Interview des Monats: Mattes & Ammann, Meßstetten

"Wir sind der Fels in der Brandung


Der Markt für Matratzenbezugsstoffe steht, wenn man die jüngsten Unternehmens-Nachrichten aus der Branche verfolgt, momentan unter keinem glücklichen Stern. Hinzu kommt, dass die Preise allgemein stark unter Druck stehen. Das schwäbische Unternehmen Mattes & Ammann allerdings produziert seit Bestehen ausschließlich in Deutschland, und, wie man betont, mit stetigem Erfolg. Aufgrund der aktuellen Marktentwicklungen erklärt die Geschäftsleitung des Unternehmens, warum man in der Lage ist, in dieser Branche weiterhin erfolgreich bestehen zu können, besonders an einem Standort wie der Schwäbischen Alb. Haustex sprach mit dem Inhaber Christoph Larsen-Mattes, Werner Moser, Direktor Verkauf, und Eberhard Keinath, Geschäftsbereichsleiter Heimtex.

Haustex: Mit der Möbelmesse ist die Leistungsschau der Matratzenindustrie schon einige Wochen her. Dennoch eingangs die Frage, welche Beobachtungen Sie dort für Ihr Unternehmen machen und welche Schlüsse Sie für sich aus der Messe ziehen konnten?

Eberhard Keinath: Die Kölner Messe mit der für uns relevanten Sleep-Halle 9 ist sehr gut organisiert und immer mehr Marktteilnehmer drängen in diese Halle. Das ist sicherlich auch ein Verdienst des Matratzenfachverbandes. Auch die Messeparty meet@sleep finde ich sehr gut, weil sie die Möglichkeit bietet, mit Kunden rein informell zu sprechen. Zumindest an den Tagen, an denen ich dort war, war die Halle wirklich voll von Besuchern, sehr im Gegensatz zu anderen Hallen während der Messe.

Haustex: Und wie sah es aus Ihrer Sicht produkttechnisch aus?

Christoph Larsen-Mattes: Die wichtigste Beobachtung auf der Möbelmesse war für uns, so breit und massiv vertreten gewesen zu sein - wie dies alle beobachten konnten. Das löst für unser Unternehmen eine große Befriedigung in Sachen Marktpräsenz aus. Überdies waren die Kunden in den Gesprächen mit unseren Mitarbeitern außerordentlich entgegenkommend, so dass wir festhalten dürfen, ihnen nicht nur Vertragspartner, sondern Partner oder gar Freund sein zu können.

Werner Moser: Die Stoffe, die man auf den Matratzen sah, waren durchweg wirklich toll und hochwertig. Die Matratzenanbieter haben sich meist für hohe Qualitäten bei den Matratzenstoffen entschieden. Unserer Branche hat ihre Hausaufgaben erfolgreich gemacht, was die Verarbeitung von Klima-Steppungen angeht, also deren Anmutung, Weichheit und Elastizität. Weniger positiv finde ich, dass sich alle Matratzenbezüge im Wesentlichen nur auf eine Warenart konzentrieren, eben die Klimastepp-Jerseys, die in allen Spielarten angeboten werden. Wenn es hoch kam, habe ich alternativ vielleicht drei oder vier Velours-Qualitäten gesehen.

Haustex: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Moser: Klimastepp-Jerseys sehen einfach toll aus, der Stoff ist klasse. Für Velours scheint der Markt noch nicht reif zu sein, obwohl er allmählich wieder ein wenig kommt. Wir machen inzwischen schon wieder die eine oder andere Velours-Musterung, nachdem die Qualität jahrelang fast ein wenig verpönt war. Der breite Trend zur Klima-Steppung hat aber auch etwas mit dem aktuellen Zeitgeist zu tun, der etwas weichere Qualitäten bevorzugt. Wir fänden es nicht schlecht, wenn Velours wieder etwas mehr käme, da wir unsere vor etwa 15 Jahren aufgebauten Kapazitäten nicht reduziert haben und innerhalb kürzester Zeit wieder in das Geschäft einsteigen könnten.

Haustex: Sie sprechen das Problem an, dass der Verbraucher und folglich der Handel Neuerungen gegenüber nicht besonders aufgeschlossen ist, was zu einer gewissen Uniformität des Produktes Matratze führt.

