Fashion-Lizenzmarkt in Deutschland

Die "Macht der Marken" ist groß


Die Schere zwischen Private Label und echten Brands wird größer und größer, der Trend hin zu mehr Wertigkeit durchdringt den Handel stetig. Damit einher geht die strategische Entwicklung der meisten Brands, über anhaltende Diversifikation der Produktpalette zu kompletten Lifestyle-Anbietern zu werden und am POS frische Kaufimpulse zu geben. Dies geschieht meist entweder über eigene Divisions bzw. Zukauf bei in der jeweiligen Branche gut aufgestellten Spezialisten, oder über die Vergabe von Lizenzen. In Anbetracht des wachsenden Marktes für "gebrandete" Artikel aus dem textilaffinen Markt hat die Agentur Kierdorf & Partner unter der Überschrift "der Fashion-Lizenzmarkt in Deutschland" versucht, das Gesamtvolumen für Fashionlizenzen zu schätzen. Der neue Trend der Retail-Lizenzen wurde für die Untersuchung aufgegriffen und bewertet. Insbesondere der Otto-Versand ist maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt und ist mit diversen Marken wie Kangaroos, Venice Beach oder bruno banani direkte Lizenzkooperationen eingegangen. Grundlage der Annäherung ist zunächst die Aufteilung des Lifestyle-Licensing in zwei Märkte, die sich wie folgt definieren:

Es gibt auf der einen Seite die global agierenden Marken, die in der Regel im Luxus- oder Premium-Segment angesiedelt sind. Hierzu zählen Designermarken wie Dolce & Gabbana, Prada, Gucci, Calvin Klein usw. Da sie im betrachteten Vertriebsgebiet sehr selektiv agieren und ihre Umsätze eher international erzielen, wurden sie von der Betrachtung ausgeschlossen. Ebenso wurden Sportmarken wie Puma oder Adidas nicht berücksichtigt. Auf der anderen Seite gibt es die besonders stark lokal bzw. national agierenden Marken, auf die hier der Fokus gelegt wurde. Dazu zählen die in der 6. Spiegel-Outfit-Studie bewerteten Marken, die Lizenzen vergeben haben und im Wettbewerbsumfeld eher im mittleren bis gehobenen Preissegment liegen. Hier wären z. B. Gerry Weber, Jette Joop, S.Oliver, Mexx, bugatti, Marc OPolo, Tom Tailor usw. zu nennen.

Weitere Grundlage ist, dass ausschließlich die textilnahen Bereiche betrachtet wurden. Die in jüngster Zeit von Marken wie Joop!, Esprit und bruno banani eroberten Segmente Möbel, Haushaltswaren usw. wurden nicht einbezogen. Das hier zu veranschlagende Marktvolumen bewegt sich derzeitig auf Wholesalebasis nach Expertenschätzung allerdings auf einem höheren einstelligen Millionenbetrag - Tendenz steigend. Zu den klassischen, textilnahen Lizenzbereichen zählen: Taschen, Schuhe, Strümpfe, Wäsche, Gürtel & Accessoires, Heimtextilien (Bed & Bath), Uhren, Schmuck, Brillen, Duft und - keinesfalls zu vergessen! - die in Lizenz vergebenen Bekleidungskollektionen, die die Stammprodukte der Marke ergänzen (z. B. Leder, Strick, Hemden, Jeans usw.).

Fasst man nun unter den vorgenannten Kriterien die klassischen Lizenzbereiche zusammen, ergibt sich insgesamt ein geschätztes Gesamtvolumen von über 1 Mrd. Euro im Wholesale, also zu Hersteller-Abgabepreisen. Der Einzelhandelsumsatz liegt sicherlich mehr als doppelt so hoch. Diese Größenordnung ist um so beeindruckender, wenn man bedenkt, dass wichtige Marken wie z. B. Hugo Boss, Strenesse und S.Oliver Lizenzen zurück ins Unternehmen geholt bzw. ganze Unternehmen aufgekauft und als eigenständige Units integriert haben.

Die Agentur Kierdorf & Partner arbeitet seit vielen Jahren im Lizenzgeschäft und konnte somit auf weit reichende Erfahrung und unterschiedliche Quellen zurückgreifen. Dies sind tatsächlich vorliegende Lizenzabrechnungen, Interviews mit Lizenzgebern und Lizenznehmern, Expertengespräche und im sehr wichtigen Bereich Duft die Kennzahlen der GFK. Alle Betrachtungen beziehen sich im Übrigen auf das Jahr 2006. Führend sind hier die Marken Joop! und Camel Active mit einem zweistelligen Anteil am Gesamt-Lizenzumsatz und mit einigem Abstand Pierre Cardin, die sich ausschließlich über Lizenzprodukte definieren bzw. kein originäres Produkt haben. In der Mitte sind erwartungsgemäß die stark vertikalisierten Mainstream-Marken wie Esprit, S.Oliver, Mexx und Tom Tailor zu finden, allerdings weisen auch Marken wie Tommy Hilfiger und Hugo Boss ähnliche Umsatzwerte auf, obwohl sie höher positioniert sind. Auch bugatti aus dem Hause Brinkmann kommt auf respektable Werte, obwohl durch "Ettore Bugatti" Duft, Brillen und Uhren/Schmuck nicht ins Herforder Portfolio gehören und es sich um eine reine Herrenmarke handelt.

Die niedrigsten Umsatzanteile liegen bei den sehr hochwertigen Fachhandelsmarken, die allerdings mit der Vergabe von Lizenzen in der Regel sehr vorsichtig sind, da man um die eigene klare und exklusive Positionierung fürchtet. Ausnahme ist und bleibt der Duft, der mittlerweile quasi zum Must-Have geworden ist. Nur allzu gut zeigen diese Zahlen, wie groß die "Macht der Marken" und wie wichtig es ist, als Marke sowohl vom Handel als auch vom Endverbraucher wahrgenommen zu werden. Denn werden diese Zahlen in Korrelation zum Gesamtvolumen der jeweiligen Branche gesetzt, ergeben sich zum Teil sehr erstaunliche Werte. Als Beispiel sei der Bereich Duft genannt: Zwar ist in den meisten Köpfen wahrscheinlich verankert, dass die wichtigen Designerdüfte und traditionellen Kosmetikmarken den Markt beherrschen. Aber erstaunlicherweise lässt sich festhalten, dass über 40 Prozent der Umsätze mit lokalen Marken gemacht werden.
aus Haustex 12/07 (Haustextilien)