Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie: Interview mit Bernd Kout und Martin Auerbach

"Wir haben die Bedürfnisse unserer Mitglieder stets im Fokus"

Seit 2009 ist Martin Auerbach Geschäftsführer des Heimtex-Verbandes. 2010 wurde Gebr. Munzert-Geschäftsführer Bernd Kout zum Vorsitzenden gewählt. BTH Heimtex-Redakteurin Birgit Genz sprach mit beiden über die Entwicklung, die der Verband seither genommen hat, das erweiterte Dienstleistungsangebot für Mitglieder und die Herausforderungen für die Branche.

Die Verbandslandschaft in der deutschen Textilbranche ist vielschichtig und auch für Branchenkenner nicht immer auf den ersten Blick zu durchschauen. Neben Einkaufsverbänden spielen auch die Interessenvertreter der einzelnen Produktions- und Absatzstufen eine Rolle. Die Hersteller von Textilien haben sich ebenso organisiert wie die Unternehmen der Textilveredelung oder des Textilhandels. Die Hersteller von Heimtextilien haben ihre Heimat im Verband der deutschen Heimtextilien-Industrie (VDHI), der sich als Fachverband bundesweit um die Belange seiner Mitglieder kümmert. Anders als bei Landesverbänden, bei denen arbeitsrechtliche Themen im Vordergrund stehen, erbringt der VDHI Dienstleistungen in verschiedenen Bereichen, vertritt die Interessen der Mitglieder und der Branche auf nationaler und internationaler Ebene und bietet die Plattform für Kontakte. Geführt wird der Verband vom Vorstandsvorsitzenden Bernd Kout und Geschäftsführer Martin Auerbach.

BTH Heimtex: Herr Auerbach, im Dezember 2009 kam Ihr Wechsel in die VDHI-Geschäftsführung für viele sehr überraschend. Sie haben von Anfang an Ihre Rolle aktiv angenommen, früh den Kontakt zur Fachpresse gesucht und auch über Ihre Pläne gesprochen. Was haben Sie sich damals vorgenommen und was davon konnten Sie umsetzen?

Martin Auerbach: In der Tat kam auch für mich die Herausforderung sehr überraschend, aber ich habe sie gerne angenommen. Die damalige Situation war nicht einfach, denn der Verband hatte über die Jahre schleichend Mitglieder sowie an Bekanntheit und auch an Bedeutung verloren. Eines meiner Ziele war es daher, den VDHI mit seiner Leistungsfähigkeit wieder in den Fokus der Industrie und der Branche zu rücken. Gerade in der ersten Zeit habe ich viele viele Klinken geputzt und mit viel Geduld die persönlichen Gespräche gesucht. Mittlerweile kann ich sagen, dass ich mein Ziel erreicht habe. Nur noch selten muss ich Branchenteilnehmern erläutern, was wir machen und worin der Vorteil einer Mitgliedschaft bei uns besteht.

Darüber hinaus wollte ich interne Abläufe und Strukturen verbessern. Als erste Maßnahme habe ich unseren Rundschreibendienst von Post auf E-Mail umgestellt. Das stellte sich zwar schnell als aufwändiger heraus als gedacht, führt aber langfristig zu einer Vereinfachung und auch zu klaren Einsparungen. Durch eine teilweise neue Aufgabenverteilung konnten wir zudem verborgene personelle Kompetenzen freisetzen.

Auch wenn wir mit unseren Maßnahmen relativ schnell an Profil gewinnen konnten, gestaltete sich die Werbung neuer Mitglieder doch zäher als erhofft. Zwar haben wir trotz einiger Insolvenzen die Zahl der Mitglieder gegenüber 2009 erhöhen können, aber ich bin mit der Entwicklung in diesem Bereich noch nicht ganz zufrieden.

Bernd Kout: Wenn wir uns den Zeitraum anschauen, in dem wir verschiedene Dinge erreicht haben, können wir aus meiner Sicht sehr zufrieden sein. Wenn ich auf einer Messe von Branchenkollegen, die nicht bei uns organisiert sind, auf unseren Verband angesprochen werde, zeigt dies, dass die Unternehmens uns wahrnehmen und sich mit uns beschäftigen. In den Zeiten, in denen das Geschäft schwieriger wird, bietet es einfach Vorteile, sich zum Beispiel mit rechtlichen Fragen an einen zuverlässigen und branchenversierten Partner wenden zu können.

