Interview mit Dr. H. Werner Utz, Vorstandsvorsitzender der Uzin Utz AG

"Der Boden trägt Emotionen in sich"


Mit dem Projekt "Die Zukunft unter uns" hat Uzin bewusst Neuland betreten. Der Initiator und Vorstandsvorsitzende Dr. H. Werner Utz spricht in einem ersten Fazit über Motivation, Lerneffekte und Möglichkeiten zur Umsetzung der Zukunftsvisionen.

BTH Heimtex: Mit dem Projekt "Die Zukunft unter uns" wollen sie die Aufmerksamkeit auf den Boden richten und der Branche neue Impulse geben. Ist Ihnen das gelungen?

Dr. H. Werner Utz: Ziel des Projektes ist es, den Boden bei Designern, Gestaltern und Architekten in den Blickpunkt zu rücken und anzuregen, über ihn und seine Bedeutung im Raum nachzudenken. Wir wollen dem Boden einfach mehr Emotion geben. Gerade während unserer Ausstellung auf der Domotex haben wir unser Publikum gefunden und interessante Kontakte geknüpft.

BTH Heimtex: Was haben Sie im Verlauf der Planung und Umsetzung des Projektes gelernt?

Dr. Utz: Uns war anfangs nicht bewusst, dass Boden Emotionen in sich trägt. Lenkt man erst einmal den Blick auf ihn, eröffnen sich viele Facetten. Neben den nüchternen Funktionen - wie beispielsweise Tragfähigkeit - kann der Boden auch emotionale Bedürfnisse befriedigen und zu unserem Wohlbefinden beitragen. Dieses Ergebnis widerspricht der vorherrschenden Meinung, dass der Preis pro Quadratmeter bei der Entscheidung für oder gegen einen Boden im Vordergrund stünde.

BTH Heimtex: Welche Trends zeigt das Projekt für den Boden der Zukunft?

Dr. Utz: Es zeichnen sich zwei Tendenzen ab. Zum einen wird der Boden in Zukunft funktionaler Diener des Menschen sein. Das heißt, er wird uns mehr im Alltag unterstützen. Wir werden den Boden entsprechend unseren Wünschen und Ansprüchen anpassen, einstellen und formen können: ob weich, hart, leicht federnd, warm oder kühl. Der Boden wird Funktionen übernehmen, beispielsweise Energie speichern und liefern. Denkbar ist auch, dass wir zukünftig über einen Touchscreen im Boden seine Funktionen individuell einstellen können.

Andererseits wird er seine eindimensionale Starrheit verlieren, formbar sein und leichter. Hierfür sind neue Materialien notwendig beziehungsweise bekannte Materialien bekommen in der Zukunft eine neue Bedeutung.

BTH Heimtex: Welches der sieben Exponate in der Ausstellung ließe sich aus technischer Sicht und vor dem Hintergrund des tatsächlichen Bedarfs am ehesten zur Marktreife führen?

Dr. Utz: "Der mobile Boden" von Prof. Gengnagel und seinem Team sowie das Projekt "Superminimal" von Chris Lefteri (beide werden in den kommenden Ausgaben von BTH Heimtex ausführlich vorgestellt, Anmerkung der Redaktion) haben die größten Chancen und auch Ansatzpunkte. Gemeinsam ist beiden Visionen die Leichtbauweise. Das heißt, beide Projekte schaffen aus der bisher starren und schweren Bodenkonstruktion ein leichtes Bodenelement. Dabei greifen sie auf bestehende Materialien zurück und setzen diese neu ein.

Das Spannende am Projekt vom Team Gengnagel ist die Flexibilität des Bodens. Durch eine flexible und ultraleichte Konstruktion wird er individuell formbar und mobil.

BTH Heimtex: Wo liegen die Herausforderungen für den Boden der Zukunft?

Dr. Utz: Ganz sicher darin, den gesamten Boden - von der Rohbetondecke bis zum Oberbelag - als einheitliches Gestaltungssystem zu begreifen. Wir dürfen den Boden nicht länger in seinen einzelnen Bestandteilen und Gewerken am Bau betrachten. Ähnlich wie es heute beim Dach schon der Fall ist, muss der Boden im Gesamten gedacht werden.

BTH Heimtex: Was sagt die Branche zur "Zukunft unter uns"?

Dr. Utz: Es braucht Zeit, sich mit dem Projekt im Ganzen zu beschäftigen und dessen Dimensionen zu begreifen. Diejenigen, die sich darauf eingelassen haben, sind begeistert und gratulieren: Einmal uns für den Mut, ein solches Projekt auf die Beine zu stellen. Und dann den Entwicklern für deren zukunftsweisende Visionen.
aus BTH Heimtex 06/12 (Wirtschaft)