Moser: Die Stoffproduzenten machen sich sehr viele Gedanken darüber. Im Grunde wäre es natürlich prima, wenn mal wieder eine neue Warenqualität auf den Markt käme. Hinsichtlich der Produktentwicklung richtet sich unser Produkt nun einmal nach der menschlichen Geometrie, wir sind nicht in der Position wie die Elektroindustrie, die aus einer hergebrachten Stereo-Anlage einen iPod entwickelt hat, um nur ein Beispiel zu nennen. Unsere Gestaltungsmöglichkeiten sind also limitiert. Schlafen auf einer dreieckigen Matratze macht wenig Sinn. Aber generell überlegen wir sehr intensiv, wie die nächste Matratzengeneration aussehen könnte. Und bis zum Herbst werden wir auch einige wirklich neue Produkte vorstellen können. Nach dem wirtschaftlichen Produktlebenszyklus bei Matratzenstoffen bräuchten wir alle in der Branche wieder dringend einen so genannten Star, der neu aufgeht und mit dem man Geld verdienen kann. Derzeit haben wir zwar lauter tolle Produkte, mit denen wir aber so gut wie kein Geld mehr verdienen können. Das sind die so genannten Poor Dogs. Wir haben keine Cash Cows, die richtig Erträge abwerfen würden.

Haustex: Gilt das auch für Mattes & Ammann?

Moser: Der Markt macht den Preis. Auch wir hadern damit und erzielen keine wesentlich besseren Marktpreise als der Wettbewerb. Es ist nur die Frage, ob man als Unternehmen mit diesen Preisen längerfristig leben kann. Und das trifft auf Mattes & Ammann aufgrund seiner soliden Finanzstruktur Gott sei Dank zu. Mehr noch: Wir sind in der Lage, nicht unerhebliche Mittel in die Entwicklung neuer Produkte zu stecken. Unser Matratzenbereich trägt zum Umsatz zwischen 20 und 25 Prozent bei. Wir haben daher genügend andere Geschäftsbereiche, die in solchen Phasen die nötigen Investments finanzieren.

Mattes: Wir sind im Gegensatz zu anderen Anbietern so breit aufgestellt, dass schwierige Phasen in einem Bereich durch gegenläufige Entwicklungen in den übrigen Bereichen ausgeglichen werden können. Wenn wir einen Umsatzanteil von 75 Prozent Matratzenstoffe hätten, hätten wir auch ein Problem. Wir haben gesamthaft zehn Marktsegmente, die wir bedienen. Und wenn wir ihre Entwicklung über die 60 Jahre unserer Existenz betrachten, haben sie im Laufe der Zeit alle Höhen und Tiefen erlebt.

Haustex: Waren Sie nie versucht, den einen oder anderen Bereich wegen schlechter Zahlen einzustellen?

Mattes: Wir haben uns, mit Ausnahme der Produkte für die Bekleidungsindustrie, stets dagegen entschieden, da wir eben in der Lage waren, diese Schwankungen intern auszugleichen und selbst der kriselnde Marktbereich längerfristig positive Tendenzen aufzeigte. Wir haben als aktuelles Beispiel 2009 im Automobil-Bereich durch die Weltwirtschaftskrise schwer eins auf den Hut bekommen. Aber wir konnten das abfedern und haben im Übrigen in der Zeit nicht einen Mitarbeiter entlassen. Und von dieser Strategie profitieren wir heute im Heimtextil-Bereich. Die Firmen, die einen zu hohen Matratzen-Anteil haben, haben Schwierigkeiten und diesen geht irgendwann die Luft aus, weil die Marktpreise es im Prinzip nicht erlauben, dass sich das Unternehmen weiter entwickelt. Das kann man eine gewisse Zeit aushalten, aber nicht ewig. Letztlich ist es immer eine Frage des notwendigen Kapitals. Und wir haben es, weil wir stets verantwortlich und nachhaltig gearbeitet haben. Ein weiterer Vorteil unseres Unternehmens ist, dass wir nie das süße Gift der Subventionen für unser Haus in Anspruch genommen haben, Stichwort Zonenrandförderung oder Ähnliches. Wir sind unserem Standort Schwäbische Alb treu geblieben und haben uns dem Wettbewerb ohne Staatshilfe gestellt, auch wenn es uns nicht immer leicht gefallen ist. Schließlich waren die betreffenden Firmen in der Lage, Kampfpreise anzubieten, so lange die Subventionen flossen. Das hat auf Dauer die Preise für Matratzenbezugsstoffe buchstäblich ruiniert. Darunter leiden wir heute alle, aber die Firmen, die inzwischen ohne Subventionen auskommen müssen, noch mehr. Langfristig gesehen war daher unsere Strategie die bessere Entscheidung, denn ich wüsste im Textilsektor kein Unternehmen, das Zonenrandförderung in Anspruch genommen hat und heute noch erfolgreich ist. Allerdings ist die Ertragssituation im Heimtextil-Bereich auch für uns nicht befriedigend. Wir würden gerne wieder einmal einen Ertrag erwirtschaften.

