BTH Heimtex lud die Gardinen- und Dekobranche zum Roundtable nach Hamburg

"Es gibt keine Alternative zur Heimtextil"

Seit Jahren erodiert der Bereich Deko und Gardine auf der Frankfurter Heimtextil. In diesem Jahr hat sich die Situation verschärft, etliche namhafte Anbieter, vor allem Editeure, fehlten auf der Messe. Das ist für die Besucher, die sich einen breiten Marktüberblick verschaffen möchten, ebenso unbefriedigend wie für die verbliebenen Aussteller, die um die Attraktivität der Heimtextil fürchten. Generell wünscht sich die Branche eine starke, zentrale Veranstaltung und keine Zersplitterung.

Zu einer Diskussion über Sinn, Zweck und Zukunft von Messen im allgemeinen und der Heimtextil im besonderen hatte BTH Heimtex führende Köpfe und Meinungsbildner aus der Branche nach Hamburg eingeladen, darunter sowohl langjährig treue Heimtextil-Teilnehmer, als auch solche, die zwischendurch ausgesetzt haben. Die Premium-Verlage waren der Einladung bedauerlicherweise nicht gefolgt, sie trafen sich wenige Tage später und entschieden sich, künftig auf der IMM in Köln auszustellen, statt auf der Heimtextil. Wir veröffentlichen hier eine Zusammenfassung des Branchen-Roundtables, der in entspannter Atmosphäre viel Raum für einen konstruktiven Austausch bot.

Die Heimtextil ist seit Jahrzehnten zu Beginn jeden Jahres für die gesamte Heim- und Haustextilienbranche Treffpunkt, Forum und Plattform für Gespräche, Geschäfte und Kontakte - und das nicht nur deutschlandweit, sondern für die ganze Welt. In den letzten Jahren konnte sich jedoch auch diese etablierte, international renommierte Veranstaltung einer Erosion der Aussteller nicht entziehen, die aus verschiedenen Gründen resultiert. Die Messe Frankfurt versucht dem durch permanente Anpassungen an die sich verändernde Marktsituation, Umstrukturierungen, Re-Attraktivierungen und Neuerungen entgegen zu wirken. Für 2011 hat man sich gezielt und ausgiebig mit den Heimtextilien-Segmenten befasst. Olaf Schmidt, Bereichsleiter Textilmessen bei der Messe Frankfurt, gab einen Einblick in die speziell für die Deko- und Gardinenbranche relevanten Modifikationen zur Heimtextil im nächsten Jahr.

Ein wesentlicher Punkt ist die Separierung von Editeuren und Herstellern, man könnte es auch "Entzerrung" nennen... Immer wieder habe es in der Halle 3.1, in der beide Ausstellergruppen untergebracht waren, Unruhe infolge divergierender Interessen und mangelnder Abgrenzung gegeben. Da die Editeure oft auch Kunden bei den Herstellern sind, sei manchmal eine ungewollte Wettbewerbssituation entstanden. Deshalb bietet die Messe den Editeuren künftig in der Halle 3.1 ein Umfeld, das sich nicht im direkten Wirkungskreis der Hersteller befindet. Stattdessen verlassen Tapeten ihre angestammte Halle 5.1 und ziehen in die 3.1 um. "Mit Tapeten, die in der letzten Zeit durch Kreativität und Innovationskraft zu einer Attraktion der Heimtextil avanciert sind und internationale Kundschaft anziehen, bieten wir den Editeuren, die der Heimtextil treu geblieben sind, hochkarätige und international agierende Standnachbarn."

In Halle 3.0 hält man dagegen an der bewährten Zusammensetzung mit dem Publikumsmagnet Deco Team und dem Gardinen-Bereich fest. "Wobei hier Unternehmen konzentriert werden, die schwerpunktmäßig den deutschen Markt und deutsche Kunden beliefern". Die ausgewiesenen Deko-und Möbelstoffproduzenten, die auch im Stückgeschäft aktiv sind, residieren künftig in 4.1 und 4.2; dort soll auch der Contract-Bereich seine neue Heimat finden.

Mit den Premium-Verlagen wolle die Heimtextil weiterhin im Gespräch bleiben und "gemeinsam konzeptionelle Überlegungen anstellen". Die Betonung läge hier auf "gemeinsamen Überlegungen", stellte Schmidt klar: "Das sehen wir nicht als Einbahnstraße." Grundsätzlich ist er durchaus optimistisch, dass Änderungen immer möglich sind.

Unland ist zwar einer der Aussteller der "ersten Stunde" der Heimtextil, hat aber auch mal einige Jahre auf eine Teilnahme verzichtet. Inzwischen ist Hendrik Unland ein überzeugter Verfechter der Messe: "Für uns ist die Heimtextil ein Muss. Sie ist die einzige internationale Messe der Branche, die direkt vor unserer Haustür in Deutschland stattfindet, also keine übermäßigen Kosten verursacht. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass das so bleibt." Dafür müsse die Branche in Frankfurt Präsenz zeigen: "Das muss nicht mit einem riesigen Stand, dem kompletten Außendienst und folglich hohen Kosten verbunden sein - das kann man heute auch anders lösen", nahm Unland dem Argument der teuren Messeteilnahme den Wind aus den Segeln.

