Dr. Norbert Arnold, Leiter Technischer Produktservice - Uzin Utz

Umwelt- und Anwendungseigenschaften von Parkett-Klebstoffen

Parkett-Fußböden gelten zu Recht als sehr hochwertige Böden. Entsprechend erwartet auch der Nutzer, dass sie höchsten Standards bei allen Eigenschaften gerecht werden. Viele Außenstehende verwundert es daher, dass ausgerechnet in diesem Bereich der Fußbodentechnik die als stark gefährdend angesehenen, lösemittelhaltigen Produkte noch in erheblichem Maße eingesetzt werden.

Der Trend geht erfreulicherweise weg von den Lösemittelprodukten, so dass sich die in Deutschland abgesetzte Menge der lösemittelhaltigen Parkettklebstoffe in den zurückliegenden 4 - 5 Jahren mehr als halbiert hat. Allerdings ist ihr Marktanteil mit 25 - 30% immer noch unnötig hoch (s. Tabelle 1). In jüngster Zeit haben einige Anbieter angekündigt, lösemittelhaltige Produkte komplett aus ihrem Sortiment zu streichen. Die sich verschärfenden gesetzlichen Rahmenbedingungen werden zusätzlich zu einem weiteren Rückgang der Absatzmengen führen. Aufgrund der Trägheit des Marktes und des häufig anzutreffenden Widerstandes gegen lieb gewonnene Verwendergewohnheiten werden lösemittelhaltige Parkettklebstoffe allerdings noch für einige Jahre eine spürbare Rolle im Markt spielen.

Die möglichen Alternativen sicher beurteilen zu können und damit den Trend weg von Lösemitteln zu beschleunigen, ist das Ansinnen dieses Beitrags.

Parkettklebstoff-Gruppen

Nachfolgend werden die Parkettklebstoffe anhand ihres stofflichen Aufbaus in fünf unterschiedlichen Gruppen zusammengefasst und unter Berücksichtigung der jüngsten Produktentwicklungen bewertet. Ihre jeweilige Marktbedeutung ist anhand der Tabelle 2 erkennbar.

In der Praxis wird häufig sehr pauschal und damit wenig zutreffend über die einzelnen Produktgruppen geurteilt. Im Sinne von mehr Klarheit in diesem Beitrag die verschiedenen Produktgruppen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet: Einerseits aus Verarbeitersicht und andererseits aus Nutzersicht. Durch diese Differenzierung können die Wirkungen treffender dargestellt werden, was die Gesamtbeurteilung insgesamt erleichtert.

Dispersions- und Pulver-Klebstoffe

Dispersions-Klebstoffe bestehen aus feinteiligen, nicht reaktiven Kunststoff-Dispersionen, mineralischen Füllstoffen und Wasser. Sie sind keine Gefahrstoffe und in der Verwendung unbedenklich. Laut aktueller TRGS 610 sind nur diese Produkte Ersatzstoffe für Lösemittel-Klebstoffe, jedoch nur, sofern dies technisch möglich ist. Wegen ihres Wassergehalts sind Dispersions-Klebstoffe nur für quellunempfindliche Parkettarten, wie Mosaik- oder Zweischicht-Parkett, geeignet. In der Praxis sind sie daher leider nur in der Minderheit der Fälle als Ersatzstoffe für Lösemittel-Klebstoffe einsetzbar. Trotz kontinuierlicher Weiterentwicklung der Dispersionsklebstoffe, zeichnet sich keine gravierende Änderung dieser Situation ab. Sie werden sich nicht nicht in absehbarer Zeit als vollwertiger Ersatz für Lösemitel-Klebstoffe etablieren können.

Für den Nutzer sind Dispersions-Klebstoffe absolut unbedenklich. Es gibt keinerlei bekannte Einschränkungen.

