Dr. Reinhold Rühl: Wie muss die Verlegung von Bodenbelägen aus der Sicht der BG aussehen?

Umgang mit Gefahrstoffen bei Boden- und Parkettlegern in der Zukunft

10 Jahre FussbodenTechnik sind ein guter Anlass, in die Zukunft zu blicken. Welche Entwicklungen gibt es beim Gefahrstoffeinsatz im Boden- und Parkettlegergewerbe? Was wünscht sich ein Arbeitsschützer der Berufsgenossenschaft Bau für die Zukunft? Der Zeitpunkt ist günstig für einen Ausblick. 2007 ist nicht nur der zehnjährige Geburtstag von FussbodenTechnik, sondern auch der Beginn einer neuen Ära im Chemikalienrecht. Seit 1. Juni 2007 gilt die europäische REACH-Verordnung, die dazu führen soll, dass wir mehr über die Stoffe wissen, mit denen wir täglich umgehen. Der Beitrag stellt den derzeitigen Stand des Einsatzes von Chemikalien bei Boden- und Parkettlegern dar und wagt einen Ausblick in die Zukunft.

Ein Beitrag von Dr. Reinhold Rühl

Der Boden- und Parkettleger muss Risse im Estrich verharzen, er verwendet Grundierungen und Spachtelmassen, setzt Vorstriche ein, klebt Bodenbeläge und Parkett und behandelt die Oberfläche der Holzböden. Zu all diesen Arbeitsgängen werden Chemikalien benötigt, die mehr oder weniger problematisch in Bezug auf den Gesundheitsschutz sein können. Bei der Rissverbrückung werden die unterschiedlichsten Systeme eingesetzt - u.a. auf Styrol- oder Epoxidharzbasis. Die Grundierung sind meist Dispersionen, auch zum Kleben von Bodenbelägen wird überwiegend Dispersionsklebstoff eingesetzt, im Parkettbereich noch immer zu viele stark lösemittelhaltige Klebstoffe. Zur Oberflächenbehandlung werden Öle und Wachse verwendet, weiterhin wird viel traditionell versiegelt, verstärkt mit Wassersiegeln.

Der Anfang der 90er Jahre mit der TKB entwickelte GISCODE wurde in ähnlicher Form inzwischen für fast alle Bereiche der Bauwirtschaft und des Reinigungsgewerbes übernommen. Wie Dr. Roland Krieger zu Recht kürzlich in einem Interview in der FussbodenTechnik feststellte, ist der GISCODE aus einem Konflikt zwischen TKB und GISBAU entstanden. Inzwischen gehört er zum Alltag der Boden- und Parkettleger. Man spricht nicht von Wasser- oder Dispersionsklebern, sondern von D1-Klebstoffen. Kaum jemand, der nicht weiß, dass beim Einsatz von S-Klebern, also der GISCODE-Gruppen S1 - S6, die Arbeitsplatzgrenzwerte überschritten sind und eigentlich Atemschutz getragen werden muss. Eigentlich, aber wer hat schon einmal Boden- oder Parkettleger mit Atemschutz gesehen? Daher werden immer wieder die Arbeiten auf entsprechenden Baustellen eingestellt, denn auch die Aufsichtsbeamten wissen um die Bedeutung des GISCODE. Merkwürdigerweise können diese Arbeiten regelmäßig am nächsten Tag mit D1-Klebstoffen fortgesetzt werden.

Aktuelle Entwicklungen

Der Trend zu lösemittelfreien, zumindest aber lösemittelärmeren Produkten ist auch im Boden- und Parkettlegerhandwerk nicht aufzuhalten. Die Zahl der Betriebe, die ohne Lösemittel auskommen, wächst - auch auf Druck der Kunden. Zwar gibt es noch immer Betriebe und Auftraggeber, die meinen, auf lösemittelhaltigen Produkte angewiesen zu sein (und dabei weder Lüftungs- noch Atemschutzmaßnahmen einkalkulieren oder einsetzen), aber ihre Zahl nimmt ab.

Eine Entwicklung, die daher durchaus kritisch gesehen werden kann, sind die so genannten "Aceton-Ethanol Klebstoffe". Sie sind stark lösemittelhaltig - aber die Arbeitsplatzgrenzwerte werden eingehalten. Die BG BAU ist hier pragmatisch nach dem Prinzip vorgegangen, dass 10 bis 15% Lösemittel besser sind wie 40%. Daher wurde mit GISCODE S0,5 eine neue GISCODE-Klasse geschaffen. Die einzige S-Klasse bei deren Anwendung die Arbeitsplatzgrenzwerte nicht überschritten werden. Wir hoffen, dass diese Produkte nur eine vorübergehende Erscheinung sind, bis auch die Fälle, in den einige Parkettleger der Meinung sind, auf stark lösemittelhaltige Klebstoffe noch nicht verzichten zu können, der Vergangenheit angehören.

