BBE-Studie

Einrichtung hat einen Funktion, Wohnen hat einen Nutzen

Köln - "Die erfolgreichen Möbelhändler von morgen brauchen einen grundlegenden Perspektivwandel!" So lautet ein zentrales Ergebnis der ersten Multi-Client-Studie "market excellence" der BBE Retail Experts aus Köln. Marktstrategische Ansätze, Experten-Analysen mit immer neuen Fragestellungen aus dem eigenen Beratungsgeschäft kennzeichnen diese neue Produktreihe. "Home & Interior" folgt dem Zeitgeist: Einrichtung hat eine Funktion - Wohnen hat einen Nutzen.

Früher war doch alles so einfach: Wenn man Möbel kaufen wollte, ging man zum Möbelhändler, Gardinen, Hausrat und Porzellan gab es beim entsprechenden Fachhändler nebenan. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute redet man über Living, Cocooning, Homing und über Wohnwelten. Die Sortimente eines modernen Möbelhändlers - und damit sind nicht nur Großflächenanbieter gemeint - vereinen heute eine Vielzahl von Warengruppen unter einem Dach, die mit altbekannten Dingen häufig nur noch wenig zu tun haben.

Man könnte meinen, das klingt danach, als ob man sehnlichst eine Rückkehr zur Vergangenheit wünscht? Nein, keineswegs! Dennoch darf man sich gemeinhin die Frage stellen, was denn eigentlich nach den immer mehr überbordenden und mitunter ideen- und lieblos präsentierten Sortimenten in den Einkaufstempeln des Möbelhandels auf die Verbraucher zukommen wird? Die BBE Retail Experts stellen in ihren aktuellen Projektmandaten immer häufiger fest, dass sich die verschiedenen Handelsanbieter mit einer gänzlich neuen Perspektive auseinandersetzen müssen, wollen sie reale Wachstumschancen auch effektiv nutzen und dabei ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit absichern. Die Notwendigkeit eines Perspektivwechsels ergibt sich allein daraus, dass die rein produktorientierte Aufarbeitung der einzelnen Märkte den tatsächlichen Entwicklungen immer weniger gerecht wird.

Die Experten entwickeln daraus folgende faktengestützte Thesen:

- Die einzelnen Marktsegmente wachsen immer stärker zusammen und formieren sich zu neuen Bereichen.

- Ansprüche der Verbraucher an Qualität und Preis der Produkte sowie insbesondere an die Präsentation haben sich grundlegend geändert.

- Der Verbraucher denkt weniger in Produkten als in Themenwelten.

Im Rahmen des ersten Premiumprojekts "market excellence" haben sich die Handelsexperten der BBE diesen Veränderungen angenommen und stellen statt der konventionellen Produktgruppensystematik nunmehr den übergreifenden Begriff "Home & Interior" in den Vordergrund ihrer Analysen. In dieser Definition finden sich all diejenigen Produktgruppen wieder, die der Ausstattung und Einrichtung der eigenen vier Wände dienen. Diese Abgrenzung des Marktes geht also weit über den konventionellen Ansatz der Möbelmarktdefinition hinaus und greift eine themen- und raumbezogene Abgrenzung auf, die sich u.a. auch in folgender Einteilung von "Wohnbereichen" niederschlägt: Cooking + Living; Relaxing, Chilling, Media-Tainment; Cocooning/Retirement - Bed/Bath; Home Office; Outdoor; Housekeeping; Home Services.

Mit einer entsprechend veränderten Abgrenzung entstehen naturgemäß auch neue Zahlendimensionen, was die Größe und Dynamik der einzelnen Teilmärkte betrifft und was letztendlich bei den Verbrauchern zu einer Verschiebung der Bedeutung bzw. persönlichen Relevanz von Einkaufstätten führen wird. Einen besonderen Einfluss auf die künftige Markt- und Distributionsentwicklung nehmen dabei die unterschiedlichen Wohnprofile der Konsumenten. Sieben solcher Wohnprofile wurden von der BBE evaluiert. Sie stehen für die verschiedenen Lebensphasen und charakterisieren unterschiedliches Kaufverhalten. Entscheidend für eine gezielte Ansprache ist, welche Ansprüche die verschiedenen Kundengruppen an die Einkaufsstätten stellen. Dafür geben die gesammelten Informationen über die Wohnprofile in drei Dimensionen Hinweise auf die Ansprüche am Point of Sale:

- Angebot: Breites Produktprogramm vs. Spezialisierung.

- Präsentation: Produktorientiert vs. erlebnisorientiert.

- Service: Selbstbedienung vs. Beratung.