Pulverklebstoffe bestehen aus Dispersionspulver, mineralischen Zuschlägen und Zement oder Gips als wasserbindendem Zuschlag. Im Grunde handelt es sich um auf der Baustelle anzumischende Dispersions-Klebstoffe. Durch den Zusatz des reaktionsfähigen Zements bzw. Gipses wird das zum Anmischen und Verlegen notwendige Wasser beim Abbinden chemisch gebunden. Im Vergleich zu reinen Dispersionsklebstoffen belasten sie den Parkettboden dadurch nur mit einer deutlich reduzierten Wassermenge. Als Folge haben sie einen wesentlich erweiterten Einsatzbereich. Die Zementmenge ist so niedrig, dass diese Produkte weder Gefahrstoff noch kennzeichnungspflichtig sind. Praktisch ist für den Verleger kein Gefahrenpotenzial vorhanden. Auf der Baustelle werden sie durch Mischen des Pulvers mit einer vorgegebenen Wassermenge gebrauchsfertig hergestellt. Obwohl mit Wasser anzumischende Produkte üblicherweise nicht als Zweikomponenten-Systeme eingestuft werden, sehen viele Verarbeiter die Pulverklebstoffe als zweikomponentige Produkte mit deren systemgegebenen Nachteilen, wie z. B. fehleranfälliges Mischen oder begrenzte Topfzeit, an. Dies beschränkt ihre Verwendung auf einen kleinen Kreis "eingefleischter Fans".

Da Zement bzw. Gips beim Abbinden mit Wasser vollständig abreagieren, sind Pulver-Klebstoffe für den Nutzer mit Dispersions-Klebstoffen gleichzusetzen: Keinerlei bekannte Einschränkungen.

Hybrid-Klebstoffe

Hybrid-Klebstoffe werden auch als MS-, MSP- oder STP-Klebstoffe bezeichnet und sind immer einkomponentig. Sie sind eine einzige Erfolgsgeschichte im Bereich der Parkettklebstoffe (s. Tabelle 3). Waren sie vor fünf Jahren noch ein Randprodukt, so bilden sie heute die größte Gruppe innerhalb der Parkettklebstoffe. Das Bindemittel dieser Klebstoffe besteht aus einem Polymergerüst mit eingebauten, reaktiven Silan-Gruppen.

Das Gefährdungspotenzial dieser Silan-Gruppen ist so gering, dass diese Produkte für den Verwender unbedenklich sind. Sie sind folglich nicht als Gefahrstoffe eingestuft und schränken den Verleger in keiner Weise ein. Seit 2008 sind sie auch als Ersatzprodukte für Lösemittelklebstoffe gemäß TRGS 610 eingestuft. Hybridklebstoffe werden überwiegend zur weichelastischen Verklebung eingesetzt. Sie sind sehr vielseitig, jedoch nicht universell einsetzbar. Hybrid-Klebstoffe härten zuverlässig mit der allgegenwärtigen (Rest-)Feuchtigkeit aus. In der Aushärtephase setzen sie dabei Methanol frei. Dessen Menge ist allerdings nachweislich so gering, dass sie aus Arbeitsschutz- und ökologischer Sicht als unbedenklich gilt - den meisten Anwendern ist dieser Effekt sogar unbekannt. Wegen der hohen Reaktivität der Hybrid-Klebstoffe ist die Methanolbildung sehr rasch abgeschlossen, weshalb diese Produkte vielfach die Emicode EC1-Klassifizierung (sehr emissionsarm) erreichen, und damit auch aus Nutzersicht völlig unbedenklich sind.

Einkomponentige Polyurethan-Klebstoffe (1K-PUR)


1K-PUR-Klebstoffe werden überwiegend zur weichelastischen Verklebung eingesetzt. Sie sind vielseitig, aber nicht universell einsetzbar. Letztlich muss der Parkettleger mit Hilfe des Klebstoff-Herstellers über den passenden Einsatz der Produkte entscheiden. 1K-PUR-Klebstoffe ähneln in ihrem Aufbau den Hybrid-Klebstoffen. Anstelle der reaktiven Silan-Gruppen enthalten sie Isocyanat-Gruppen. Isocyanate sind aus chemischer Sicht hoch reaktive Substanzen, sie unterliegen der Gefahrstoff-Verordnung und sind entsprechend gekennzeichnet. Die Deklaration dieser Produkte ist abhängig von ihrem Isocyanat-Gehalt. Die Produktgruppe umfasst sowohl kennzeichnungsfreie als auch kennzeichnungspflichtige Klebstoffe. Bei kennzeichnungsfreien Produkten besteht keine akute Gefährdung des Verlegers; sollte dieser jedoch sensibilisiert sein, so sind trotz weitgehender Unbedenklichkeit vorbeugende Schutzmaßnahmen ratsam. Bei kennzeichnungspflichtigen Produkten sind die Arbeitsschutzmaßnahmen des zugehörigen Giscode zu beachten. Für den Nutzer gilt: Keinerlei Gefährdungspotenzial.