Der GISCODE ist kein statisches Element, sondern entwickelt sich immer weiter. Dies zeigt sich auch an den SMP-Klebstoffen, für die eine neue GISCODE-Gruppe RS10 geschaffen wurde. Die bis jetzt vorliegenden Messungen beim Einsatz dieser Klebstoffe zeigen, dass die Konzentration des beim Einsatz der RS10-Klebstoffe freigesetzten Methanols unter dem Arbeitsplatzgrenzwert bleibt. Die Klebstoff-Hersteller haben neben dem GISCODE den EMICODE entwickelt www.emicode.com/pdf/GEV_anforderungskriterien.pdf). Heute werden überwiegend D1-Produkte mit dem EMICODE 1 eingesetzt. Es ist zu hoffen, dass jetzt die Grenzen für den EMICODE 1 herabgesetzt werden, damit auch hier die Innovationen gefördert werden.

Auch bei den Oberflächenbehandlungsmitteln gibt es zahlreiche neue Trends, die zu einer Weiterentwicklung des GISCODEs für Oberflächenbehandlungsmittel für Parkett und andere Holzfußböden führen. So wünschen sich viele Kunden Wachse und Öle zur Behandlung der Holzoberfläche. Bei den wasserhaltigen Siegeln hat die Mehrzahl der Hersteller - in Abstimmung mit der BG BAU - Produkte entwickelt, die kein N-Methyl-2-pyrrolidon (NMP) mehr enthalten. Mit der Verwendung dieser NMP-freien Wassersiegel können die Parkettleger diese Entwicklung beschleunigen.

Tragen von Schutzhandschuhen

Das Tragen von Schutzhandschuhen beim Einsatz von Klebstoffen wird immer wieder diskutiert. Grundsätzlich müssen beim Einsatz von Chemikalien Schutzhandschuhe getragen werden. Auch die Sicherheitsdatenblätter der Klebstoffhersteller fordern dies. Die Praxis sieht anders aus, wie man auf jeder Boden- und Parkettleger-Baustelle sehen kann. Die Parkettleger haben ihre Gründe, keine Handschuhe zu tragen. Die notwendigen Schutzhandschuhe sind relativ dick, ermöglichen damit kein "Feeling" und kleben am Parkett, wenn sie mit Klebstoff verschmutzt sind. Nun können die Vorschriften nicht einfach der Praxis angepasst werden. Die Technische Regel für Gefahrstoffe 401 "Gefährdung durch Hautkontakt" weist aber auf ausdrücklichen Wunsch der BG BAU darauf hin, dass abzuwägen ist, ob das ständige Tragen von Handschuhen ein größeres Problem ist, wie ein gelegentlicher Hautkontakt. Wir hoffen, dass auch die Dermatologen keine Einwände haben, wenn ein Parkettleger mit bestimmten Klebstoffen ohne Handschuhe arbeitet - wenn die sofortige Reinigung bei einer Verschmutzung gewährleistet ist. Ob dies auch beim Umgang mit PU-Klebern möglich ist, ist eine andere Frage.

Nicht ohne Grund sei ein kurzer Ausflug zu Estricharbeiten erlaubt. Viele Bodenlegerfirmen verlegen auch Estriche und setzen hierbei Estrichglätter ein. Diese Geräte werden vor allem im Industriebau, aber auch im Wohnungsbau eingesetzt. Noch immer ist nicht allgemein bekannt, welche enormen Gefahren durch die Abgase von benzinbetriebenen Estrichglättern bestehen. Es entstehen Kohlenmonoxid-Konzentrationen bis zum 6- 7fachen des Arbeitsplatzgrenzwertes. Zahlreiche Unfälle sind die Folge. Dabei ist die Alternative so einfach. Man kann Einfachflügelglätter mit Elektroantrieb einsetzen, Doppelflügelglätter mit Gasantrieb oder benzinbetriebene Geräte mit Katalysator. Dies ist Stand der Technik, für viele Estrichleger jedoch noch immer nicht selbstverständlich.

Bereits der Vergangenheit gehören die Gefahren durch chromathaltige Spachtelmassen an. Seit 17. Januar 2005 dürfen in ganz Europa nur noch chromatarme Zemente und chromatarme zementhaltige Zubereitungen wie Spachtelmassen auf den Markt kommen. Große Arbeitsschutzprobleme bereiten derzeit die vielen Hauterkrankungen durch Epoxidharze. Epoxidharze haben sehr gute technische Eigenschaften, so dass sie in der Praxis gerne eingesetzt werden - auch bei der Rissverbrückung bzw. -verharzung. Leider werden Epoxidharze in der Praxis sehr oft ohne die notwendigen Schutzmaßnahmen verarbeitet, insbesondere ohne Schutzhandschuhe.

