Interview zum Thema Rabattwahn

Alles Preis oder was?

Leipzig - Ergibt sich Deutschland dem Rabattwahn? Auch im Bettenfachhandel sind Rotstiftpreise, Sonderangebote und Ausverkäufe nicht mehr die Ausnahme. Wobei man fairerweise sagen sollte, dass dies insbesondere auf mit Betten handelnde Filialisten zutrifft.

Fakt ist: für bestimmte Anbieter scheinen Rabatte - zumal zweifelhafte - das einzige noch tragfähige Verkaufsargument zu sein. Steuert der Einzelhandel mit Volldampf ins Rendite-Risiko? Kann man für wenig Geld viel Wert bieten? Lassen sich über den Preis Kunden binden? Solche ebenso provokante wie unumgängliche Fragen wird Handelsberater Elmar Fedderke in seinem Praxisvortrag auf der vom 23. bis 25. Februar stattfindenden Leipziger Fachmesse für Geschenk- und Wohnideen, der Cadeaux, stellen. Vorab beantwortete der Referent die Fragen von Haustex.

Haustex: Wie stellt sich die aktuelle Lage im Einzelhandel - speziell im Bereich Konsumgüter - dar? Wer sind die Verlierer, wer die Gewinner?

Elmar Fedderke: Händler wie Kunden haben sich in den letzten Jahren massiv auf den Preis fokussiert. Auf der einen Seite ist das sicher der konjunkturellen Lage geschuldet. Andererseits ist die Entwicklung aber auch hausgemacht. Intensive Rabatt- und Rotstiftaktionen samt der zugehörigen aggressiven Werbebotschaften haben im wahrsten Sinne des Wortes die Preise verdorben. Statt dem Kunden Hochwertiges schmackhaft zu machen, hat der Markt eine Billig-ist-besser-Mentalität entfacht und sich damit in eine Abwärtsspirale katapultiert.

Selbst wenn konjunkturelle Hoffnungsschimmer am Horizont aufblitzen, kann der Handel nicht wirklich davon profitieren. Die Portemonnaies werden kaum dicker. Mehr Einkommen wird durch mehr Ausgaben für Altersvorsorge, Energiekosten usw. aufgezehrt. Der Handel gehört nicht zu den Gewinnern. Aber wir erleben derzeit auch eine gegenläufige Tendenz: die Renaissance etablierter Gütesiegel und eine verstärkte Qualitätsorientierung. Zu oft sind Kunden mit Billigprodukten auf die Nase gefallen, blieben Fachfragen unbeantwortet, wurden Serviceleistungen vermisst. Diese Verbraucher wenden sich wieder der Marke und dem Fachhandel zu. In der Summe kann das zwar nicht die negative Entwicklung kompensieren, aber für beratungs- und leistungsstarke Handelsformen bieten sich mit Sicherheit neue Chancen.

Haustex: Sollte der Preis als Verkaufsargument also außen vor bleiben?

Fedderke: Der Preis wird auch künftig ein kaufentscheidender Faktor bleiben. Nicht um seiner selbst Willen, sondern weil der Preis als alles entscheidender Faktor einfach zu tief in unserem Bewusstsein verankert ist. Der Kunde wird für die Produkte zu wenig begeistert, Wareneigenschaften werden nicht ausreichend schmackhaft gemacht.

Haustex: Mit welchen Folgen?

Fedderke: Vor allem mit der Folge, dass die Kundenbindung massiv leidet. Der Preiskäufer wird sich nie binden, weder ans Geschäft noch an eine Marke. Er wird immer wieder die billigste Problemlösung suchen, und es wird immer wieder jemanden geben, der sie ihm bietet. Einen Kunden zu binden gelingt aber nur dann, wenn man zu 100 Prozent seine Wünsche erfüllt, seine Probleme löst.

Haustex: Was unterscheidet nun den erfolgreichen vom weniger erfolgreichen Händler?

Fedderke: Viele Händler scheitern schon am vehementen Investitionsstau. Wer seinen Kunden dunkle, durchgelaufene Teppiche, schlecht ausgeleuchtete Warenträger und tote Fliegen im Schaufenster präsentiert, darf sich nicht wundern, wenn die Akzeptanz fehlt. Ohne zeitgemäße optische Anreize geht es nicht. Darüber hinaus muss sich der Händler intensiv mit der Erwartung seiner Kunden auseinandersetzen. Wenn der Händler meint, durch eine attraktive Geschenkverpackung einen echten Zusatznutzen zu bieten, der Kunde das aber als Standard betrachtet, muss der Händler diese Meinung nicht nur kennen, sondern auch akzeptieren.

Ebenso ist eine gute Beratung nicht per se ein Wettbewerbsvorteil, wenn der Kunde diese unbedingt erwartet. Schnell wird ein solcher Wettbewerbsfaktor zur lediglich zufriedenstellenden Leistung des Händlers. Die Beratung - um bei diesem Beispiel zu bleiben - muss Begeisterung wecken. Die Erwartung lediglich zu erfüllen, reicht nicht. Der Kunde muss mit leuchtenden Augen das Geschäft verlassen und sagen "Das war klasse!". Eine qualifizierte Kunden- (und Nicht-Kunden-) Befragung bringt oft erstaunliche Fakten zu Tage und ist ein unverzichtbares Instrument zur nachhaltigen Kundenbindung. Darüber hinaus gilt es nach wie vor, auf der Klaviatur der Marketing-Instrumente zu spielen. Ist mein Produkt-Mix ansprechend? Ist meine Werbung innovativ, kann ich mich damit vom Wettbewerb abheben? Das sind Fragen, denen oft nicht ausreichend auf den Grund gegangen wird.

Haustex: Welchen Stellenwert sollten Trends im Marketingkonzept des Händlers einnehmen? Oder anders gefragt: Wie nah muss ein Händler an aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen dran sein?

Fedderke: Konsumententrends, demographische Entwicklungen usw. zu kennen, sollte für jeden Händler selbstverständlich sein. Wenn ich als Unternehmer strategisch über ein neues Shop-Konzept, eine Standortverlegung oder Filialisierung nachdenke, muss ich Langfristentwicklungen unbedingt mit ins Kalkül ziehen. Wer ist meine künftige Zielgruppe, was fordert sie, wie kauft sie ein?

Operativ sind Trends und Entwicklungen unter pragmatischeren Aspekten zu sehen. So kann beispielsweise in einem Einzugsgebiet, in dem viele Senioren leben, die altersgerechte Ladengestaltung ein großer Schritt in Richtung Kundenorientierung sein: Sind die Preisauszeichnungen und Produktbeschreibungen ausreichend groß geschrieben, sind genügend Sitzmöglichkeiten im Geschäft vorhanden, trifft die Hintergrundmusik den Geschmack der gereiften Kundschaft?

Haustex: Welche Botschaft möchten Sie den Zuhörern Ihres Vortrags vor allem mit auf den Weg geben?

Fedderke: Ich treffe immer wieder Unternehmer an, die den Kopf in den Sand stecken und eisern an dem Motto festhalten "Das haben wir schon immer so gemacht". Diese Haltung kann sich heute niemand mehr leisten. Dafür ist der Markt zu intensiv. Insofern möchte ich alle Händler motivieren, sich selbst kritisch in Frage zu stellen und Plattformen, die Ideen, Anregungen und konkretes Markt-Know-how bieten, unbedingt zu nutzen. Nur wer sein Umfeld kennt, Entwicklungen begreift und sich flexibel daran orientiert, wird in Zukunft zu den Gewinner gehören.
aus Haustex 02/08 (Handel)