Zweikomponentige Polyurethan-Klebstoffe (2K-PUR)

Innerhalb dieser Produktgruppe finden sich für praktisch alle Anwendungen und Holzarten geeignete Produkte. Sie werden erst auf der Baustelle aus den beiden Komponenten Polyol (Komponente A) und Isocyanat (Komponente B) angemischt. Im Vergleich zu einkomponentigen Produkten wird das Mischen als zusätzlicher Arbeitsgang angesehen; für Ungeübte ist es darüber hinaus fehleranfällig. Ist der Aushärteprozess durch das Anmischen einmal angestoßen, lässt er sich nicht mehr anhalten. Da die Arbeitsvorgänge dadurch zeitlich eingeschränkt sind, ist eine planmäßige Vorgehensweise auf der Baustelle unbedingt notwendig. 2K-PUR-Klebstoffe sind daher absolute Profi-Produkte. Die A- bzw. Polyol-Komponente ist weitgehend harmlos, die B- bzw. Isocyanat-Komponente ist allerdings hoch reaktiv. Das führt dazu, dass sie einerseits sehr zuverlässig und schnell mit der Polyol-Komponente abreagiert, andererseits kann sie auch mit anderen zur Verfügung stehenden Reaktionspartnern reagieren. Bei Hautkontakt reagieren sie sehr schnell mit dieser, was zu Reizungen und anderen Schäden führen kann. Häufig wiederholter Kontakt kann darüber hinaus zu Sensibilisierung führen. Entsprechende Schutzmaßnahmen sollten daher selbstverständlich sein. Leider ist man auf der Baustelle immer wieder mit der Vernachlässigung von Schutzmaßnahmen konfrontiert. Für den Nutzer gilt das bei den 1K-PUR-Klebstoffen Beschriebene: keinerlei Gefährdungspotenzial.

Lösemittelhaltige Klebstoffe

Lösemittelhaltige Produkte hatten 2008 noch einen Marktanteil von ca. 25%. Sie sind einfach zu verarbeiten, haben ein sehr breites Einsatzgebiet und sind dazu noch preisgünstig. Ihr Lösemittelgehalt beeinträchtigt den Anwender auf zweierlei Art: Erstens schädigen Lösemittel die Gesundheit und zweitens sind sie brennbar, mit allen Folgen bis hin zum Explosionsschutz.

Die jüngste Entwicklung bei dieser Produktgruppe ging hin zu Klebstoffen, die aufgrund ihrer Kombination aus Art und Menge der Lösemittel bzw. Additive die Einhaltung der bestehenden Grenzwerte unter allen Baustellenbedingungen gewährleisten. Sie vereinfachen dadurch spürbar die Arbeitsschutzmaßnahmen und werden vom Giscode S0,5 erfasst. Ihre Marktbedeutung ist begrenzt geblieben, ein Hersteller hat diese Produktlinie im Rahmen der Lösemittelsubstitution sogar wieder ganz aus seinem Sortiment entfernt.

Unabhängig von dieser Entwicklung dürfen laut TRGS 610 lösemittelhaltige Klebstoffe nur dort eingesetzt werden, wo dazu die technische Notwendigkeit besteht. Bei der aktuell noch eingesetzten Menge muss man allerdings eher davon ausgehen, dass diese Vorschrift als Wunsch ausgelegt wird - denn nach dem Stand der Technik gibt es für alle Anwendungen Alternativprodukte. Viele Klebstoff-Hersteller dokumentieren dies auch auf Wunsch durch schriftliche Aufbauempfehlungen. Offensichtlich werden die genannten Einschränkungen vom Verleger selbst als nicht so gravierend empfunden, anders lässt sich die Unbedarftheit beim Umgang mit diesen Produkten kaum erklären.