Die Kunden, Fachhandel und Raumausstatter, die nach Frankfurt kommen, um ihre Lieferanten zu treffen, würden registrieren, wenn einer fehlt - und entsprechend reagieren: "Wir sind damals regelrecht bestraft worden, als wir einige Jahre ausgesetzt haben - unter anderem durch geringere Umsätze."
Justus Schmitz, Kopf der Schmitz-Werke, bezeichnet sich selbst als Fan der Heimtextil und war dort zwanzig Jahre als Aussteller vertreten. Mit seinen inzwischen stark objektorientierten Drapilux-Dekoaktivitäten hat er sich jedoch von der Messe zurückgezogen, weil das Konzept für den Contract-Bereich zu verwässert sei. "Das Problem ist die sehr unterschiedliche Qualität der Contract-Anbieter", sagt er offen. Drapilux mit seiner ausgesprochenen Objektausrichtung fühle sich dort nicht richtig aufgehoben. "Wir haben uns soweit spezialisiert, dass wir heute keine Stoffe mehr nach bestimmten modischen oder Trendkriterien entwickeln, sondern für bestimmte Anwendungen, zum Beispiel das Krankenhaus. Doch treffen wir in Frankfurt gar nicht unsere Kunden aus diesem Segment."

Grundsätzlich begrüßte die Runde die neue Hallenstruktur und die Veränderungen zur Heimtextil 2011 sowie die gewachsene Gesprächsbereitschaft und Flexibilität der Messe Frankfurt als Schritt in die richtige Richtung. Burkhard Koop, geschäftsführender Gesellschafter des Textilverlages Heco: "Die neue Aufteilung kommt unseren Kunden entgegen. Denn Fachhandel und Raumausstatter suchen in Frankfurt keine Anbieter bei denen sie günstig 300 oder 400 m einkaufen, sondern wo sie Coupons beziehen können."

Rasch Textil- Geschäftsführer Harald Katzenberger sprach sozusagen für Dekostoffe und Tapeten zugleich, da sein Verlag beides führt. Für ihn ist die neue Belegung der Halle 3.1 "geradezu ideal": "Die Produkte passen optimal zusammen und unsere Kunden, die internationalen wie die deutschen, finden alles kompakt in einer Halle.

Hendrik Unland, selber Produzent, votierte ebenfalls für die neue Konstellation: "Mit der neuen Struktur müssten wir Erfolg haben - auch wenn vielleicht einige Aussteller unzufrieden damit sind, und infolgedessen nicht mehr zur Messe kommen. Das Risiko müssen wir in Kauf nehmen." Zugleich ließ er leise Kritik daran laut werden, dass die Editeure so stark im Mittelpunkt stünden. "Ich glaube, dass der Zeitpunkt kommen wird, an dem sie in breiter Masse zur Heimtextil zurückkehren." Die Messe Frankfurt habe auf jeden Fall mit dem neuen Konzept das ihre getan. "Nun liegt es an uns, die Messe mit Leben zu füllen..."

Dem pflichteten die anderen Roundtable-Teilnehmer bei. Martin Auerbach, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Heimtextilienindustrie: "Die Messe Frankfurt hat sich bewegt - alles weitere liegt nun bei den Ausstellern." Nicht der Veranstalter allein habe den Erfolg der Heimtextil zu verantworten, sondern genauso die Branche. "Jeder Aussteller ist selbst dafür verantwortlich, wie viele Interessenten seinen Stand besuchen."

Engagiert appellierte auch Hendrik Unland an die Anwesenden, die Heimtextil zu unterstützen und zu fördern. "Die Branche hat viele schwere Jahre hinter sich und die kommenden werden nicht leichter. Wenn wir zusätzlich noch unsere einzige internationale Messe schwächen oder gar verlieren würden, wird es noch schwieriger."

Katzenberger erinnerte an die Bedeutung der Heimtextil mit ihrem Termin Anfang des Jahres für das Frühjahrsgeschäft: "Die neuen Kollektionen sorgen für Impulse und einen Schub, der sonst fehlen würde." Dem pflichtete Unland voll bei: "Nur mit unserem Außendienst könnten wir nicht in einem so kurzen Zeitraum so viele Kollektionen verkaufen. Immerhin machen wir auf der Heimtextil mit rund einem Viertel unserer gesamten deutschen Kunden Geschäfte - und das hat in den letzten Jahren eher zu- als abgenommen."

Georg Hünnemeyer, Geschäftsführer der beiden Verlage Fuggerhaus und Indes, fand die richtigen Schlussworte: "Für uns gibt es keine Alternative zur Heimtextil. Die Aussteller, die der Messe treu sind, werden mit hoher Besucherfrequenz belohnt. Und nicht zu vergessen: auch mit einem Motivationsschub für den Außendienst, der nicht zu unterschätzen ist."

Die Roundtable-Teilnehmer


- Martin Auerbach, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Heimtextilien-Industrie
- Justus Schmitz, Dan Schmitz, Geschäftsführende Gesellschafter Schmitz-Werke
- Georg Hünnemeyer, Geschäftsführer Fuggerhaus und Indes
- Barbara Schmidt-Zock, Referat Messen, Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie
- Harald Katzenberger, Geschäftsführer Rasch Textil
- Olaf Schmidt, Bereichsleiter Textilmessen Messe Frankfurt
- Burkhard Koop, Geschäftsführender Gesellschafter Heco
- Hendrik Unland, Geschäftsführender Gesellschafter Unland
- Armin Strube, Marketingleitung Ado
- Anke Vollenbröker, Marketing-leitung Trevira CS, Trevira
- Edda Simon, Leitung Marketing Communications, Messe Frankfurt
- Michael Steinert, Herausgeber BTH-Heimtex
- Claudia Weidt, Chefredakteur BTH-Heimtex
- Birgit Genz, Redaktion BTH-Heimtex
- Cornelia Küsel, Redaktion BTH-Heimtex
- Rene S. Spiegelberger, Anzeigenleitung BTH-Heimtex
aus BTH Heimtex 07/10 (Deko, Gardinen, Sonnenschutz)