Günther Hermann, Mapei: Was hat sich in den letzten 10 Jahren bei Grundierungen verändert?

Grundierungen mit "Tiefenwirkung"

Erfüllen Grundierungen, die in Sie gesetzten Erwartungen? So lautete der Fachbeitrag von Günther Hermann in FussbodenTechnik 1/97 vor 10 Jahren. Was hat sich in den vergangenen 10 Jahren bei Grundierungen verändert? Welche Entwicklungen gibt es derzeit?

Ein Beitrag von Günther Hermann

In den letzten zehn Jahren hat sich im Bereich der Grundierungen ein gewaltiger Wandel vollzogen. Während damals der Markt von "einfachen" Dispersiongrundierungen und Epoxid-Primern dominiert war, hat sich das Spektrum deutlich erweitert. Bei den Dispersionen nehmen solche mit sehr schneller Filmbildung - auch bei niedrigen Temperaturen - zu. Dies stellt für den Verarbeiter deutliche Vorteile im schnelleren Ablauf der Untergrundvorbereitung dar. Daneben erhöht sich deutlich die Anwendungssicherheit der wässrigen Systeme.

Während vor Jahren das Penetrationsvermögen dieser Grundierungen in der Produktargumentation eine bedeutende Rolle gespielt hat - man konnte damit angeblich marode Untergründe konsolidieren - so hat dieses Scheinargument heute ausgedient. Die Erkenntnis der Unzuverlässigkeit dieser Methode hat zur Verbesserung und Vereinfachung der mechanischen Vorbereitungsmöglichkeiten geführt.

Die chemische Verfestigung von Untergründen lässt sich, wenn überhaupt möglich, mit reaktiven Grundierungssystemen darstellen. Dazu müssen diese aber sehr dünnflüssig oder niedrigviskos sein. Dies ist nur mit einigen wenigen Spezialprodukten realisierbar. Moderne Reaktionsharze - entweder zweikomponentige Epoxid- oder einkomponentige Polyurethanharze - sind in der Regel multifunktional ausgelegt. Primär werden solche Systeme zur Absperrung von Restfeuchte im Untergrund verwendet. Damit aber nach der Durchreaktion der Systeme ein Haftverbund der meist dehäsiven Oberfläche (Oberflächen Spannung und haftungsstörende Carbamatbildung) mit den mineralischen Spachtel und Ausgleichssystemen erzielt werden kann, muss in die noch frische Oberfläche gewaschener und getrockneter Quarzsand in einer hinreichenden Korngröße im Überschuss eingestreut werden. Sind die Reaktionsharze zu dünnflüssig, so besteht keine Möglichkeit den Quarzsand ausreichend einzubinden. Deshalb stellt die Viskosität solcher Systeme immer einen Kompromiss zwischen Migration und Benetzung- und Bindevermögen dar.

Bei den Epoxidharzen haben sich solche Reaktionsharze durchgesetzt, welche auch bei Wasser- oder Feuchteeinwirkung störungsfrei vernetzen. So können moderne Harze auch auf nassen (kein stehendes Wasser oder Pfützen) mineralischen Untergründen aufgebracht werden. Die dann erzielbaren Haftzugfestigkeiten liegen meist weit über den geforderten Mindestfestigkeiten für Industriebodenbeschichtungen. Restfeuchten bis 6 CM-% können so bei hinreichenden Auftragsmengen im Untergrund abgesperrt werden. Bei feuchteempfindlichen Untergründen wir Calciumsulfat, Magnesia oder Holzuntergründen ist hier aber Vorsicht geboten. Da das Wasser bei diesen Bindemittel- oder Untergrundarten im Nachgang chemisch nicht gebunden werden kann, "vagabundiert" es im System und bringt es über kurz oder lang zum Faulen.

Zunehmend an Bedeutung gewinnen die einkomponentigen PU-Harze. Diese reagieren nicht duch die Mischung mit einem explizit dafür konzipierten Härter, sondern mit der Feuchtigkeit aus dem Untergrund oder der Luft. Neben der genial einfachen Handhabung sind diese Produkte vielfältig einsetzbar, so zur Absperrung von Restfeuchte bis 4 oder 4,5 CM-% Restfeuchte, als Haftvermittler mit Quarzsand für nachfolgende Ausgleich- und Spachtelarbeiten und als Systemgrundierung für ein- und zweikomonentige Reaktionsharzklebstoffe. Nicht benötigte Restmengen können problemlos im nächsten Bauvorhaben weiterverwendet werden. Bei diesen Systemen kann unter bestimmten Voraussetzungen auf das Abstreuen mit Quarzsand verzichtet werden.

Die Rolle des Haftvermittlers zwischen Grundierung und mineralischen Spachtelmassen übernimmt dann eine speziell dafür entwickelte Dispersionsgrundierung, welche schnell auftrocknet und einen schier wasserunlöslichen Film ausbildet. Die Dispersion muss nach Trocknung der PU-Grundierung innerhalb eines definierten Zeitfensters aufgetragen und dann zeitnah, unmittelbar nach der Trocknung, mineralisch beschichtet werden. Sollen nach der Grundierung die nachfolgenden Beläge mit modernen Reaktionsharzklebstoffen verlegt werden, so kann in der Regel auf ein Abstreuen mit Quarzsand verzichtet werden. Da auf PU-Systemen eine haftungsfeindliche Carbamatbildung nicht eintritt, kann systemgleich weitergearbeitet werden. Dies stellt bei den heute üblich engen Terminplänen ein deutliche Entspannung für den Bodenleger dar.
aus FussbodenTechnik 06/07 (Handwerk)