endlich aufhören, den Wert der Produkte zu marginalisieren. Denn zum Schluss schaffte es auch der niedrigste Preis nicht mehr, kurze Siegesfreude über einen Schnäppchenkauf beim Verbraucher auszulösen. Schließlich war er auf der Suche nach echten, nachhaltigen Werten und ist dank Internet zu einem intelligenten, selbstbewussten Marktteilnehmer geworden. Vielfach wurde diese Entwicklung in Handel und Produktion ignoriert.

Heute sollten die Verantwortlichen über das Internet mit dem Konsumenten über Marke und Produkt sprechen und diese Kommunikation nicht allein klassischer Werbung überlassen. Gleichzeitig müssen auch für andere Kanäle neue Konzepte und Ideen her. Eine inhaltsstarke, eindrucksvolle Begegnung zwischen Konsument und Marke am Verkaufspunkt wird immer wichtiger. Lust und Freude an sinnvollem Konsum sind wieder da. Die Phase der Entscheidung über den Preis ist vorbei, heute gibt eine starke Marke mit klarer Differenzierung die nötige Orientierung.

Wer erfolgreich bestehen will, muss erkennen, dass es zwei Arten von Qualität gibt: die objektive der Produkte und die vom Kunden wahrgenommene. Der Schlüssel zu Letzterer ist der Aufbau einer starken Marke, die das Echte und Wahre dokumentiert. Sie schafft es, einer Werteinflation entgegenzuwirken. Es zählt einzig und allein das, was das Produkt tatsächlich von dem Markenversprechen einlöst. Die Marke muss dem Menschen das Gefühl geben, seine Lebensqualität zu verbessern. Sie muss ihn begeistern, überraschen oder seinem Leben etwas Wertvolles hinzufügen. Dies ist die beste Grundlage für ein lebenslanges Ja zwischen Mensch und Marke. Und dieses Prinzip funktioniert in jeder Branche - auch in der Heimtextilbranche.

Als erstes braucht eine neue Marke eine Vision davon, was sie für den Verbraucher über das Produkt hinaus sein möchte. Schließlich geben Marken auch heute noch Versprechen. Das verpflichtet sie. Natürlich kann man auch auf den Aufbau einer eigenen Marke verzichten und Produkte unter einem gemieteten Label vermarkten. Auf den ersten Blick scheint dies schneller und billiger zu sein. Doch mit dem Lizenzmarkengeschäft sind Risiken verbunden: Die Markenführung liegt nicht in den Händen der Hersteller, sondern des Lizenzgebers. Und eine Lizenzmarke muss genauso mit Kommunikationsmaßnahmen flankiert und gestützt werden wie die eigene Marke. In der Regel versäumen dies jedoch die Lizenznehmer, weil sie sich von der Markenanleihe eine schnelle Wertschöpfung versprechen. Eine Haltung, die der Verbraucher mit Untreue quittiert. Die Bedeutsamkeit einer echten Marke kann durch das Lizenzgeschäft nicht erreicht werden. Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Lizenzierung ist die Übertragung der Marken-Kernwerte auf das neue Produktsegment. Aber auch hier entscheidet die strategische Führung eines Markenportfolios über langfristigen Erfolg."
aus BTH Heimtex 03/12 (Wirtschaft)