Haustex: Überhaupt einen Ertrag oder einen höheren Ertrag?

Mattes: Einen Ertrag. Wir haben unsere Maschinen über die Jahre hinweg angeschafft und sehr schnell abgeschrieben. Wenn wir jetzt Maschinen kaufen würden, und sie würden von niemandem Dritten subventioniert, müssten sie sich natürlich auch wieder schnell amortisieren. Aber im Moment ist die Situation so, dass die Produkte so ertragsschwach sind, dass sich neue Maschinen nur schwer amortisieren würden. Das ist für das Unternehmen nicht gut. Aber vom status quo her können wir damit umgehen, wir sind finanziell gut aufgestellt, produzieren und warten ab, wie es dem Wettbewerb ergeht. Das klingt brutal, aber genau so ist es. Wir sind der Fels in der Brandung.

Haustex: Also gibt es Überkapazitäten am Markt?

Mattes: Ich glaube ja. Als sich der Markt für Matratzenbezüge von der Webware zum Maschenstoff wendete, dachte jeder, das sei ein wachsender Markt und würde immer so weiter gehen. Aber der Zenit ist inzwischen erreicht, es wird insgesamt nicht mehr produziert. Es werden ja auch gesamthaft nicht mehr Matratzen verkauft. Wenn sich der Gesamtumsatz für Matratzen momentan steigern lässt, dann nur durch höherwertige Produkte, aber nicht durch einen Mehrverkauf. Diese Stagnation am Markt hat auch dazu beigetragen, dass die Preise in den letzten ein , zwei Jahren unter Druck geraten sind. Und jeder versucht auf Gedeih und Verderb seine Kapazitäten auszulasten. Aber wir sind über sieben Tage in der Woche ausgelastet. Punkt.

Haustex: Ihr Unternehmen produziert ausschließlich in Deutschland auf der Schwäbischen Alb, während sich Bodet & Horst gerade aus Kostengründen vom deutschen Standort verabschiedet. Mit Anton Cramer befindet sich ein anderes Unternehmen Ihrer Branche in Insolvenz. Muss man nun auch um Mattes & Ammann fürchten, zumindest was den Standort Meßstetten angeht?

Mattes: Vom Grunde her ist diese Frage außerordentlich provokativ, da Sie persönlich sowohl unser Haus kennen als auch bekannt ist, dass wir gerade finanziell als außerordentlich gesettelt gelten, um einen amerikanischen Begriff zu nennen. Lassen Sie sich versichert sein, wir werden an unserem Standort weiter wachsen. Auf das Fundament der Firma Mattes & Ammann können Sie problemlos eine noch einmal so große Fabrik setzen. Das dürfte hoffentlich Ihre Frage in finanzieller Hinsicht beantworten.

Moser: Wir haben den Standort gestärkt und werden am Standort wachsen. Wir sehen den Standortvorteil im internationalen Wettbewerb klar auf unserer Seite und als eine Art Alleinstellungsmerkmal. Denn wir werden das Unternehmen sein, das am Schluss am Standort Zentraleuropa überlebt haben wird. Wir halten nichts davon, zu lamentieren. Wir sind eine tolle Industrie mit tollen Produkten und glauben an die Zukunft. Bei allen Schwierigkeiten, die der Markt derzeit bietet, gehen wir mit einem positiven Geist in die Zukunft. Die Märkte sind dynamisch und man muss sich flexibel auf diese Veränderungen einstellen, aber wieso soll uns das nicht gelingen? Das ist uns doch trotz der ganzen Globalisierung schon seit 40 Jahren gelungen. Man kann in Deutschland Textilien herstellen, wieso denn nicht? Wir lieben diesen Markt und werden auf ihm weiter wachsen.