Gute Ideen für mehr Sicherheit

Eine innovative Lösung zeigt das Bild auf der folgenden Seite: Zwei Beutel gewährleisten, dass das Mischungsverhältnis des Epoxidharzes exakt eingestellt ist. Durch Entfernen der Barriere zwischen den Beuteln kann problemlos gemischt werden. Der Hersteller legt im dritten Beutel Handschuhe bei, womit dem Anwender vermittelt wird, dass die Handschuhe zum Einsatz des Produktes gehören. Die Mehrkammerbeutel gewährleisten nicht nur ein exaktes Mischungsverhältnis und damit ein optimales Harz; es wird außerdem nicht zu viel Harz oder Härter gemischt und es muss nur noch ein leerer Plastikbeutel entsorgt werden. Epoxidharze im Mehrkammerbeutel sind somit ein Plus für den Arbeitsschutz, die Umwelt und den Betrieb.

Beigelegte Handschuhe bringen weitere Vorteile. Sie symbolisieren die Einheit von Produkt und Handschuhen. Die Handschuhe werden daher akzeptiert und der Hersteller des Epoxidharzes kann die Handschuhe in wesentlich größeren Stückzahlen und somit günstiger einkaufen als jeder einzelne Kunde. Es gibt auch andere Möglichkeiten, Epoxidharze ohne Hautkontakt zu mischen. In zwei parallelen Kartuschen werden die Komponenten mit einer Pistole zusammengeführt. Handschuhe sind auch hier nur für die Beseitigung von Verschmutzungen notwendig.

Am 1. Juni 2007 ist die neue europäische Chemikalien-Verordnung REACH in Kraft getreten. REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals. Vereinfacht ausgedrückt wird mit dieser Verordnung versucht, die schlechte Datenlage, d.h. die wenigen Kenntnisse, die wir zu Chemikalien haben, zu verbessern. Mit 30.000 Chemikalien wird heute umgegangen und lediglich zu 300 gibt es Arbeitsplatzgrenzwerte. Dies macht die ganze Problematik deutlich. GISBAU hat schon immer auch ein Auge auf die Stoffe ohne Grenzwert gehabt und wird die Kenntnisse, die sich aus der REACH-Verordnung ergeben, in WINGIS umsetzen. Die WINGIS-Informationen beruhen dann auf einer besseren Datenlage und führen eventuell - wenn dies die neue Datenlage erfordert - andere Schutzmaßnahmen auf, wie bisher. Grundsätzlich kann aber wie schon bei der neuen Gefahrstoffverordnung auch für die REACH-Verordnung festgehalten werden: der Boden- und Parkettleger soll nach WINGIS-Informationen arbeiten, dann arbeitet er sicher und erfüllt so nebenher die verschiedenen Vorschriften.

Ausblick: Gute Ansätze erkennbar

Auch ein Arbeitsschützer hat Träume. Wir gehen davon aus, dass die Ende der 80er Jahre fast alltäglichen schweren Explosionen mit Verletzten und sogar Toten beim Einsatz stark lösemittelhaltiger Bodenbelagsklebstoffe endgültig der Vergangenheit angehören. Den D1-Klebern gehört die Zukunft bei allen Belägen. Wir erwarten weitere innovative Ansätze der Hersteller und deren offene Prüfung durch das Handwerk. Nicht immer setzt sich ein guter Ansatz durch, aus welchem Grund auch immer. So hat der Pulverkleber auf Zementbasis leider nicht den Stellenwert, den wir uns wünschen. Eventuell hat der Dispenser eine größere Zukunft vor sich.

Mit dem Dispenser der Firma Sika kann der Klebstoff aufrecht verteilt werden, es wird genau die Menge dosiert, die benötigt wird und ein Hautkontakt ist ausgeschlossen. Zudem gibt es keine großen Blechgebinde, die entsorgt werden müssen und der Parkettleger muss zumindest beim Verstreichen des Klebstoffes nicht auf die Knie gehen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die BG Bau Vorgehensweisen fördert, die besonders Erfolg versprechend für den Arbeits- und Gesundheitsschutz sind, wie in diesem Beitrag an einzelnen Beispielen demonstriert wurde. Auch in Zukunft dürfen sich Boden- und Parkettleger auf den Sachverstand von GISBAU verlassen. Ebenso wie GISBAU in den WINGIS-Informationen die Änderungen der Gefahrstoffverordnung vom 1. Januar 2006 umgesetzt hat, werden auch die durch REACH zu erwartenden Erkenntnisse zu Stoffeigenschaften in die WINGIS-Informationen übernommen. Wie in der Vergangenheit geschieht dies in enger Zusammenarbeit mit den Herstellern und auf Basis der Unabhängigkeit von GISBAU. Damit ist gewährleistet, dass die Herstellerangaben konstruktiv aber mit der nötigen Distanz übernommen werden. Die Aussagen, die von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft zur Anwendungstechnik im Boden- und Parkettlegergewerbe gemacht werden, waren schon in der Vergangenheit immer abgestimmt mit Vertretern des Zentralverbandes des Boden- und Parkettlegerhandwerks. Dies ist auch für die Zukunft garantiert. Insgesamt kann aus den Erfahrungen der letzten 15Jahre aus Sicht der BG BAU ein optimistisches "weiter so" für den zukünftigen Umgang mit Gefahrstoffen im Boden- und Parkettlegergewerbe ausgesprochen werden.
aus FussbodenTechnik 06/07 (Handwerk)