Krise im Unternehmen

Augen auf und Weichen neu stellen


Augen zu und durch - nach diesem Motto wird in Unternehmen oft gehandelt, wenn diese in eine Krise geraten. Doch gerade dann gilt: "Augen auf und die Weichen neu stellen". Damit aus der Krise keine Katastrophe wird.

In der Chefetage des Unternehmens "Schaff-viel" geht es zu wie in einem Bienenschwarm. Die Führungskräfte eilen von einem Meeting zum nächsten und die Mitarbeiter ziehen den Kopf ein, um möglichst nichts von dem drohenden Gewitter abzubekommen. Die Ursache für die hektische Betriebsamkeit: Das neueste Quartalsergebnis liegt vor. Völlig unerwartet rutschte das Unternehmen in die roten Zahlen. Also eilen die Verantwortlichen von einem Meeting zum nächsten, um zu beraten, was sie in dieser vertrackten Situation tun könnten.

Effektiv ist ein solch hektisches Hin und Her meist nicht. Denn immer wieder steht die Frage im Raum: Wie konnte es so weit kommen? Und zumindest unausgesprochen: Wer ist daran schuld? Gerade in Krisenzeiten, wenn alle Verantwortlichen solidarisch handeln müssten, verstricken sie sich oft in wechselseitigen Schuldzuweisungen. Oder die Situation wird genutzt, um alte Rechnungen zu begleichen. Und die wenigsten spielen mit offenen Karten, denn jeder befürchtet: Wenn ich nicht aufpasse, stehe ich am Pranger.

Deshalb werden in Unternehmen Probleme, die zu Krisen führen könnten, oft auch nicht rechtzeitig benannt. Denn jeder befürchtet, wenn ich sage "Wir haben ein Problem", dann fallen alle anderen über mich her. "Wie können Sie das behaupten ..." "Wenn Sie die Sache so negativ angehen, dann ..." Also halten alle den Mund. Denn wer kassiert schon gerne (verbale) Prügel? Häufig werden in Unternehmen denn auch Probleme so lange kaschiert und verdrängt, bis es im Firmengebälk brennt - zum Beispiel, weil Großkunden Aufträge stornieren. Und an Projektzielen wird oft noch lange festgehalten, obwohl jeder bereits weiß: Diese Ziele erreichen wir nie und nimmer. Doch niemand wagt es, dies auszusprechen. Also wursteln alle wie gehabt weiter vor sich hin. Bis irgendwann zum Beispiel die Bank oder die ferne Zentrale die Reißleine zieht - weil bereits zu viel Zeit und Geld verschwendet wurde. Entsprechend wichtig ist es, in Unternehmen eine Struktur und Kultur zu schaffen, die es ermöglichen, Risiken und Probleme frühzeitig zu erkennen. Und diese auch zu benennen - ohne "bestraft" zu werden.

Gerät ein Unternehmen trotzdem in eine Krise, dann sollten sich die Verantwortlichen zunächst bewusst machen: Eine Krise kann man managen - wenn man einen kühlen Kopf bewahrt. Dies gelingt den Beteiligten in Krisensituationen aber oft nicht. Deshalb empfiehlt es sich in solchen Situationen zuweilen, einen neutralen Externen als Moderator ins Haus zu holen. Treffen sich dann die Verantwortlichen zur Krisensitzung, gilt es zunächst zu analysieren: Welche Handlungsoptionen haben wir in der aktuellen Situation? Meist sind diese zahlreicher als in der ersten Panik gedacht. Insbesondere, wenn auch Lösungen in Betracht gezogen werden, die bisher im Unternehmen tabu waren, weil sie dem gewohnten Vorgehen zuwiderlaufen. Oder weil sie Strukturen und Privilegien in Frage stellen. Oder weil sie auf den ersten Blick dem Selbstverständnis des Unternehmens widersprechen.

Wenn ein Unternehmen in einen Liquiditätsengpass gerät, kann zum Beispiel ein Lösungsansatz lauten: Wir verkaufen unsere offenen Forderungen an einen Factoring-Anbieter. Oder wir beleihen unsere Immobilie. Oder wir zahlen das Urlaubsgeld erst zwei Monate später aus. Oder noch einfacher: Wir überprüfen alle geplanten Anschaffungen daraufhin, wie dringlich und wichtig sie sind. So verschafft sich das Unternehmen zumindest etwas finanziellen Spielraum. Und bei Projekten, die kurz vor dem Scheitern stehen, können die Beteiligten überlegen: Welche Ziele müssen wir unbedingt erreichen? Und bei welchen können wir zeitliche Verzögerungen oder Qualitätsabstriche in Kauf nehmen?

Sind die Handlungsoptionen auf dem Tisch, gilt es diese zu bewerten - und zwar ausgehend von der Frage: Was hilft uns am ehesten weiter? Auch hier ist oft eine externe Moderation hilfreich. Denn häufig werden in Unternehmen Erfolg versprechende Lösungsansätze selbst in Krisensitzungen nicht ernsthaft erörtert - weil Anwesende dazu ihr Verhalten ändern oder auf Privilegien verzichten müssten. Entsprechend schnell werden die betreffenden Handlungsoptionen oft vom Tisch gefegt. Dann muss der neutrale Moderator sagen: "Stopp. Lasst uns mal darüber nachdenken, unter welchen Voraussetzungen diese Lösung doch realisiert werden könnte." Dann folgen oft Aussagen wie: "Wenn die Entscheidungsbefugnisse des Vertriebs erweitert würden." Oder: "Wenn die Vorgabe xy nicht mehr gelten würde."

Sind die Handlungsoptionen bewertet, gilt es zu entscheiden: Wir ergreifen folgende Maßnahmen ... Die Beteiligten sollten aber auch vereinbaren: Wer macht was bis wann? Und: Wann und wie überprüfen wir, ob die Maßnahmen die gewünschte Wirkung zeigen? Denn nur dann können sie rechtzeitig gegensteuern, wenn vereinbarte Maßnahmen sich teilweise als Flop erweisen. Ist die Krise behoben, sollten sich die Verantwortlichen nochmals zusammensetzen und die Fragen erörtern, die ihnen am Anfang so auf der Seele brannten: Wie kam es zu der Krise? Und: Wie hätte sie vermieden werden können? Denn jetzt können sie diese Fragen viel entspannter angehen. Deshalb erfolgen nun auch weniger Schuldzuweisungen - und weniger persönliche Verletzungen. Besprochen werden sollte bei dem Treffen auch, welches Vorgehen sich beim Bewältigen der Krise bewährt hat. Hieraus können dann die nötigen Schlüsse gezogen werden, damit das Unternehmen künftig von ähnlichen Krisen verschont bleibt.

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aus Haustex 09/07 (Handel)