Haustex: Wie hat sich Ihr Unternehmen in den letzten Jahren wirtschaftlich entwickelt?

Mattes: Das Haus Mattes & Ammann hat sich in den letzten 25 Jahren sehr kontinuierlich entwickelt und ist stets aus dem Cashflow heraus gewachsen. Die stetige Erhöhung des Eigenkapitals war Ziel und wurde erreicht. Das Unternehmen steht heute ganz zweifelsfrei auf einem breiten und guten Fundament und ist weiterhin ausbaufähig in Technik, Kundenbereich, Produkte, mit Perspektive auf viele Jahre, die vor uns liegen. Die Matratzenindustrie hat zum positiven Verlauf des Unternehmens in unterschiedlichen Intervallen sehr positiv zum Cashflow beigetragen, in anderen Zeiten mäßig, auch verursacht durch nicht marktgerechtes und notwendiges Verhalten von Wettbewerbern. Aber das stört ein Unternehmen, das ausschließlich seine Entscheidungen auf der Grundlage der Nachhaltigkeit trifft, nicht!

Haustex: Welche Qualitäten sind Sie in der Lage, am Standort Deutschland zu produzieren? Andere verlagern schließlich ihre Produktion aus Kostengründen ins Ausland.

Keinath: Wir können alles. Übertragen auf die Modelle in der Automobilbranche können wir sowohl den Tata Nano als auch den Rolls Royce bei den Matratzenbezügen produzieren und liefern.

Moser: Die Frage ist doch ohnehin, was man unter Qualität versteht. Man kann es auf möglichst viele Scheuertouren konzentrieren, als Maßstab für die Abriebfestigkeit. Für bestimmte Matratzen reichen 5.000 Touren aus, wir können aber auch Stoffe herstellen, die 50.000 Touren aushalten. Aber was soll man mit einer so hohen Qualität bei einer preiswerten Matratze, wenn doch 5.000 Touren völlig ausreichend sind? Natürlich definiert auch das Preis-Leistungs-Verhältnis die Qualität. Qualität bedeutet für uns andererseits aber auch, die Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt in der richtigen Menge mit null Fehlern zu liefern.

Haustex: Aber es gibt doch zahlreiche Anbieter in unserer Branche, seien es Bettwäsche-Hersteller oder andere, die in Deutschland explizit keine billige Ware produzieren können. Wo hört es da für Sie auf?

Mattes: Billig können wir auch nicht, wir können nur effektiv und produktiv. Wir erzeugen in verschiedenen Preissegmenten stets ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis, bedienen aber alle Qualitätsstufen. Für einen Matratzenanbieter bietet ein Stoff mit 5.000 Touren Qualität, weil seine Matratze insgesamt nur 40 Euro kostet.

Keinath: Für uns bedeutet Qualität in erster Linie, dass der Kunde Ware mit null Fehlern bekommt. Generell sind wir aber in der Lage, mit unseren Produkten alle Marktsegmente zu bedienen, vom Hochpreis- bis zum Niedrigpreis-Segment. Das ist auch wichtig für uns, da wir uns am Markt sonst beschränken würden, weil man als Komplett-Anbieter beim Kunden immer ein anderes Standing hat, als wenn er sich noch mindestens bei einem anderen Ware besorgen muss. Der Matratzenbereich ist ja nur ein Marktsegment, das wir bedienen. Außerdem sind wir auch Zulieferer der Autoindustrie. Wer für diese Branche arbeitet, ist in seiner Gesamtheit auf Qualität geeicht. Das betrifft nicht nur die Termintreue, sondern auch und vor allem die Ausrichtung auf Null-Fehler-Produktion. Es gibt Untersuchungen, bei denen unsere Matratzenbezüge in der Weiterverarbeitung verglichen wurden mit den Stoffen anderer Zulieferer. Durch unsere fehlerfreien Produkte liegen wir mit unseren Artikeln um ein Vielfaches über dem Nutzungsgrad der anderen Zulieferer. Das ist für den Kunden ein nicht zu unterschätzender Kostenaspekt.

