Marburg Tapeten: Extravagantes Design

Harald Glööckler entfacht Rausch der Sinne

Die Marburger Tapetenfabrik ist bekannt für ihre Tapeten aus Künstlerhand. Jetzt hat sie einen weiteren Kreativen gewonnen: Der exzentrische Modeschöpfer Harald Glööckler stellte seine erste Tapeten-Kollektion in Moskau vor und erntete dafür viel Applaus.

Janosch, Niki de St. Phalle, Ulf Moritz, Luigi Colani, Karim Rashid, Zaha Hadid - die Liste hochkarätiger Künstler, die für die Marburger Tapetenfabrik in Kirchhain viel beachtete Wandbeläge entworfen haben, ist lang. Die Zusammenarbeit mit Künstlern habe eine ebensolche Tradition und sei ein maßgeblicher Baustein für dessen Erfolg, heißt es bei dem 1845 gegründeten Familienunternehmen.

Jetzt kommt ein neuer Name hinzu: Harald Glööckler. Deutschlands schrillster Modeschöpfer stellte seine erste Kollektion "Glööckler by marburg" bei der Bau- und Architekturmesse Mosbuild in der russischen Hauptstadt Moskau vor. "Das sind edle Tapeten für Menschen, die opulente, wertvolle Wandgestaltung mögen - ein echter Hingucker und innovativ obendrein", beschreibt Marburg-Geschäftsführer Dieter Buhmann die außergewöhnliche Karte, die 55 Lifestyle-Tapeten mit Kronen, geschliffenen Glaskristallen und Pfauenfedern präsentiert.

Leistikow entwarf Siedlungstapeten

Buhmann erinnert daran, dass schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Grafiker Professor Dr. Hans Leistikow in Frankfurt so genannte Siedlungstapeten für Marburg entwickelte. Sie zeigten spezielle Dessins für Siedlungswohnungen. Diese entsprachen der Formensprache des Bauhauses, der 1919 von Architekt Walter Gropius in Weimar ins Leben gerufenen berühmten Kunstschule. In den 50er und 60er Jahren gab Hilde Eitel der hochwertigen Design-Linie neuen Schub. Die Mutter des heutigen Inhabers Ullrich Eitel, der das Unternehmen in fünfter Generation führt, erarbeitete zusammen mit der Textildesignerin Elsbeth Kupferroth viel beachtete Wandbeläge.

Zur Documenta V in Kassel kam 1972 die Künstlerkollektion "X-Art" auf den Markt, die heute nur noch als Rarität bei Versteigerungen gehandelt wird. Entwürfe dafür steuerten unter anderem Niki de St. Phalle, Allen Jones und Paul Wunderlich bei. Der Illustrator, Kinderbuchautor und Schriftsteller Janosch wurde in den 1990er Jahren für die zu den ältesten Tapetenfabriken Europas zählende Kreativschmiede aktiv. Die Nachfrage nach den Tapeten und Stoffen des Erfinders der Tigerente war überwältigend.

Eine sehr lukrative und kreative Zusammenarbeit begann 1999 mit Ulf Moritz, dessen neueste Kollektion "Wall Couture" bei der Heimtextil in diesem Jahr viel Lob erntete. Wie Buhmann betont, sind die Karten des Textildesigners unter kommerziellen Aspekten die bisher erfolgreichsten. Wertvolle Imagebringer seien dagegen vor allem die "X-Art" 1972 und die 1999 daraus abgeleitete Tapetenreihe "Art Borders" gewesen, für die weltbekannte Designer wie Luigi Colani und Karim Rashid sowie die iranische Architektin und Pritzker-Preisträgerin Zaha Hadid ihre Entwürfe geliefert haben.

Stets mit Künstlern im Gespräch

"Die Idee ist es, diesen Spitzendesignern innovative, von Marburg entwickelte Technologie für ihre kreativen Entwürfe zur Verfügung zu stellen. Denn die erfolgreichsten Innovationen entstehen aus der Symbiose von neuer Technik und künstlerischem Input", ist Buhmann überzeugt. Ein berühmter Name kurble den Absatz zusätzlich an.

Auf diese positiven Erfahrungen setzt das Unternehmen, das im mittleren bis gehobenen Preissegment vor allem moderne Vliestapeten produziert, auch für die Zukunft und ist deshalb ständig in Verhandlungen mit weiteren Künstlern. Aus solchen Gesprächen hat sich nach Angaben Buhmanns unter anderem eine Zusammenarbeit mit dem Hamburger Fotografen Konstantin Eulenburg entwickelt, der bei der Heimtextil seine erste Kollektion "Identity" präsentierte. Die Ideen des Fotografen, der sich mit Tapete bisher nur über seine Kollektionsfotos beschäftigt hatte, würden einen neuen Blick auf die Wandbeläge werfen. Entsprechend groß war das Interesse der Heimtextil-Besucher für das Erstlingswerk des Hanseaten.

