Bertram Abert, ZDB: Zahl an Estrichkonstruktionen und Estricharten ist groß

Ist der Zementestrich noch zeitgemäß?

Heutzutage ist die Zahl der Estrichkonstruktionen und Estricharten so groß wie noch nie, da stellt sich in der Tat die Frage: "Ist der Zementestrich noch zeitgemäß?" Mengenmäßig, an verlegter Fläche gesehen, ist Zementestrich immer noch der am meisten verlegte Estrich. Es wäre jedoch falsch, diese Frage nur an der verlegten Menge zu sehen, denn ganz genau kennt niemand diese Menge.

Ein Beitrag von Bertram Abert

Beim Estrich gibt es zwar Statistiken über hergestellte Mengen von Estrichmörtel, unterteilt nach verschiedenen Bindemitteln und auch Estrichkonstruktionen, ob konventioneller Estrich oder Fertigteilestrich, jedoch wird der größte Anteil des Estrichmarktes, nämlich die vor Ort hergestellten und auch direkt eingebauten Estrichmörtel nur geschätzt. Bei Anhydritestrich (Calciumsulfatestrich) kann die Menge noch einigermaßen genau geschätzt werden, denn der Anteil des Anhydritbinders, der an die Estrichleger geht, kennt man sehr genau. Dagegen kann man den Anteil des Sackzementes, der zur Herstellung von Estrichen Verwendung findet, lediglich sehr grob schätzen. Man ging vor einigen Jahren davon aus, dass ca. 80 % des Zementanteils, der in Säcken abgefüllt wird, an die Estrichleger geht.

Nach neuer Norm werden auch Konstruktionen zum Estrich gezählt, an die man vor einigen Jahren gar nicht gedacht hat, wenn man von Estrichen sprach. Dabei meine ich Spachtelmassen, Dünnestriche 5 bis 20 mm, geglättete Betonplatten usw. Diese werde ich in meiner persönlichen Betrachtung außen vor lassen.

Früher Bauteil, heute Schicht

Es ist eine sehr interessante Frage, in welche Ländern es überhaupt Estriche gibt und warum dort solche Konstruktionen vorherrschen. In der Definition der alten DIN 18560 sprach man von einem auf einem tragenden Untergrund oder einer zwischenliegenden Trenn- oder Dämmschicht hergestelltem "Bauteil", das unmittelbar nutzfähig ist oder mit einem Belag, gegebenenfalls frisch in frisch, versehen werden kann. In der neuen Definition spricht man dagegen nur von Schicht oder Schichten, direkt auf dem Untergrund, mit oder ohne Verbund, oder auf einer zwischenliegenden Trenn- oder Dämmschicht, mit der Funktion eine vorgegebene Höhenlage zu erreichen, einen Bodenbelag aufzunehmen oder unmittelbar genutzt zu werden. Daraus ergibt sich auch die Bedeutung des Estrichs im allgemeinen Baugeschehen.

Egal nach welcher Definition, der Estrich ist ein wichtiges Bauteil. Die Aufgaben die es zu erfüllen gilt, resultieren auch aus Anforderungen an den Wärme- und Schallschutz. Diese sind nicht ohne weiteres von Rohdecken, wie dies teilweise in anderen Ländern üblich ist, zu erfüllen. Alles ruft nach Preisreduzierung, aber die Ansprüche der Bauherrn, besonders auch die juristisch durchgesetzten, schrauben diese Anforderungen immer höher. Ein Übriges tun dann noch TV-Soaps über Schäden am Bau.