Mattes: Und wir sind schnell, sowohl was noch zu produzierende Ware betrifft als auch die Liefergeschwindigkeit. Wir verfügen über ein riesiges Abruflager, in dem wir ständig etwa 15 Millionen Quadratmeter Stoffe lieferfähig bereithalten. Nicht nur Matratzenbezugsstoffe, aber zu einem großen Teil auch. Wenn es ganz glatt läuft, hat unser Kunde die gewünschte Menge schon am nächsten Tag an seiner Laderampe stehen. Das im Lager gebundene Kapital muss man sich als Unternehmen leisten können, und wir können es. Wir konnten in den letzten Jahren durch sparsames Wirtschaften so viel Geld auf die hohe Kante legen, dass wir uns den Luxus dieses Abruflagers leisten können, jedoch auch gezielt wollen. Wir sind so gut wie gar nicht von Banken abhängig und müssen daher in unsere Preise auch keine Zinszahlungen mit einkalkulieren. Sie haben es bei uns mit einer kampfstarken Troika zu tun; Mattes, Moser, Keinath.

Haustex: Handelt es sich bei der Lagerware um Standardware?

Moser: Aber nein, es ist kundenspezifische Ware, die wir vorher durch unsere Kunden als Blockauftrag erhalten haben. Wobei man schon feststellen muss, dass die seligen Zeiten, als wir noch Aufträge über ein gesamtes Jahr erhalten haben, längst vorbei sein. Heute planen die Kunden wesentlich kurzfristiger. Die Lagerhaltung ist der eine Weg, um den Kunden eine schnelle Lieferfähigkeit gewährleisten zu können. Der andere ist die Beschleunigung der Produktion an sich, da eben immer weniger Blockaufträge vergeben werden. Entsprechend haben wir unsere Prozesse beschleunigt, um schnell große Mengen zu erbringen. Wenn der Auftrag spät kommt, reicht das Abruflager nicht mehr. Denn in der Beschleunigung unserer Leistung sehen wir einen klaren Standortvorteil unseres Unternehmens im Vergleich zum Wettbewerb. Wir nennen das die atmende Fabrik.

Haustex: Klingt interessant.

Moser: Wir haben mit unseren Mitarbeitern Arbeitsverträge abgeschlossen, die es erlauben, in der Produktion von einer Vier-Tage-Woche schnell bis auf eine Sieben-Tage-Woche rund um die Uhr umstellen. Außerdem können wir die Mitarbeiter in der Autosparte durch ihre langjährige Schulung und Qualifikation auch im Matratzenbereich einsetzen. Das ermöglicht uns eine große Flexibilität in der Produktion. Mit den Blockaufträgen sorgen wir für eine gewisse Grundlast der Produktion und durch die atmende Fabrik können wir schnell auf zusätzliche Aufträge reagieren. Vier Tage die Woche haben wir im Matratzenbereich eigentlich noch nie gearbeitet.

Mattes: Im Heimtex-Bereich arbeiten wir im Prinzip seit dem Spätherbst über sieben Tage. Das zeigt, wie gefragt unsere Produkte derzeit sind.

Haustex: Woran liegt die hohe Auslastung? Profitieren Sie auch von den Produktionsproblemen des Wettbewerbs?

Mattes: Es ist immer die Summe der Dinge, welche die hohe Auslastung bewirken. Immer mehr Kunden begreifen unsere Qualität und damit ihren Kostenvorteil. Und dann scheiden natürlich auch Wettbewerber aus dem Markt aus, deren Umsatzpotenzial wir zumindest zum Teil absorbieren. Da ist schon mächtig etwas an Umsatz auf uns übergesprungen.

Moser: Gesamthaft sind wir gut unterwegs, und durch unsere Prozessoptimierung arbeiten wir auch kostendeckend. Daher wollen wir im Markt für Matratzenstoffe auch weiter vorangehen.

Haustex: Deutlich erkennbar war in Köln das große Angebot an Boxspringbetten. Hat der Trend, so er sich denn im Handel auch manifestiert, Auswirkungen auf Mattes & Ammann?

Keinath: Wenn mehr Boxspringbetten in der klassischen Form produziert werden würden, wäre das für uns ein Vorteil, weil dann ganz klar mehr Stoff darauf zu finden ist als auf einer klassischen Matratze. Ein Kunde in der Schweiz mit sehr hochwertigen Boxspringbetten verwendet beispielsweise doppelt so viel Stoff dafür.

