Zur Lage im Bettenmarkt

Die Verantwortlichen müssen endlich ihre Hausaufgaben machen

Wieder mal deftige Flaute im deutschen Bettenmarkt. Das Handels-Minus - quer durch alle Vertriebskanäle - trifft die nicht exportierende Industrie genauso. Positive Ausreißer bestätigen nur die Regel. Wie immer großes Schulterzucken, woran es denn diesmal wieder liegt. Die Analyse ist nicht schwierig. Es wird nur Zeit, dass kritisch in den Spiegel geschaut wird, die existierenden Fakten wahrgenommen werden und das verbreitete Klopfen auf die eigene Schulter aufhört. Und dass die verantwortlichen Manager in Handel, Verbänden und Industrie endlich ihre Hausaufgaben vernünftig machen. Die Flaute ist hausgemacht. Umsteuern ist nötig und möglich.

Verbraucher haben kein Geld fürs Bett

Der Anteil des Einzelhandelsumsatzes am privaten Konsum sank von über 35 Prozent im Jahre 1995 stetig auf nur noch rund 29 Prozent heute. Steigende Ausgaben für Wohnung, Energie, Gesundheits- und Altersfürsorge, Kommunikationskosten und Urlaub haben die Reserven für einzelhandels-relevante Ausgaben aufgezehrt. Der Bettenmarkt gehört zu den großen Verlierern. Er stagniert in den letzten Jahren oder ist rückläufig. Die Durchschnittspreise verfallen. Aus der Sicht der Verbraucher unattraktive Produkte und Dienstleistungen, Informationsdefizite, unverständliches Fach-Kauderwelsch, fehlende Innovationen, keine Wahrnehmung der wirklichen Bedürfnisse: Die Bettenbranche braucht sich nicht zu wundern. Die Schmerzgrenze ist erreicht. Da sind Hausaufgaben zu machen im Verdrängungsmarkt.

Ums Schlafen geht es - nicht ums Bett

Wie man besser schläft, was die Schlafforschung alles herausfindet, was sich so in den Schlafzimmern abspielt - das findet seit einiger Zeit immer größeren Widerhall in Tageszeitungen und Publikumspresse. Wie würdigt das die Branche? Sie bietet weiter ein Kopfkissen an in 80/80 cm, Qualität 90/10 und zum Sonderpreis. Damit bleibt es - mit ausschlaggebend für guten Schlaf - auf der Wahrnehmungsstufe eines Kochlöffels, der ersetzt wird, wenn er kaputtgegangen ist. Der Verbraucher muss über den Schlaf gefangen werden, nicht übers Bett. Gut Schlafen ist das Thema, das Bett ist das wichtigste Hilfsmittel dazu.

Gemeinschaftswerbung "Schlafen" muss her

Fünf Interessenverbände vertreten die Betten-, Bettwaren-, Bettwäsche- und Matratzenindustrie, etwa 15 Einkaufsverbände kümmern sich (auch) ums Bett. Knapp 50 Key accounts des Handels spielen eine Rolle im Bettenmarkt. Wer hat denn da neben Statistiken und Preiskämpfen überhaupt noch die Verbraucher, ihre Bedürfnisse, ihre Kommunikationsmöglichkeiten im Visier? Wo gibt es denn in dieser klein karierten, selbstgefälligen, innovations- und beratungsresistenten Branche auch nur den Ansatz von Gesprächen über eine Gemeinschaftswerbung "Schlafen", die den Markt in Bewegung bringen könnte?

In unseren westlichen Nachbarländern hat eine über Jahre konsequente Gemeinschaftswerbung über den Wert guter Matratzen nachweislich zu einem bemerkenswerten Rückgang der durchschnittlichen Lagerdauer einer Matratze im Bett geführt. Und damit echte Umsatzreserven generiert. Aber in Deutschland steht eben an erster Stelle die Angst vor Trittbrettfahrern, die nicht mitbezahlen wollen, aber profitieren könnten. Bingo.