Die mittel- und langfristige Entwicklung des Home & Interior-Marktes wird bereits heute von einigen wegweisenden Trends bestimmt. Die Halbwertzeit von Verbrauchertrends ist i.d.R. kürzer als die strukturellen Trends auf der Anbieterseite. Gleichwohl gibt es auf Nachfrage- wie Angebotsseite Unwägbarkeiten, wie etwa die konjunkturelle Entwicklung, welche eine zuverlässige Prognose erschweren. Vor allem unerwartete Verbraucherreaktionen auf Angebotsinnovationen erzwingen immer wieder Überprüfungen und Korrekturen von Prognosen. Gerade die Prognosen auf zunächst vorhersehbare Entwicklungen fordern aber die Marktakteure auf der Anbieterseite heraus, die eigene Performance (neu) zu entwickeln, was zu modifizierenden Marktreaktionen führen wird. Hinsichtlich der Verhaltensmuster in den einzelnen Wohnprofilen im Jahr 2015 geben die Handelsexperten u.a. folgende Prognosen ab:

- Die zukünftige Gruppe der 20-29-Jährigen wird sich vorwiegend an Trends orientieren und sich über Trendrichtungen und entsprechende Marken identifizieren. Dabei entscheidet die Lebenssituation über die Intensität dieser Fokussierung und die Höhe des Budgets. Am Point of Sale ist die Inszenierung der Marken wichtigster Einflussfaktor.

- Mit steigendem Alter unterscheidet sich das Verhalten je nach Lebenssituation: Während junge Familien zwischen 30 und 39 Jahren den Trend-Gedanken zugunsten von Qualität und Flexibilität fallen lassen, halten andere Verbraucher an dem früheren Lebensstil fest. Man entwickelt sich zwar persönlich und beruflich weiter, möchte aber Teil der jugendlichen Gesellschaft bleiben und dies über trendige Kleidung und junge, individuelle Einrichtung mitteilen. Es überzeugen die Einkaufstätten, die anspruchsvolle Jugendlichkeit in einem schlüssigen Konzept kommunizieren. Sind die Verbraucher von der Botschaft überzeugt, gönnen sie sich punktuell mehr Komfort als normalerweise bei begrenztem Budget möglich.

- Der Wunsch nach dauerhafter Jugend endet auch im Alter von 40 bis 59 Jahren nicht, aber die Verbraucher beginnen diese Philosophie anders zu leben. Die Familie steht zwar im Vordergrund, aber über Kleidung und Einrichtung wird der Status Quo in der Gesellschaft ermittelt. Es liegt nahe, dass insbesondere repräsentative Räume weiterhin zeitgemäß eingerichtet werden. Dies gilt um so mehr für die kleineren Haushalte. Man wendet sich stärker ab von den häufig wechselnden Trends und sucht ein eher zeitloses, anspruchsvolles Design. Um diese großen Verbrauchergruppen ansprechen zu können, müssen Handel und Hersteller starke Marken entwickeln, die in der Präsentation am Point of Sale den Fokus auf designorientierte Lösungen legen. Mit der Erfüllung der Ansprüche steigt die Ausgabebereitschaft dieser Verbraucher auf mittleres bis hohes Niveau an.

- Das Wohnprofil der Zukunft ist nicht mit den heutigen Senioren zu vergleichen. Die neuen Alten werden sich jünger fühlen, werden aktiver sein und möchten der Umwelt mitteilen, dass sie sich längst noch nicht aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen. Hierzu zählt auch eine zeitgemäße Einrichtung mit hohem Designanspruch. Die Wahl der Einkaufsstätte wird beeinflusst von der Inszenierung der Produkte und Marken, die Design und Komfort kommuniziert.

Für die Handelsexperten der BBE steht nach der Analyse eines fest: "Der Möbelfachhandel ist und bleibt das Kompetenzzentrum für Möbel und Wohnaccessoires." Der Verbraucher findet hier seine Bedürfnisse nach Produktvielfalt, preislichem Spielraum, Convenience und Beratung befriedigt. Aber, und dies ist ebenso eine Kernaussage der BBE-Analyse: "Es bleiben aber immer noch (große) Spielräume ungenutzt, zusätzliche Potenziale in Form von höherer Kauffrequenz zu erschließen."

So geht aus einer Emnid-Studie hervor, dass die Möbelkunden sich mehr Erlebnis und eine spannendere Inszenierung auf der Verkaufsfläche wünschen. Dies gilt insbesondere für die Jüngeren und die Midager bis 50 Jahre. Lediglich ältere Kunden sind oft schon lange an produktorientierte Präsentationen gewöhnt und werden durch Inszenierungen teilweise überfordert.

Die entscheidenden Elemente lassen sich zusammenfassen in einer lebensnahen Inszenierung von Wohnwelten im Sinne von konkreten Problemlösungen. Diese werden bereits in der Herstellerwerbung und auf den Flächen der gehobenen Händler dargestellt, auf der klassischen Handelsfläche jedoch nicht stringent genug umgesetzt. Dort dominiert häufig nach wie vor das Produkt die Präsentation.

Bei allen "Gleichheiten" zwischen den Vertriebsformen im Hinblick auf die generellen Markterfordernisse, zeigt die Analyse der Verbrauchergruppen auch (deutliche) Unterschiede in der Bedarfslage. Unübersehbar wird aber der Möbelfachhandel nach wie vor und zunehmend als das Kompetenzzentrum für die meisten Sortimente der Home & Interior Markets angesehen. Damit könnte der Fachhandel eine viel stärkere Markttreiberfunktion ausüben, als es derzeit der Fall ist. Vielmehr werden vielfältige Chancen vertan, welche dann von Branchenfremden genutzt werden. Das Fazit der BBE-Handelsexperten ist eindeutig: "Der Möbelhandel hat das Potenzial zum Markttreiber, er muss es nur nutzen!"
aus Haustex 05/08 (Handel)