Moser: Von der Produktentwicklung gesehen, erfordern Boxspringbetten keine anderen Bezugsstoffe als herkömmliche Matratzen. Spezielle Produkte für Boxspring habe ich zumindest noch nicht gesehen.

Haustex: Welche neuen Produkte hat Mattes & Ammann in seinem Produktportfolio und welche Funktionen haben sie?

Moser: Wir haben beispielsweise ein Produkt für Schwergewichtige entwickelt: Power Knit. Wenn die Bevölkerung immer schwerer wird, haben wir dafür ein gewisses Marktpotenzial gesehen. Wir arbeiten dabei mit Hochfest-Garnen aus der Automobil-Airbag-Industrie, so dass der Stoff extrem hohe Reißfestigkeiten aufweist. Das Produkt ist kein Gimmick, sondern es wurde tatsächlich mit sehr hochleistungsfähigen Garnen ein Produkt geschaffen, das auch Prüfungen im Labor standhält. Das zweite Produkt geht in Richtung Nachhaltigkeit und enthält Leinenanteile. Leinen weist eine hervorragende Ökobilanz auf, da es in Europa wächst, hier verarbeitet wird und daher nicht quer über den Erdball transportiert werden muss. Umgerechnet auf Transport-Kilometer weist Leinen die insgesamt niedrigsten Werte gegenüber allen anderen unserer Garne auf. Beim Spinnprozess haben wir Leinen mit anderen Komponenten wie Lyocell und Baumwolle ausgesponnen, so dass das Garn später in der textilen Fläche einen sehr weichen Griff hat. Wer bei den Produkten auf nachwachsende Rohstoffe Wert legt, ist hier an der richtigen Adresse. Bei Aero-Star sind wir noch mitten in der Entwicklung. Dabei handelt es sich um ein Abstandsgestrick, das wir Mitte dieses Jahres auf den Markt bringen werden. Es ist ein extrem luftdurchlässiges und sehr weiches Textil, und es wird eine starke dreidimensionale Oberfläche und Kontrolliertheit haben. Auch die hohe Luftdurchlässigkeit können wir getreu unserer Firmenphilosophie durch entsprechende Testergebnisse belegen. Im Prinzip wird der Konsument auf einem Luftpolster schlafen.

Haustex: Was unterscheidet das Abstandsgestrick von den bekannten Abstandsgewirken?

Moser: Es ist auch elastisch, hat aber nicht mehr den harten Warengriff.

Mattes: Dieses Produkt wirkt durch seine Konstruktion. Unsere Profession des Strickens und Wirkens wird in ihrer Kompetenz dort eingebracht, denn da muss ein Stricker schon mal zeigen, was er wirklich kann. Die permanente Entwicklung und die zur Stunde stattfindende Entwicklungsexplosion im Hause Mattes & Ammann bringt auf den verschiedenen Ebenen neue Optiken, aber wird auch neue Funktionen geben. Derzeit laufen von uns mehr als 25 Entwicklungen von größerer Tragweite.

Haustex: Warum auf einmal diese großen Anstrengungen, neue Produkte zu entwickeln?

Moser: Wie vorhin schon erwähnt, laufen Klimastepp und Verbundstoffe inzwischen so flächig, dass wir intensiv an Qualitäten arbeiten, die diese Technologien ablösen sollen. Wir haben ganz innovative Ansätze, die dazu führen sollen, dass neue Warenqualitäten am Markt etabliert werden können. Sie sollen Klimastepp zwar nicht ersetzen, aber eine interessante Alternative dazu bieten. Alle Entwicklungen basieren auf der Weiterentwicklung der Maschentechnologie, wir arbeiten dabei nicht mit Additiven oder anderen Zukäufen.

Haustex: Mit Fabric Vision wagen Sie ja bereits Neues bei Matratzenbezügen. Wie reagieren die Kunden darauf?

Mattes: Fabric Vision ist für uns zur Stunde ein Erfolgsbaustein. Die Kundschaft freut sich über die Kreativität sowie auch über das Einbinden der Stoffe in Optik und Farbe in Gesamtthemenbereiche. Es ist entschieden: 2012/13 wird es eine neue Fabric Vision geben. Ich denke, das sagt alles zu diesem Thema, denn man wiederholt ja nichts, das keinen Erfolg gehabt hat, oder?

