Thomas Ochmann zur Lage im Bettenfachhandel

"Wir sitzen alle im gleichen Boot"

Das Jahr 2007 war für unser Unternehmen sehr erfolgreich. Mit der Eröffnung eines neuen Fachgeschäftes in der Innenstadt von Kassel haben wir Ende 2006 erstmals den Schritt aus Göttingen heraus gewagt. Nach dem ersten Jahr sind wir sehr zufrieden mit dem dort erreichten Umsatzniveau und sehen weiteres Potenzial für Wachstum mit diesem Geschäft. Im Herbst letzten Jahres haben wir unser 170-jähriges Firmenjubiläum gefeiert und damit im Gesamtjahr auch auf vergleichbarer Fläche ein deutliches Plus erreicht.

Ein noch besseres Ergebnis wurde durch einige Durchhänger-Monate im ersten Halbjahr nach der Mehrwertsteuer-Erhöhung vergeben. Da wir die Mehrwertsteuer-Erhöhung trotz aller Bemühungen nicht vollständig durch bessere Kalkulation ausgleichen konnten, spüren wir diese Bremse deutlich im Ertrag. Daraus folgt 2008 als erste Unternehmerpflicht, die höhere Mehrwertsteuer durch bessere Kalkulation und Kostensenkungen vollständig wieder auszugleichen.

Mein Ausblick für 2008: Die positive konjunkturelle Entwicklung und insbesondere der Rückgang der Arbeitslosigkeit werden dem Einzelhandel auch in diesem noch ein ruhiges Jahr bringen. Umso mehr müssen wir im Bettenfachhandel die strukturellen Probleme bearbeiten, die uns zu schaffen machen.

Das wäre einmal der Bedeutungsrückgang. Der Bettenfachhandel ist eine Nischenbranche, die flächenmäßig viele Einwohner gar nicht mehr erreicht, weil ein solches "Spezialgeschäft" in einer kleinen Stadt (deren Innenstädte ja oft schon auf dem Weg zum Museum sind) keine Existenzberechtigung mehr hat. Aus Altersgründen schließen viele Geschäfte, oft bieten sie nach jahrelanger Vernachlässigung von Investitionen und fehlender Modernisierung von Geschäftsprozessen jungen Leuten einfach keine Zukunftsperspektive mehr. In großen Städten halten manche Kollegen dem Konkurrenzdruck oder dem Wandel des angestammten Standortes nicht mehr stand.

Marktpositionierung: Nachdem der Fachhandel das Fenster der Gelegenheit im unteren Preissegment mit der Entwicklung einer eigenen Fachmarktschiene weitgehend verpasst hat, bleibt eigentlich nur noch eine konsequente Premium-Positionierung übrig. Diese ist am richtigen Standort, mit qualifizierten und engagierten Mitarbeitern und einer konsequenten Umsetzung im Sortiment und der Präsentation sehr attraktiv, aber der Weg vom profilarmen Mittelpreislagengeschäft dahin ist lang und mühselig.

Kompetenz der Strukturen und handelnden Personen: Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, haben wir es uns doch in der Nische behaglich eingerichtet: Mitarbeiter und Chefs, die nicht mit einem PC umgehen können, Inhaber, die immer noch auf die Unterstützung und Erträge durch eine Verbandsmitgliedschaft verzichten, Verbandsmitglieder, die zusammengenommen immer noch bei einem Dutzend verschiedener Lieferanten ihre lose Ware einkaufen, Verbände, die noch immer zu sehr dem Einkauf von Ware dienen, statt dazu ihre Mitglieder in Marketing und Betriebswirtschaft zu unterstützen, sowie Lieferanten, die in ebenso mittelständischen Strukturen gebunden sind und nicht die Macht besitzen, entscheidenden Einfluss auf die Professionalisierung der Branche zu nehmen.
Was müssen wir im vor uns liegenden Jahr tun? Als Unternehmer im Handel müssen wir uns

- die Qualifikation unserer Mitarbeiter und unsere eigene (!) durch gezielte Trainingsmaßnahmen für die angestrebte Premium-Positionierung fit machen;
- unser Marketing-Mix optimieren. Und vielleicht doch lieber beim Turnier des Golfclubs hochwertige Ware ausstellen als eine weitere Anzeige mit (durchgestrichenen) Preisen zu schalten?
- wenn nötig, Geld ausgeben für ladenbautechnische oder betriebswirtschaftliche Beratung (und die anschließende Umsetzung der Maßnahmen!);
- Mitglied in einem Verband werden, falls noch nicht geschehen, oder sich dort engagieren, damit auch die eigenen Bedürfnisse erfüllt werden.

Die Verbände können uns in 2008 unterstützen, indem sie ihre Serviceangebote erweitern und die vorhandenen den Mitgliedern aktiver näher bringen. Auch sollten sie ihre Angebote für kleinere Gruppen von Mitgliedern "maßschneidern". (Unsere) Lieferanten, Verbände und Händler sollten erkennen, dass wir eigentlich alle im gleichen Boot sitzen. Sie sollten deutlich intensiver zusammenarbeiten, um das richtige (gleich innovative, hochwertige) Produkt zur richtigen Zeit (d.h. möglichst kurzfristig) an den richtigen Kunden (d.h. mit effektiver Marketingunterstützung überregional oder vor Ort) zu bringen. Wenn es uns gelingt, die oben genannten Ansätze umzusetzen, dann bin ich überzeugt, dass der (Betten-) Fachhandel und mit ihm die beteiligten Lieferanten und Verbände angesichts der demographischen Entwicklung mit der Zunahme von älteren, anspruchsvollen und Service orientierten Kunden eine positive Zukunft haben.
aus Haustex 01/08 (Handel)