Chancen für Textilindustrie und -handel

Krise beschleunigt den Strukturwandel


Die Krise als Chance - der Satz mag wie das Pfeifen im Walde klingen, um sich Mut zu machen. Doch tatsächlich sind es Krisenzeiten, die unbequeme Wahrheiten und Schwächen offen zu Tage fördern. Sie zwingen Unternehmen, Branchen und Märkte dazu, sich neu zu sortieren und zum Teil längst überfällige strukturelle Veränderungen möglichst rasch umzusetzen. Auf der Eröffnungspressekonferenz zur Heimtextil widmete sich Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, diesem Thema und zeigte in seinem Vortrag eben jene Veränderungen auf, die durch die Krise nötig sind beziehungsweise beschleunigt werden:

"Schon vor der aktuellen Wirtschaftskrise war die Textilindustrie einem rasanten Wandel unterworfen. In Deutschland sanken die Zahl der Textilbetriebe und der in diesem Wirtschaftssektor Beschäftigten stetig. Ein Grund dafür ist die Auslagerung der Produktion in Länder mit einem niedrigeren Lohnniveau. Gleichzeitig setzte sich die Konzentration in Industrie und Handel weiter fort. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Westeuropa, Nordamerika und Japan. Während die neuen Herstellerregionen Türkei, China, Indien und Pakistan ihre Produktionskapazitäten auch für höherwertige Textilien stetig ausbauen, gewinnen diese Gebiete gleichzeitig als Absatzmärkte an Bedeutung.

Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise bedeutet für die Textilindustrie den größten wirtschaftlichen Einbruch seit Jahrzehnten. In der Folge beschleunigt sich die Marktkonzentration, wobei sich dieser Prozess erstmals auch nach Asien ausweitet. Selbst bei dem Textil-Exportweltmeister China verlangsamt sich das Wachstum, weil der Konsum in den Schlüsselabsatzmärkten deutlich zurückgeht. Dies wirkt sich auch auf den Textilmaschinenbau aus. Weltmarktführer Deutschland erlebt hier einen Rückgang der Umsätze um 25 %, was vor allem auf Einbrüche im Export zurückzuführen ist. Auch der deutsche Handel leidet unter der Entwicklung; die Konzentrationsspirale setzt sich fort.

Zum Jahreswechsel zeichneten sich erste Szenarien ab, wie man auch in Krisenzeiten neues Wachstum generieren könnte: In der Türkei setzten Umsatzeinbrüche und Insolvenzen einen Umdenkungsprozess in Gang. Die Branche diskutiert über eine Neuausrichtung der Produktionskette auf ökologisch angebaute Baumwolle und Optionen zur Produktion höherwertiger Textilien sowie Wohntextil-Spezialitäten. In Deutschland wird das Konsumverhalten differenzierter ausgewertet, um es für Produktion und Vermarktung zu nutzen. Die deutschen Verbraucher sind die Konsumenten mit der stärksten Öko-Ethik und die Generation 50+ verfügt über eine enorme Kaufkraft. In China verlagern sich die Aktivitäten vom Export hin zur Entwicklung des Binnenmarktes. Gleichzeitig werden von der Regierung Förderprogramme für die Textilindustrie aufgelegt. Und das Konjunkturprogramm der US-Regierung fördert in der Landwirtschaft Baumwolllieferanten und -verarbeiter.

Eine im Vorfeld der Heimtextil unter den Ausstellern durchgeführte Umfrage ergab, dass vor allem Mittel- und Osteuropa als Absatzmärkte ein großes Zukunftspotential bescheinigt wird. Dagegen falle Nordamerika auf das Niveau des Nahen- und Mittleren Ostens und Japans. Bei den Vertriebswegen sahen die Aussteller den Handel und das Objektgeschäft vorne. Vor allem für Hotellerie und Gastronomie äußerten die Befragten große Wachstumserwartungen.

Positiv sollen sich 2009 im Wesentlichen vier Faktoren auf die Geschäftsentwicklung auswirken: veränderte Einrichtungstrends, Nachhaltigkeit als Kaufkriterium, steigende Lebenserwartung und eine insgesamt veränderte Konsumneigung. Als die wichtigsten Negativfaktoren wurden die Finanzmarktkrise, steigende Energie- und Rohstoffkosten sowie der wachsende Preisdruck des Handels genannt."
aus BTH Heimtex 02/09 (Deko, Gardinen, Sonnenschutz)