Gerade für kleine Webereien sind wir prädestiniert, ihnen kompetent Hilfe zu geben. Ob es um Verträge geht, um Geheimhaltungsvereinbarungen - alles wird 100 %-ig vertraulich behandelt, und man ist beim Verband in sehr kompetenten Händen.

Heute ist es doch so: Weniger Mitarbeiter müssen mehr Aufgaben bewältigen. Unsere mittelständisch geprägte Industrie kann sich den Luxus einfach nicht mehr leisten, auf jedes Thema einen eigenen Mitarbeiter anzusetzen. Darum haben wir mit dem Verband zum Beispiel auch das Thema Arbeitssicherheit besetzt. Mit Rundschreiben halten wir die Mitglieder über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden. Bei Bedarf betreut unser Sicherheitsingenieur die Unternehmen auch vor Ort. Wer hier aus Zeit- oder Personalmangel nichts unternimmt, spielt russisches Roulette.

BTH Heimtex: Herr Kout, Sie sind in einer spannenden Phase zum Vorsitzenden des Verbandes gewählt worden. Die ehrenamtliche Arbeit für einen Industrie-Verband ist in einer Umbruchphase sicherlich noch einmal deutlich umfangreicher, als unter normalen Umständen. Wie schaffen Sie es, Ihren Job als Geschäftsführer eines Unternehmens mit Ihrer Position als Vorsitzender unter einen Hut zu bekommen?

Kout: In Wuppertal kann ich auf ein hervorragend eingespieltes Team zurückgreifen. Wir haben hier kompetente Spezialisten für verschiedene Themen, für fachgruppenspezifische Fragen und Aufgabenfelder. Die Themen, die wir besprechen, werden zuverlässig umgesetzt. Viele Vorschläge - sei es zu Verbesserungen oder neuen Dienstleistungen - kommen direkt aus der Geschäftsstelle und sind gut vorbereitet, so dass der Vorstand und ich hier schnell entscheiden können.

Aber natürlich gibt es in der Umbruchphase auch immer wieder Themen, die auch im Vorstand kontrovers diskutiert werden. Mit kurzen Kommunikationswegen und einem gegenseitigen Verständnis lassen sich aber selbst solche Probleme zeitnah lösen.

Meine ehrenamtliche Tätigkeit, die ich sehr ernst nehme, nimmt meine Zeit natürlich in Anspruch. Aber die Arbeit gibt mir auch viel zurück - ich mache sie einfach gerne.

BTH Heimtex: Verbandsvertreter sind regelmäßig auf den nationalen und internationalen Messen für Heimtextilien anzutreffen. Am ersten Septemberwochenende konnte man Frau Schmidt-Zock und Sie, Herr Auerbach, auf der Messe Comfortex antreffen. Hier scheint sich das Vorurteil zu bestätigen, dass Verbandsvertreter gerne reisen.

Auerbach: Die Beobachtung der Messelandschaft ist für uns als Branchenverband eine wichtige Aufgabe. Dass wir nun zu zweit auf einer Regionalmesse waren, hat einen ganz einfachen Hintergrund: Frau Schmidt-Zock hat 2010 das Ressort Messen übernommen, das vorher im Verantwortungsbereich des Geschäftsführers lag. Dieser Schritt hatte sich damals logisch aufgedrängt, da Frau Schmidt-Zock im Gegensatz zu mir bereits viele In- und Auslandsmessen kannte. Da wir die Comfortex aber beide noch nicht gesehen hatten, haben wir die Gelegenheit genutzt und gleichzeitig die dort ausstellenden Mitgliedsunternehmen besucht. Und dies an einem Samstag - also eher Einsatz, als Reiselust.

BTH Heimtex: Wie war Ihr Eindruck von der Messe?

Auerbach: Das noch recht junge Messegelände in Leipzig ist wirklich schön gestaltet. Der Bereich Heimtextilien belegt hier allerdings nur eine Halle. Wir können lediglich von dem Samstag berichten, der etwas verhalten begonnen hatte. Später füllte sich die Halle dann. Die teilweise versetzt angeordneten Stände führten aber bisweilen dazu, dass die Besucherströme nicht immer ungehindert fließen konnten.

