Wann kann der Werkunternehmer eine Mangelbeseitigung wegen unverhältnismäßig hoher Kosten der Nachbesserung verweigern?

In letzter Zeit stellt sich vor Gericht häufig die Frage, ob ein Unternehmer bei zu hohen Mangelbeseitigungskosten die Mangelbeseitigung ablehnen und den Auftraggeber auf eine Minderung verweisen kann. Diese Frage, ob der Bauherr eine Komplettsanierung verlangen kann oder eine Minderung akzeptieren muss, ist rechtlich höchst umstritten. Nach § 635 Abs. 3 BGB/§ 13 Nr. 6 VOB/B darf ein Unternehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Unabhängig hiervon darf der Auftragnehmer selbstverständlich eine Nacherfüllung verweigern, wenn die Nacherfüllung für ihn unmöglich ist im Sinne des § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB. Es stellt sich nunmehr die Frage, wann eine solche Unverhältnismäßigkeit vorliegt. Ob eine Unverhältnismäßigkeit vorliegt, ist eine Rechtsfrage, welche letztendlich durch das Gericht beantwortet werden muss.

Nach der Rechtsprechung liegt eine Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserungskosten in der Regel nur dann vor, wenn einem objektiv geringem Interesse des Bestellers an einer völlig ordnungsgemäßen Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb unangemessener Aufwand gegenübersteht. Ist die Funktionsfähigkeit des Gewerks spürbar beeinträchtigt, kann die Nachbesserung regelmäßig nicht wegen zu hoher Kosten verweigert werden. Diese Rechtsprechung zeigt, dass die Berufung auf zu hohe Nachbesserungskosten in der Regel keinen großen Erfolg haben wird.
Ohne Bedeutung für die erforderliche Abwägung sind das Preis-/Leistungsverhältnis und das Verhältnis des Nachbesserungsaufwandes zu den gehörigen Vertragspreisen. Eine weitere Rolle bei der Abwägung spielt, ob man dem Auftragnehmer ein Verschulden vorwerfen kann, er also ggf. bewusst vom vertraglichen Soll abgewichen ist. Sollte dies der Fall sein, ist die Rechtsprechung sehr streng.

Hierzu ein kleiner Beispielsfall (frei nach BGH VII ZR 64/04 vom 10.11.2005):

Ein Werkunternehmer hatte in 18 Bädern einer Seniorenwohnanlage entgegen der vertraglichen Vereinbarung unter dem Fliesenbelag keine Flüssigfolie (Abdichtungsverfahren nach dem System D.) aufgebracht, welche das Eindringen von Sickerwasser in den Fußbodenaufbau und die Fußbodenheizung verhindern sollte. Der Auftragnehmer hat hingegen abweichend vom Auftrag eine Verfugung der Bodenfliesen mit Epoxidharz durchgeführt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die aufgebrachteEpoxidharzverfugung die Feuchtigkeit nicht dauerhaft zurückhalten kann. Die Abdichtung der Bäder nach dem "System D". ist bei ordnungsgemäßer Ausführung dem herkömmlichen Abklebeverfahren überlegen.

Wegen des zwischen Fliesenbelag und Estrich einzubringenden wasserundurchlässigen Spezialanstrichs kann durch die Fugen eintretendes Wasser in einem besonderen Ablaufrahmen aufgefangen werden. Damit wird verhindert, dass der Fußbodenaufbau einschließlich der Isolierung und der Fußbodenheizung dauerhaft im Feuchten liegt. Die von dem Auftragnehmer ausgeführte Abdichtung stellt nach den Ausführungen des Sachverständigen keine dauerhafte Lösung dar. Gleiches gilt für den lediglich mit Dichtstoffen verschlossenen Übergangsbereich zwischen dem Fliesenboden und dem Wandbereich.

Letztendlich stellt der Sachverständige fest, dass zur Erreichung des vertraglich geschuldeten Solls eine Komplettsanierung des gesamten Fußbodenaufbaus einschließlich der Fußbodenheizung erforderlich sei, was einen Gesamtaufwand von 216.000 EUR verursacht. Etwaige Minderungskosten beziffert der Sachverständige auf 2.000 EUR.
Nachdem die Instanzgerichte dem Auftraggeber nur einen Minderungswert in Höhe von 2.000EUR zugebilligt haben, stellt der Bundesgerichtshof eindeutig fest, dass der Bauherr ein Recht auf eine Komplettsanierung hat. Der Bauherr habe ein objektiv berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung, was den Einwand der Unverhältnismäßigkeit ausschließt. Der Auftraggeber habe zudem den Mangel verschuldet, da er bewusst von dem vertraglich Vereinbarten abgewichen sei.

Jedem Auftragnehmer muss daher bewusst sein, dass wenn er eigenmächtig vom vertraglichen Soll abweicht, ihm möglicherweise erhebliche Mängelbeseitigungskosten drohen.
aus FussbodenTechnik 01/10 (Recht)