Baumwolle / Chemiefasern

Unausgeglichene Marktsituation


Stuttgart - Anlässlich der Jahrespressekonferenz der Textil- und Bekleidungsindustrie in Baden-Württemberg (Südwesttextil) ging deren Verbandspräsident Armin Knauer in seinem Statement u. a. auch auf die derzeitige Rohstoffsituation - und zwar sowohl bei der Baumwolle als auch bei der Beschaffung von Chemie- und Viskosefasern - ein. Themenfelder, die momentan besondere Sorgen bereiten.

"Der Preis für die Baumwolle befindet sich", so Knauer, "auf einem Höhenflug und ist seit dem letzten Herbst um über 50 Prozent gestiegen. Da Baumwolle in US-Dollar gehandelt wird, hängen die Preise zudem vom tagesaktuellen Wechselkurs ab." Für einen starken Euro bekomme ein Einkäufer viel, für einen schwachen Euro weniger Faserballen. Gleichzeitig habe auch das Optionsgeschäft mit Baumwolle (den Cotton Futures) angezogen. Das heißt, an den Rohstoffbörsen wetten Akteure darauf, wo der Preis in Zukunft stehen wird. Bis zu 20 Prozent der Preissteigerungen seien allein auf diese Spekulationen zurückzuführen.

"Hinzu kommt", bemerkte Präsident Knauer, "dass die Rohbaumwolle am Weltmarkt künstlich verknappt wird. Indien, wo fast ein Viertel der weltweit verfügbaren Baumwolle angebaut wird, hat jüngst ein Exportverbot verhängt. Pakistan belegte seine Garnausfuhren zum Schutz der heimischen Weiterverarbeiter mit einem Exportzoll. Und China, der größte Baumwollerzeuger, nahm seine Produktion massiv zurück." China exportiere im Übrigen keine Baumwolle, denn das Land sei auch weltgrößter Verbraucher und Importeur dieses wichtigen Rohstoffs. Entsprechend massiv wirke sich diese Situation inzwischen auf die heimische deutsche Textilindustrie aus. Die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Fasern und Garnen würden auch auf die nachfolgenden Produktionsstufen durchschlagen. Zudem würden die Lieferzeiten immer länger werden.

Fasern wie Polyamid, Polyester oder Viskose werden nicht nur in der Bekleidung und der Heimtextilindustrie eingesetzt, sondern mit einem Anteil von knapp 60 Prozent zunehmend im Bereich der technischen Textilien. Grund für die Verteuerung im Chemiefaserbereich seien vor allem die mit dem wirtschaftlichen Aufschwung verbundenen ansteigenden Energie- und Rohölpreise. "Daher", so Armin Knauer, "wird es einerseits für unsere Betriebe in den nächsten Monaten darum gehen, überhaupt noch ihren Rohstoffbedarf zu decken - zu welchem Preis auch immer. Denn das Schlimmste wäre doch, wenn eine Spinnerei aus Rohstoffmangel und eine Weberei oder Strickerei aus Garnmangel schließen müsste. Ein Hersteller hochwertiger Maschenstoffe von der Alb hat jüngst erzählt, dass er aufgrund der Rohstoffsituation jetzt eine große Lagerhalle plant, um sich dort einen eigenen Garnvorrat anzulegen aus Sorge, er könne seine Kunden in Zukunft nicht mehr zeitgerecht beliefern." Andererseits würden die Betriebe aufgrund der unausgeglichenen Marktsituation Gefahr laufen, nicht mehr die Rohstoffqualitäten zu bekommen, die sie für ihr Produkt üblicherweise verwenden. Es werde also schwieriger werden, die eigenen Qualitätsansprüche zu halten und die Kontinuität des Produktes zu gewährleisten.
aus Haustex 08/10 (Fasern, Garne)