BTH Heimtex: Im November diesen Jahres treffen sich die Verbandsmitglieder wieder in Wuppertal zur Jahrestagung. Wird die Veranstaltung dort zu einer festen Einrichtung?

Kout: Es ist in der Tat ein charmanter Gedanke, eine Veranstaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt wiederkehrend am selben Ort durchzuführen. So könnte sich jeder auf den Termin einstellen und ihn im voraus einplanen. Tatsächlich haben wir bereits im Vorstand darüber diskutiert, in welcher Form zukünftig die Mitgliederversammlungen abgehalten werden können und sollten.

Für dieses Jahr haben wir uns noch einmal für Wuppertal entschieden, da das Konzept 2010 bei den Mitgliedern sehr gut angekommen ist. Wir werden neben den Fachgruppen- und Gremiensitzungen die Möglichkeit haben, uns im Rahmen einer festlichen Abendveranstaltung untereinander und mit Gästen intensiv auszutauschen. In welcher Form, wo und wann wir unsere Jahrestagung 2014 abhalten werden, wird zu gegebener Zeit besprochen und entschieden werden.

BTH Heimtex: Wie wollen Sie auch in der Zukunft den Verband attraktiv für seine Mitglieder halten?

Auerbach: Indem wir das hohe Niveau aufrecht erhalten, die Bedürfnisse der Mitglieder stets im Fokus behalten und bei Bedarf z.B. mit neuen Dienstleistungen oder Maßnahmen auf nationaler oder internationaler Ebene schnell reagieren. Darüber hinaus müssen wir den Verband und seine Strukturen oder die Einbettung in die Verbandslandschaft in regelmäßigen Abständen immer wieder hinterfragen und auch dort flexibel bleiben, um auf die Entwicklungen der Branche zeitnah reagieren zu können.

BTH Heimtex: Haben Sie dazu Beispiele?

Kout: Die Textilindustrie bewegt ganz aktuell das Thema Energiekosten. Die Belastung der deutschen Industrie etwa durch die EEG-Umlage führt zu einem klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischen Herstellern. So liegt in Frankreich der durchschnittliche Strompreis fast 50 % unter dem deutschen. In einer gemeinsamen Aktion mit anderen Fach- und Landesverbänden haben wir es geschafft, die Textilindustrie in die Nachrichten und die Politik zu bekommen.

Egal, was jetzt bei der Energiediskussion in Berlin herauskommt, Sachstand ist derzeit: Wenn wir nicht innerhalb von zwei Jahren ein Energiemanagementsystem nachweisen können, dann kriegen wir auch die Stromsteuer nicht zurückerstattet. Und das ist mittlerweile ein ordentlicher Batzen. Die bisherigen Regularien sollen geändert werden. Und es ist natürlich auch Zeit darüber nachzudenken, wo wir Energie einsparen und effizienter arbeiten können. Als Verband werden wir den Mitgliedern zeitnah ein Werkzeug anbieten, mit dem spürbare Energieeinsparungen zu erzielen sind.

Ganz neu ist auf unserer Webseite www.heimtex.de das Jobportal. Hier bieten wir unseren Mitgliedern die Möglichkeit, ihre Stellenangebote zu veröffentlichen. Darüber hinaus werden sie bald Unterstützung bei kleineren PR-Texten oder -maßnahmen bekommen und dies zu einem sehr attraktiven Preis. Einzelheiten hierzu werden wir den Mitgliedern ebenfalls noch in diesem Jahr mitteilen.

Auerbach: Was unsere strukturelle Aufstellung und Kompetenz in der Verbandsarbeit anbelangt, war diese so attraktiv, dass wir für einen anderen Verband ab kommendem Jahr dessen Geschäftsstelle führen. Die Rede ist vom ViS - Verband innenliegender Sicht- und Sonnenschutz. Die Entscheidung zu dieser verstärkten Kooperation führt unter anderem über die Bündelung textiler Kompetenzen für den ViS und uns zu der klassischen Win-Win-Situation.
aus BTH Heimtex 10/12 (Wirtschaft)