EHI Retail Institute

Keine Entwarnung bei Inventurdifferenzen

Die Inventurdifferenzen im deutschen Einzelhandel erreichen knapp 3,9 Mrd. Euro, so das Ergebnis der aktuellen Studie des EHI Retail Institutes in Köln. Statistisch gesehen wird demnach jeder 200. Einkaufswagen nicht bezahlt. Oder anders ausgedrückt: Pro Haushalt werden jährlich Waren für mehr als 50 Euro in den Läden der Einzelhändler gestohlen. Das ist nicht nur zum Schaden des Einzelhandels. Dadurch entgehen dem Staat auch jedes Jahr rund 400 Mio. Euro Mehrwertsteuer.

Die gute Nachricht: Die Inventurdifferenzen sind erneut deutlich spürbar um durchschnittlich acht Prozent zurückgegangen. Gründe dafür sind verbesserte Warenwirtschaftssysteme, genauere Bestandskontrollen und gezielte Auswertungen. Dadurch kann der Handel Verluste frühzeitig erkennen und reagieren. Des Weiteren zeigen verstärkte präventive technische Maßnahmen und Mitarbeiterschulungen Erfolge. Dennoch: Die Bedrohung durch Ladendiebstahl erfordere weiterhin höchste Aufmerksamkeit, so das Institut. Mit jährlichen Investitionen von rund 1 Mrd. Euro in Präventiv- und Sicherungsmaßnahmen muss der Handel den Schutz seiner Waren nach wie vor teuer erkaufen.

"Gefühlte" Kriminalität im Handel steigt

Trotz des Rückgangs der Verluste schätzt der Handel die Kriminalität allgemein weiter als mittel bis hoch ein - mit steigender Tendenz. Im nächsten Jahr erwarten die Unternehmen in fast allen Bereichen eine Zunahme der Kriminalität. Der 'gewöhnliche" Kundendiebstahl durch verstärkte Sicherheitstechnik und Personalschulung scheint einigermaßen unter Kontrolle - auch wenn er laut EHI immer noch einen Hauptfaktor der Inventurdifferenzen darstellt. Aber insbesondere die organisierte Ladendiebstahlskriminalität bereitet dem Handel Sorgen. Eine weitere Forcierung von Präventivmaßnahmen wird zwingend erforderlich sein. Deutlich geringer dagegen werden die Gefahren durch Diebstahl und Betrug von eigenen Mitarbeitern eingeschätzt.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass über 20 Prozent der Unternehmen ihr Budget zur Reduzierung von Inventurdifferenzen im laufenden Jahr aufgestockt haben. Die "guten" Inventurergebnisse des vergangenen Jahres wurden also nicht als Anlass betrachtet, die Budgets zu kürzen. Insgesamt gibt der Einzelhandel rund 1 Mrd. Euro zur Reduzierung von Inventurdifferenzen aus. Demnach betragen die Kosten für Inventurdifferenzen und deren Vermeidung zusammen jährlich fast 5 Mrd. Euro.

Polizeiliche Kriminalstatistik täuscht

Nach den offiziellen Zahlen der gerade veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sind die angezeigten einfachen Ladendiebstähle 2006 nochmals um 5,4 Prozent gesunken, von knapp 453.000 auf nunmehr rund 428.500 Fälle. Die Einschätzungen des Handels zur aktuellen Kriminalitätslage stehen jedoch nach Angaben des Kölner Instituts im Gegensatz zur amtlichen Statistik. Denn Ladendiebstahlsanzeigen erfolgen zu einem hohen Prozentsatz durch Kaufhausdetektive und Sicherheitskräfte. Weniger Anzeigen bedeuteten aber lediglich, dass der Detektiveinsatz in den letzten Jahren reduziert wurde, schlussfolgert das EHI. Außerdem stehe weniger Personal zur Flächenbeaufsichtigung zur Verfügung. Gleichzeitig ist eine gewisse "Anzeigemüdigkeit" infolge geringer Bestrafungen eingetreten. Kosteneinsparungen und Budgetverschiebungen zu Gunsten präventiver Maßnahmen wie Kamera- und Videotechnik und Warensicherung führen zwangsläufig zu weniger Anzeigen. Die tatsächlichen Verluste durch Ladendiebstahl sind aber mit fast 2 Mrd. Euro unverändert hoch.

Bedeutung von Inventurverlusten wächst

Über 95 Prozent der vom EHI befragten Unternehmen messen Inventurdifferenzen im eigenen Unternehmen eine "mittlere" bis "große" Bedeutung zu. Im Vergleich 2006 zu 2005 konnte eine Verbesserung der durchschnittlichen Inventurdifferenzen im deutschen Einzelhandel von mehr als acht Prozent erzielt werden. Diese Tendenz trifft auf fast alle untersuchten Betriebsformen zu. Dennoch schmälert eine durchschnittliche Inventurdifferenz von knapp einem Prozent vom Bruttoumsatz - bewertet zu Verkaufspreisen - die Renditen im Einzelhandel erheblich. Nach Einschätzung der Untersuchungsteilnehmer verursachen Kunden 44 Prozent, Mitarbeiter 26 Prozent, Lieferanten und Servicekräfte zusammen rund 10 Prozent und organisatorische Mängel rund 20 Prozent der Verluste.
aus Haustex 09/07 (Handel)