Chini in Freudenstadt: Vom Ein-Mann-Betrieb zur mittelständischen Firma

Start mit Terrazzoböden anno 1913

Chini Fliesen- und Fussbodenbau in Freudenstadt ist seit der Gründung vor 100 Jahren im Familienbesitz. Das bundesweit aktive Unternehmen hat sich als erfolgreicher Hersteller und Verleger von Magnesiaestrich einen Namen gemacht.

Alexander Chini kam 1913 aus Italien in den Schwarzwald, um Terrazzo-Bodenplatten und Waschtische zu verkaufen. Die Familie des damals 35-jährigen Auswanderers war für die Verarbeitung von Keramik im toskanischen Mugello bekannt, einem Landstrich nördlich von Florenz. Der mutige Gründer startete als Ein-Mann-Betrieb in Freudenstadt und stellte den traditionellen Umgang und die Gestaltung mit Natursteinen in den Mittelpunkt seiner Geschäftstätigkeit. Die italienischen Terrazzoarbeiten und Mosaike in zeitgenössischer Stilprägung gefielen der deutschen Kundschaft, so dass die kleine Firma rasch wuchs.

Nach dem zweiten Weltkrieg stieg der Sohn Alfred Chini in den Handwerksbetrieb ein und baute diesen in der Folgezeit weiter aus. Der Steinholzlegermeister und Fliesenleger konzentrierte sich fortan auf die Entwicklung von Fußböden. Nach einer von ihm erfundenen Rezeptur entstand der Steinholz-estrich, der heute als sogenannter Bio-Estrich unter dem Namen Chinotherm vermarktet wird. Parallel folgte die Entwicklung des fugenlosen Industriebodens Chinolith.

Zweites Standbein Fliesen


In den 1950er-Jahren wurde als zweites Standbein die Fliesen-Sparte etabliert, die mit Keramik-, Feinsteinzeug-, Zementplatten- und Naturstein-Arbeiten aktuell rund 40 % zum Gesamtumsatz beisteuert. Der Fliesenbau präsentiert sich am Firmensitz mit der Ausstellung "Wohnsache".

Als spezialisierter Hersteller und Verleger von Magnesiaestrich zählt sich Chini zu den führenden Fachunternehmen der Branche. Die mittelständische Firma agiert mit 30 Mitarbeitern und 20 Partnerbetrieben im gesamten Bundesgebiet sowie im angrenzenden Ausland. Das Firmenmotto "Stark in Fliesen und Böden" ist für Alexander Chini jr. Verpflichtung und Ansporn zugleich. Der Betriebswirt des Handwerks, Estrichlegermeister und Fliesenleger leitet als Geschäftsführer in dritter Generation den Familienbetrieb, gemeinsam mit Vater Alfred Chini. Der aktive 90-jährige Seniorchef ist noch jeden Tag im Unternehmen präsent. Als ehemaliger Vorsitzender des Bundesverbandes Estrich und Belag (BEB) sowie BEB-Ehrenpräsident setzte er als Visionär die Tradition mit neuen Produkten fort und gab Denkanstöße für ein gewerkübergreifendes Handeln.
Erfolgreich mit
Magnesiaestrich

Mit dem Spezialgebiet Magnesiaestrich besetzt Chini eine Nische. "Es gibt nur vier Firmen in Deutschland, die damit arbeiten", erklärt Alexander Chini. Das Prinzip, Komplettlösungen für die Altbausanierung oder ökologische Neubaukonzepte anzubieten, fiel buchstäblich auf fruchtbaren Boden. "Unsere Kunden schätzen die ausführliche Beratung und das umfassende Know-how aus einer Hand", betont der 55-jährige Firmenchef. Die bundesweiten Baustellen werden von der Zentrale in Freudenstadt gesteuert. Vier Bauleiter kümmern sich vor Ort um die Aufträge. Insgesamt halten sich dabei Privatkunden und Bauträger "die Waage". Positive Synergieeffekte ergeben sich aus dem Zusammenspiel der beiden Segmente Fliesen und Fußbodenbau. Hier würden die Aufträge häufig kombiniert, heißt es.

Eigenentwicklung Industrieboden Chinolith


Der fugenlose Industrieboden Chinolith basiert auf eigenen Rezepturen, die in Textur und Farbe kontinuierlich verbessert und ergänzt wurden. Das zertifizierte Güteschutzerzeugnis wird in der Werksanlage produziert und vom Labor überwacht. "Unser Industrieestrich ist durch das hervorragende Verhältnis von Biegezugfestigkeit zur Druckhärte fast unverwüstlich", bringen die Inhaber die Vorteile auf den Punkt. In der von Alfred Chini konzipierten Dosieranlage werden Materialien gemischt, gewichtsgenau abgepackt und palettiert. Alle Grundstoffe lagern in Silos und wurden früher mit Eisenbahnwagons transportiert. Seit Stilllegung der Bahnlinie in Freudenstadt befördern Speditionen oder Firmenfahrzeuge die Sackware zum jeweiligen Einsatzort.

Das Chinolith-Materialgemisch wird auf den Baustellen mittels Spezialeinrichtungen aufbereitet und fugenlos verlegt. Der Vertrieb und die Verarbeitung erfolgt durch die eigene Mannschaft oder Vertragspartner in ganz Europa. Auf der Referenzliste von Chinolith Industrieböden stehen Konzerne wie Audi, BMW und Daimler, Bosch, Fissler, Philip Morris, Hans Grohe und ZF Sachs.

Steinholzboden im Wohnbau


Den Wohnbausektor bedient der magnesiagebundene Bio-Estrich Chinotherm, ein weiterentwickelter Steinholzboden ohne chemische Zusatzstoffe. Das Güteschutzprodukt wurde mit der IHK-Umweltmünze ausgezeichnet. Aufgrund der guten Wärmespeichereigenschaften empfiehlt der Hersteller Chinotherm zum Beispiel als Heizestrich in Energiesparhäusern.

Im Laufe von 100 Jahren musste das aufwärtsstrebende Traditionsunternehmen auch so manche Hürde überwinden. Ein aktuelles Problem sei der "unverständliche" Wegfall der Meisterpflicht. Die Nachfrage nach "viel und billig" mache auch vor Chini nicht Halt. "Durch konsequentes Festhalten an qualitätsbestimmter Arbeit haben wir die Krise überwunden", meint die Geschäftsführung. Auch die Nachfolge gilt als gesichert. Der frischgebackene Estrichleger-Geselle Alessio Chini will in 4. Generation in die Fußstapfen von Vater, Groß- und Urgroßvater treten. Zuerst einmal steht aber der Besuch der Meisterschule im Herbst an.

2013: 100-jähriges Jubiläum


Anlässlich des 100-jährigen Firmenjubiläums ist eine Feier mit den Mitarbeitern geplant. Zudem will die Geschäftsführung mit einer Spende den Flutopfern helfen.
Petra Lepp-Arnold
aus FussbodenTechnik 05/13 (Wirtschaft)