Beim Nutzer des Bodens stellt sich die Situation völlig anders dar: Lösemittelhaltige Produkte werden generell als äußerst kritisch betrachtet und in aller Regel vom Endverbraucher abgelehnt - sofern er über ihren Einsatz Kenntnis erhält. In vielen Fällen werden lösemittelhaltige Produkte ohne Einverständnis des Nutzers eingesetzt. Werden dann mittels Raumluftanalyse Lösemittel nachträglich festgestellt, ist der extrem kostenträchtige Rückbau kaum noch zu umgehen.

Lösemittelhaltige Parkett-Klebstoffe sind heute nicht mehr zeitgemäß. Auch wenn die S0,5-Klebstoffe tatsächlich weniger gefährdend als herkömmliche Produkte sind, so verunsichern sie doch zumindest den Endkunden, was letztlich zu Lasten aller Parkettklebstoffe geht. Eine nennenswerte Akzeptanz beim Verarbeiter wird vermutlich weiter bestehen bleiben. Allerdings ist abzusehen, dass einerseits durch ausreichende Verfügbarkeit technisch ebenbürtiger Ersatzprodukte (Hybridklebstoffe mit dem Giscode RS10) und andererseits durch abzusehende einschränkende Europäische Regelungen, wie z. B. der Decopaint-Richtlinie, in einigen Jahren lösemittelhaltige Produkte ganz vom Markt verschwinden werden.

Zusammenfassende Bewertung

Am leichtesten fällt die Bewertung bei den Lösemittel-Klebstoffen: Sie sind inakzeptabel. Solange es die gesetzlichen Rahmenbedingungen allerdings noch zulassen, werden sie weiterhin einen nennenswerten Marktanteil behaupten. Der Einsatz von 2K-PUR-Klebstoffen bei schwierigen Klebungen wird weiterhin in erheblichem Maße erfolgen. Da die Verarbeitung gewerblich erfolgt, sind die Gefährdungspotenziale durch den professionellen Umgang mit diesen Stoffen als gering einzuschätzen. Hybrid-Klebstoffe gewinnen weiterhin Marktanteile, hauptsächlich zu Lasten der Lösemittel-Klebstoffe.

Alle Typen von Reaktionsharz-Klebstoffen erreichen häufig die Klassifizierung "sehr emissionsarm EC1" nach dem Emicode. Sie stellen also keinerlei Gefährdung oder Beeinträchtigung für den Nutzer dar. Dennoch sind diese Produkte für manche kritischen Verbraucher mit einem Makel behaftet: "Chemie"-Produkte sind für diese Nutzergruppe grundsätzlich suspekt. Auch mit Hybrid-Klebstoffen, die heute als Ersatzprodukte für lösemittelhaltige Produkte entsprechend TRGS 610 empfohlen werden, wird diese Verbrauchergruppe nicht immer erreicht.

Dispersions- und Pulverklebstoffe sind unter Arbeits- und Umweltschutz-Gesichtspunkten als überzeugend positiv zu bewerten. Sofern der vorgesehene Einsatzbereich dies technisch zulässt, sind sie die erste Wahl.

Bei "ökologischen Hardlinern" sind selbst diese beiden letzten Produktgruppen nicht uneingeschränkt akzeptiert. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob diese überkritische Klientel überhaupt als Zielgruppe für hochwertige handwerkliche Arbeit geeignet ist.

Insgesamt gesehen stehen heute aus Verleger- und Nutzersicht für alle Parkett-Verklebungen unkritische Produkte zur Verfügung. Weiterhin gilt, die Überzeugungsarbeit zur Substitution der Lösemittel-Klebstoffe beharrlich fortzuführen. Diskussionen, die im Grunde unbedenkliche Produkte in Verruf bringen können, werden so von Anfang an vermieden.
aus Parkett Magazin 01/10 (Klebstoffe)