Sprache der Verbraucher sprechen - individuell

Es gibt nicht den genormten Schläfer oder Bettenbesitzer. Es gibt Junge und Alte, Allein- und Zusammenlebende, Kinder und Erwachsene, Dicke und Dünne, Kranke und Gesunde, Einheimische und Migranten, und, und, und. Wo treffen wir diese Vielfalt wieder? Wo finden sich Auslobungen und Argumente auf Verpackungen, in Prospekten, im Schaufenster, die auf die sensible Haut des älteren Menschen, auf die zunehmende Körpergröße von Jugendlichen, auf die Behebung von Schlafstörungen eingehen? Und dies in einer Sprache, die im heutigen Kommunikationsdschungel erkannt und verstanden wird?

Wer schlecht und zu wenig schläft, ist tendenziell dümmer, dicker, kränker und hat eine kürzere Lebenserwartung. Das beweist die Schlafforschung. Welcher Verbraucher wurde mit solchen Erkenntnissen und der Hilfe dagegen (!) schon konfrontiert?

Im Zuge immer stärkerer gesellschaftlicher Veränderungen - Alterspyramide, Lebensarbeitszeit, Einkommensverluste, verfügbares Einkommen - ist das Marketinggeschwätz vom Verlust der Mitte nicht mehr haltbar. Wer sich Premium-Produkte nicht (mehr) leisten kann oder mag, für den sind Produkte und Dienstleistungen aus der Mitte dann eben schon Premium-Ziele. Und für den Aufsteiger aus der Mitnahme-Ebene ist die Mitte des Markts ebenso Premium. Das Trading-up der Fach-Discounter spiegelt das ja wider. Wer hat ein Konzept für die Mitte?

Mehr Kooperation/mehr Geld für die Verbraucheransprache

Aktionen über Aktionen werden gestartet, natürlich nur noch fürs Bett, nicht fürs Schlafen - autonome Aktionen des Handels oder solche in Kooperation mit der Industrie. Meistens sind sie preisorientiert mit Auslobung von technischen Funktionen statt Wirkung und Gefühl. Dazu wird die zentrale Rolle der Verkäufer sträflich übersehen.

Intelligente Konzepte müssen her. Vielleicht sind Umschichtungen in den Marketingetats nötig, um Geld für eine verbesserte Verbraucheransprache freizubekommen. Im Zeichen zunehmender Haus- und Verbandsmessen muss für die Industrie sicher auch die herkömmliche Art der Messebeteiligung auf den Prüfstand, so lange es dafür keine Konzeptentwicklungen mit Zukunft gibt.

Der Bettenbranche in Deutschlang geht es zurzeit - mal wieder - nicht rosig. Wenn hier nicht bald neue Wege gegangen werden, dann wird diese Branche trotz Konjunkturanstiegs weiter bei den Verlierern bleiben. Die verantwortlichen Manager müssen endlich zu Ende denken und ihre Hausaufgaben machen, dabei bisher existierende Grenzen in Frage stellen und überwinden. Vom Bewahrer zum Agenten des Wandels: Der Maßnahmen-Katalog ist aufgeblättert. Es müsste sich lohnen.


To Do-List

Schlafen
Nur noch vom Schlaf sprechen, das Bett gehört dazu.

Appell
Gemeinschaftswerbung "Schlaf" initiieren. Ohne sie bewegt sich nichts.

Argumente
Gefühl, Wirkung, Gesundheit nach vorne - Technoquatsch eliminieren.

Preis
Preisunterscheide logisch erklären - Preiskämpfe werden stumpfe Waffen.

Trends
Entwicklungen in Gesellschaft, Umwelt und Lebensgewohnheiten beobachten und in Innovationen umsetzen.

Menschen
Auf die verschiedenen Zielgruppen/Ethnien eingehen - der türkische 2-Meter-Single tickt anders, als das wohlhabende Bestager-Paar.

Menschen
Die Verbraucher in klarer Sprache ansprechen. Wer zu wenig schläft, wird dicker, dümmer und kränker.
aus Haustex 08/07 (Handel)