Zementestrich für alle Anwendungsfälle

Meiner Meinung nach ist und bleibt der Zementestrich immer noch der Estrich, der nahezu für alle Anwendungsfälle einzusetzen ist. Gewiss gibt es bei anderen Estricharten mal mehr und mal weniger Zuwächse, aber der Zementestrich zeigt sich in diesem Spiegel recht beständig. Welcher Estrich ist denn für Wohnungs- und Gewerbebau, für die Industriebereiche und auch noch gleichzeitig für Freiflächen uneingeschränkt einzusetzen? Welcher Estrich ist dazu noch in allen Anwendungsfällen preisgünstig herzustellen? Welcher Estrich kann wirtschaftlich in Mengen für 1 qm bis mehrere tausend qm Flächen eingesetzt werden? Bei welchem Estrich hat man die Erfahrungen von deutlich mehr als 50 Jahren? Es gibt meines Wissens nach keinen Estrich, der all die genannten Eigenschaften besitzt und für alle genannten Anwendungsfälle geeignet ist. Sicher gibt es Spezialfälle, für die andere Estricharten vielleicht besser geeignet sind. Man kann aber nicht behaupten, Zementstriche könnten die gleichen Aufgaben nicht übernehmen. Der Zementestrich hat nach wie vor eine große Bedeutung.

Gleichwohl besitzt der Zementestrich beim "Spezialeinsatz" gewisse Nachteile. Es gibt bei Zementfließestrichen, was die Güteklassen, den Einsatzbereich und auch die Verarbeitung betrifft, immer noch Einschränkungen und Fragezeichen. Wie sehen diese Estriche nach 10 bis 15 Jahren unter Fliesen und Platten oder Im Freibereich aus? Wie sind diese auch in Kleinmengen wirtschaftlich herzustellen? Sicher Problempunkte, an denen noch zu arbeiten ist.

Unsicherheit mit CEM II und CEM III Zementen

Wie sieht die Zukunft mit den "neuen" Zementen aus? Als Sachverständiger sicher gut, als Verleger, der nicht weiß, welchen Zement er bekommt und einbaut, sicher schlechter. Wie ist das Zusammenwirken der CEM II/B (z.B.: Portlandhüttenzement, Portlandpuzzolanzement, Portlandflugaschezement usw.), CEM III/C (Hochofenzement) oder gar CEM V/B (Kompositzement), mit den Zusatzmitteln von Estrichlegern? Wie ist es mit so genannten Trocknungsbeschleunigern? Leider wird von den Zementherstellern das Bauteil Estrich immer noch als untergeordnetes Bauteil in der Betontechnologie angesehen. Die Aufgabenstellung der Zementindustrie, den Estrich als Sonderprodukt und nicht als Beton oder als Mauermörtel nahe zu bringen, beschäftigt maßgebliche Personen des Estrichlegerhandwerks und mich schon seit Jahrzehnten. Schon vor Jahren wurden Forschungsaufträge in Auftrag gegeben, die Ergebnisse jedoch nicht veröffentlicht. Derzeit häufen sich Schäden mit nicht genau definierten Zementen. Das bereitet mir bezüglich Zementestrich derzeit die meisten Sorgen.

Das zuvor Gesagte trifft nicht nur bei den "Mörtelestrichen" zu, sondern auch teilweise bei Fertigteilestrichen. Auch hier lässt sich Zementestrich nicht "vermeiden". Wenn es gelingen würde, zuverlässig das Schwinden des Zementestrichs technisch sicher in den Griff zu bekommen, auch unter wirtschaftlichen Gesichtpunkten, dann - so behaupte ich - würden die Marktanteile des Zementestrichs flächenmäßig sogar deutlich zunehmen. Bei den meisten Auftraggebern steht immer noch der Zementestrich an erster Stelle. Hätte man die Einbauweise in Fließestrichtechnik, die Nachbehandlung und die Trocknungszeit im Griff, dann hätten die anderen Estricharten einen sehr schweren Stand, sich am Markt noch zu behaupten.

Am Zementestrich führt kein Weg vorbei

Zementestriche sind also so aktuell wie eh und je, sei es als Mörtelestriche auf Trenn- oder Dämmschichten, als Verbundestriche, Wohnungs- und Gewerbe- sowie Industriebauten, als Fertigteilestriche, oder gar als Estriche bei Freiflächen, mit oder ohne Belag, oder gar als "Sichtestrich".

Nach gründlicher Abwägung führt am Zementestrich kein Weg vorbei. Wenn nur die Zementindustrie nicht durch Einstellung der CEM I Produktion neue, für den Estrichleger noch nicht abzusehende Probleme für den Zementestrich schafft, sehe ich eine gute Zukunft für Zementestriche, mit voller Gleichberechtigung neben den anderen Estricharten.
aus FussbodenTechnik 06/07 (Handwerk)