Grundsätzlich sind bei Marburg Wallcoverings alle Kreativen willkommen, die zündende Ideen für neue Kollektionen haben. "Allerdings müssen sie sich auf ihr Metier verstehen und sich auf die Tapete einlassen", betont Buhmann. Das fällt seiner Meinung nach inzwischen immer mehr bekannten Designern leicht, da sich stilistisch in den vergangenen Jahren viel verändert habe. "Nach der im Endstadium des Minimalismus zwangsläufigen Blutleere, bei der man sich fragt, was man noch weglassen soll, wenn schon alles weggelassen ist, entstand eine Gegenbewegung. Die heißt Struktur und Dekor." Das seien die Stärken der Tapete, die deshalb eine Renaissance erlebe. "Klar, dass sich Designgrößen nun mit dem einst hässlichen Entlein beschäftigen."

Natürlich habe Marburg angesichts der erfolgreichen Entwicklung auf dem Tapetenmarkt auch noch einige Wunschdesigner; Namen nennt Buhmann allerdings nicht. Aber Wünsche sind schließlich auch Zukunftsmusik.

"Die pompösesten Tapeten aller Zeiten"

Jetzt geht es erst einmal darum, die erste Kollektion von Harald Glööckner zu vermarkten - was nicht schwer fallen dürfte. Denn das exzentrische Multitalent, das Mode, Schmuck, Heimtextilien und Porzellan seinen Stempel aufdrückt, hat ein Credo: Jede Frau ist auch eine Prinzessin. Dazu gesellt sich sein Faible für die russische Geschichte und das Zarenreich, die seine Fantasie nach eigenen Worten beflügeln. "Wir wollten die außergewöhnlichsten und pompösesten Tapeten aller Zeiten realisieren. Tapeten, die eine kleine Plattenbau-Wohnung genauso erstrahlen lassen wie ein russisches Schloss", schreibt der Künstler in seiner Biografie.

Royalblaue Tapeten mit kreisförmigen Dessins und goldenen Applikationen, rote Wandbeläge verziert mit Strasssteinen und der Krone aus Glööcklers Label Pompöös, aber auch schwarze Tapeten mit glitzernden Steinen in barockem Rahmen sind in der Kollektion zu sehen. Dazu Leoparden-Optik nebst goldenen Schleifen und silbernen Engelsflügeln, die aus Kronen empor fliegen, weiße Tapeten mit filigranen silbernen Applikationen und Quasten sowie goldfarbene Bahnen mit und ohne barocke Details. Prunk, Pomp und Glamour dominieren.

Harald Glööckers Kreationen überzeugen durch hohe künstlerische Qualität im Zusammenspiel mit Druck und Technik. Dies demonstrieren beispielhaft die unzähligen präzisen Haschuren - feine Oberflächenstrukturen, die durch eine handgearbeitete Gravur- und Ätztechnik auf der Druckwalze entstehen. Im Zusammenwirken mit einer raffinierten Farbgebung mit irisierenden Pigmenten entstehen Dessins, die an einen schweren, changierenden Moirévorhang oder an das dichte Federkleid eines Pfaus erinnern. Diese Kollektion dürfte die Erfolgsgeschichte Marburgs in mehr als 80 Ländern fortschreiben und in weiteren Künstlern den Wunsch freisetzen, für das innovative Unternehmen in Kirchhain tätig zu werden. Zumal die Tapete längst aus ihrem langen Dornröschenschlaf erwacht ist und sich zu einem Gestaltungsobjekt entwickelt hat, an dem heute kein Kreativer mehr vorbei kommt.


Harald Glööckler - zur Person


Der deutsche Modedesigner Harald Glööckler wurde 1965 in Zaisersweiher bei Maulbronn geboren. Bekannt wurde er durch Haute-Couture-Roben für sein Label "Pompöös". Schon als kleiner Junge interessierte sich der 47-Jährige für Mode. Im Jahr 1987 eröffnet er sein erstes Modegeschäft in Stuttgart, drei Jahre später gründete er sein Label "Pompöös". 1998 eröffnete der Maler Glööckler eine Galerie in der schwäbischen Metropole. Seit 2000 lebt der Künstler, der Botschafter des Kinderhilfswerks und Mitglied er Lets-Dance-Jury von RTL ist, in Berlin.


Marburger - Daten und Fakten


Marburger Tapetenfabrik J.B. Schaefer GmbH & Co. KG
Bertram-Schaefer-Straße 11
35274 Kirchhain
Tel.: 06422/81-0
Fax: 06422/81-223
contact@marburg.com
www.marburg.com

Gründungsjahr: 1845
Mitarbeiter: etwa 350
Umsatz 2011: 80 Mio. EUR
Geschäftsführender Gesellschafter: Ullrich Eitel
Geschäftsführer: Dieter Buhmann
Marketing: Michael Freiberger
Verkauf: Dirk Steinhoff
aus BTH Heimtex 04/12 (Wirtschaft)