Drei aktuelle Urteile für Boden- und Parkettleger

Wie würden Sie entscheiden? (Teil II)

In der letzten Ausgabe von FussbodenTechnik konnten Sie sich über das Thema Recht in der Praxis der Boden- und Parkettleger einen Einblick verschaffen. Andreas Hanfland, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Lennestadt, hat drei weitere aktuelle Rechtsfälle zusammengestellt. Lesen Sie jeweils den ersten Absatz der Fälle und fragen Sie sich dann: Wie würden Sie entscheiden? Die Auflösung des Falls folgt unmittelbar anschließend.

FALL 1:

Die Firma N GmbH betreibt einen Bodenlegerbetrieb. Für ein großes Bauprojekt bestellt N bei dem Großhandel G einen Linoleumbelag und lässt ihn direkt zur Baustelle liefern. Der Bodenbelag wird am 3.04.2008 ausgeliefert. Als N am 10.04.2008 mit den Verlegearbeiten beginnen möchte, stellt sie fest, dass der Bodenbelag aufgrund eines Produktionsfehlers stark zerkratzt ist und so nicht verlegt werden kann. Er ruft daraufhin umgehend bei G an und begehrt Ersatzlieferung. G erklärt, dass sie eine kostenlose Ersatzlieferung ablehne. N ist hierüber so verärgert, dass er den Bodenbelag bei einem anderen Großhändler bestellt und die Rechnung des G nicht zahlt. Daraufhin verklagt G die N auf Zahlung des Kaufpreises für den gelieferten Bodenbelag. N wendet ein, dass der Bodenbelag mangelhaft war und G eine Nachlieferung abgelehnt habe.

Abwandlung:
N untersucht den gelieferten Bodenbelag am 04.04.2008 und fordert G am gleichen Tag per Telefax unter Darlegung des Mangels und unter Fristsetzung auf, neue Ware zu liefern. Der Sendebericht des Telefaxes enthält den Vermerk OK. Nachdem G nicht liefert, besorgt sich N den Belag wiederum bei einem anderen Großhändler. G klagt auf Zahlung und behauptet, sie habe das Fax nie erhalten.

Wie würden Sie entscheiden?

So hat das Gericht entschieden:
1) In der ersten Variante hat das Gericht die Firma N zur vollständigen Zahlung verurteilt. Als GmbH ist N Kaufmann i.S.d. HGB, sodass § 377 HGB Anwendung findet. § 377 HGB stellt unmissverständlich klar, dass bei einem Handelsgeschäft zwischen Kaufleuten die erhaltene Ware unverzüglich nach der Ablieferung untersucht werden muss und ein Mangel wiederum unverzüglich gerügt werden muss. In der Regel bedeutet dies (um Unverzüglichkeit zu bejahen), dass spätestens innerhalb von 2 Werktagen die gelieferte Ware (zumindestens stichprobenartig) auf etwaige Mängel untersucht werden muss. Nicht offensichtliche Mängel müssen sofort gerügt werden, sobald der Mangel entdeckt wird. Dies bedeutet auch, dass wenn ein Bauherr nach drei Jahren einen Mangel an einem Bodenbelag rügt, der Bodenleger dies unverzüglich seinem Lieferanten mitteilen muss. Erfolgt die Rüge nicht unverzüglich, so bedeutet dies, auch wenn die gelieferte Ware auch noch so mangelhaft war, dass der Käufer keine Gewährleistungsrechte mehr geltend machen kann. Hier ist § 377 HGB knallhart. Hierbei sei noch angemerkt, dass grundsätzlich nach Neuregelung des HGB fast jeder Betrieb (nicht nur GmbHs) als kaufmännischer Gewerbebetrieb angesehen wird, sodass § 377 HGB in den meisten Praxisfällen gilt.