Haustex: Die Baumwollpreise haben sich inzwischen wieder weitgehend normalisiert. Wie sind Sie mit den explodierenden Rohstoffpreisen umgegangen und haben Sie daraus für die Zukunft neue Strategien entwickelt?

Mattes: Also, in unseren Augen irren Sie. Die Rohstoffpreise fallen, erklärt uns zwar die Welt, nur bei uns kommen diese niedrigeren Preise nicht an. Sie sprechen von Weltmarktpreisen oder dem Liverpool Index, aber der Index befindet sich nicht in unserer Strickerei. Vielmehr ist es so, dass es große Zeitversätze am Markt in den Mengen und in den Preisen gibt, so dass wir froh sein wollen, wenn es sich im zweiten Halbjahr bei uns niederschlägt. Auch dann ist nicht eine Preissenkung unsererseits die Folge, sondern zuerst einmal der Versuch einer geringfügigen Erholung, um wenigstens ansatzweise in Richtung früherer und vergleichbarer Kalkulationen zu kommen. Die Rohstoffe für den Matratzenbereich werden weltweit gesourced, so auch bei Mattes & Ammann - die Einkaufsmöglichkeiten an sich dürfen als im hohen Maße ausgereizt angesehen werden.

Moser: Im Vergleich zu den Baumwollpreisen 2008 sind wir auch jetzt noch auf einem viel höheren Niveau als damals.

Haustex: Aber damals waren die Preise auch auf einem für die Anbieter schlechten Niveau. Zu dem Preis würde heute wohl keiner mehr Baumwolle anbauen wollen.

Moser: Unsere Verkaufspreise sind aber zum Teil noch auf der Basis von 2008, trotz deutlich gestiegener Rohstoffpreise.

Haustex: Thema Nachhaltigkeit. Baumwolle und Umweltfreundlichkeit widersprechen sich zum Teil. Wie reagieren Sie auf das weiter an Bedeutung gewinnende Thema?

Moser: Baumwolle ist ganz sicher eine Naturfaser und angenehm. Die Weltbevölkerung wird in den nächsten Jahren nochmals sprunghaft steigen, bedeutend schneller als die letzten 100 Jahre, in denen sie auf über sechs Milliarden zugenommen hat. Diese Menschen, die immer schneller immer mehr werden, mit Baumwollkleidung anzuziehen, wird nicht gehen, da auf der Welt die Landflächen ausgehen, aber vor allem dort, wo Baumwolle gepflanzt wird, dann auch viel Wasser notwendig ist und dieses ist oft in diesen Regionen bereits heute ein kostbares Gut. Die Baumwolle wird auf Sicht gesehen ihre Position verlieren und ersetzt werden von anderen Naturprodukten, und wir haben hier insbesondere das in Europa beheimatete Leinen bereits in Umsetzung. Darüber hinaus gibt es ein Forschungsprojekt der Firma Mattes & Ammann mit einer Anbaufläche von etwa einem Hektar Fläche, wo wir beginnen werden, aus der Natur über die Industrie hin zu Garn, Stoff und einem Endprodukt zu kommen. Lassen Sie sich überraschen.

Haustex: Handelt es sich dabei auch um Flachs?

Moser: Das sagen wir nicht, zumindest jetzt noch nicht.


Mattes & Ammann in Kürze


Mattes & Ammann KG Fabriken feiner Maschenstoffe
Brühlstraße 8
D-72469 Meßstetten-Tieringen
Tel.: 0 74 36 / 877-0
Fax: 0 74 36 / 18 95
E-Mail: info@mattesammann.de
Internet: www.mattesammann.de

Geschäftsführender Gesellschafter: Christoph Larsen-Mattes

Gesamtumsatz 2011: Rund 61,5 Mill. Euro

Exportquote: Rund 30 Prozent

Mitarbeiterzahl: rund 300

Produktionsstandort: allein in Meßstetten

Produktion: 50 bis 60 Millionen qm Strick- und Wirkwaren

belieferte Branchen: Matratzenindustrie, Automobilindustrie, Bekleidungsindustrie, Bahn, Elektronik, Medizin, Kunststoff, Hygienebereich.
aus Haustex 04/12 (Wirtschaft)