2) In der zweiten Variante hat die N zwar fristgemäß gerügt, G streitet jedoch ab, das Fax erhalten zu haben. Entgegen der weit verbreiteten öffentlichen Meinung vertritt die obergerichtliche Rechtsprechung immer noch die Auffassung, das ein OK auf einem Faxbericht kein Beleg dafür ist, dass das Fax tatsächlich angekommen ist. Es findet keine Beweislastumkehr statt. Sofern ein fristwahrendes Schriftstück per Fax gesendet werden soll, kann nur jedem geraten werden, telefonisch nachzufragen, ob das Fax angekommen ist. Am besten wäre eine schriftliche Bestätigung des Empfängers, dass das Fax angekommen ist. Zumindest sollte nach einer telefonischen Nachfrage, welche aus Beweisgründen unbedingt durch einen Mitarbeiter und nicht durch den Geschäftsführer/Inhaber erfolgen sollte, eine Aktennotiz gefertigt werden, in der aufgeführt ist, wann das entsprechende Gespräch stattgefunden hat und welche Person den Empfang des Faxes bestätigt hat. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, da nicht nachgewiesen werden kann, dass das Fax ordnungsgemäß angekommen ist, dass der Klage stattgegeben wird.

Tipp: In diesem Zusammenhang möchten wir auch darauf aufmerksam machen, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oft die Klausel zu finden ist, dass die Rüge nach § 377 HGB schriftlich zu erfolgen hat. Diese Klausel ist zurzeit wohl noch als wirksam anzusehen. Sofern daher die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und die Rüge nur mündlich erfolgte, so führt dies zu einem Verlust der kompletten Gewährleistungsrechte, sofern sich die Gegenseite auf die Schriftform beruft. Fazit ist daher, dass eine Rüge am besten immer schriftlich zu erfolgen hat und telefonisch durch einen Mitarbeiter um Empfangsbestätigung des Schriftstückes gebeten wird.


FALL 2:

Die Firma M erhält den Auftrag für die Bodenbelagsarbeiten in einem neuen Autohaus. Als Fertigstellungstermin ist der 9.05.2008 vereinbart, da die Eröffnung am 13.05.2008 erfolgen sollte. Wird der Termin nicht eingehalten, so ist eine Vertragsstrafe vereinbart. Da M betrieblich sehr ausgelastet ist, vergibt sie den Auftrag an ihren Subunternehmer S weiter. Als M am 9.05.2008 zur Abnahme erscheint, muss sie feststellen, dass S die Arbeiten sehr mangelhaft ausgeführt hat, jedoch die Baustelle bereits verlassen hat. Der Bauherr fordert M auf, aufgrund des nicht verschiebbaren Eröffnungstermins, die Mängel bis spätestens zum 12.05.2008 zu beseitigen. M ruft sofort bei S an und fordert ihn auf, sofort wieder auf der Baustelle zu erscheinen und die Mängel zu beseitigen. S erklärt, dass er schauen werde, ob er noch Arbeiter auftreiben kann, die am bevorstehenden Wochenende arbeiten. S erscheint jedoch nicht mehr auf der Baustelle, sodass sich M genötigt sieht, die Arbeiten am Wochenende selbst auszuführen. M möchte dem S die Kosten für die zusätzliche Wochenendarbeit in Rechnung stellen und klagt daher vor dem zuständigen Gericht.

Wie würden Sie entscheiden?

So hat das Gericht entschieden:
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. M hat hier einen entscheidenden Fehler begangen. Sofern festgestellt wird, dass Mängel vorhanden sind, so ist der Auftraggeber regelmäßig dazu verpflichtet, dem Auftragnehmer eine Frist zur Mangelbeseitigung zu setzen, auch wenn diese in dem vorliegenden Fall sehr kurz gewesen wäre. Hier hat M den S jedoch nur aufgefordert, unverzüglich zu erscheinen und die Mängel zu beseitigen. Eine Fristsetzung war nicht erfolgt. Der S hat auch eine Durchführung nicht endgültig und ernsthaft abgelehnt, da er erklärte, er werde versuchen, noch Arbeiter aufzutreiben, welche die Arbeiten ausführen können. Festzuhalten ist daher, dass sofern Mängel festgestellt werden, immer eine Aufforderung zur Mangelbeseitigung unter Fristsetzung, d.h. das Schreiben muss unter Darlegung der Mängel eine Frist enthalten, bis zu der die beschriebenen Mängel vollständig zu beseitigen sind, vorliegen muss. Die Frist zur Mängelbeseitigung beträgt in der Regel zwei Wochen, kann jedoch bei besonderen Umständen auch entsprechend verkürzt werden. Im Zweifel sollte hier jedoch entsprechender Rechtsrat eingeholt werden, bevor die Mängel selber beseitigt werden.


FALL 3:

Die Firma O verlegt großflächig Kautschukbeläge der Firma N. Die von dem Hersteller und Vertreiber N herausgegebene Verlegeempfehlung beinhaltet sowohl die Einpflege des Belages mit einer "harten" oder "weichen" Einpflege. O entscheidet sich für die "harte" Einpflege. Nach Fertigstellung und Abnahme der Arbeiten stellen sich am verlegten Bodenbelag großflächige und fleckenhafte Abplatzungen fest. Ursache der Schäden war eine falsche Einpflege des Bodenbelages. Die falsche Einpflege ist unstreitig darauf zurückzuführen, dass seitens der Firma N ein falsches Einpflegemittel in der Verlegeanleitung ausgelobt wurde. O hat entsprechend der Verlegeanleitung des Herstellers die Einpflege vorgenommen. Der Bauherr setzt der O eine Frist zur Mangelbeseitigung. O lehnt die Mangelbeseitigung ab, da ihn kein Verschulden treffe, da er als Bodenleger (was unterstellt wird) nicht hätte erkennen können, dass die Verlegeanleitung falsch war. O klagt schließlich auf Zahlung des noch ausstehenden Werklohns in Höhe von 70.000 EUR. Der Bauherr erklärt in diesem Prozess die Aufrechnung mit Vorschussansprüchen für die Mangelbeseitigung in gleicher Höhe.

Wie würden Sie entscheiden?

So hat das Gericht entschieden:
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Hier stellte der Bauherr so genannte Vorschussansprüche zur Aufrechnung. Vorschussansprüche sind Ansprüche, welche der Auftraggeber geltend machen kann, wenn er beabsichtigt, die Mängel zu beseitigen. Hierüber muss er auch später Rechenschaft ablegen. Vorschussansprüche sind im Gegensatz zu Schadensersatzansprüchen verschuldensunabhängig. Es kommt daher gar nicht darauf an, ob der O ein Verschulden trifft oder nicht. Solange der Auftraggeber nur Vorschussansprüche geltend macht, spielt das Verschulden keine Rolle. Es liegt ein Mangel vor, den O beseitigen muss. Etwas anderes würde im vorliegenden Fall gelten, wenn der Auftraggeber überhaupt nicht beabsichtigt, den Bodenbelag auszuwechseln, somit nur Schadenersatzansprüche geltend macht. Hier würde es dann an einem Verschulden fehlen. In diesem Zusammenhang möchten wir darauf aufmerksam machen, dass die Rechtsprechung nochmals herausgestellt und entschieden hat, dass Herstellerempfehlungen keine rechtliche Verbindlichkeiten darstellen. Vielmehr muss auch der Bodenleger prüfen, ob die Herstellerempfehlungen den anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

Tipp: Vorstehendes Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt behandelt ausschließlich die Vertragsbeziehungen zwischen dem Objekteur O und dem Bauherrn. Über eventuelle Rückgriffsansprüche des Objektbodenlegers gegen den Hersteller wegen der nicht ordnungsgemäßen Einpflegeempfehlung ist in diesem Rechtsstreit nicht entschieden worden.


Der Autor: Andreas Hanfland ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Lennestadt.

Kontakt:
Rechtsanwälte Hanfland & Partner
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aus FussbodenTechnik 05/08 (Recht)