Überblick der Bürgschaftsformen

Bürgen soll man würgen - Sicherheiten im Werkvertragsrecht

Bei einem Werkvertrag besteht in der Regel für beide Parteien das berechtigte Bedürfnis, entstehende Risiken hinsichtlich der Fertigstellung des Gewerkes und/oder der Zahlungsrisiken des Werklohnanspruches abzusichern. Sicherheiten werden heute in der Regel in Form von Bürgschaften geleistet. Dabei verpflichtet sich der Bürge (Bank/Kreditversicherer) gegenüber dem Gläubiger (Bauherr/Auftraggeber) für die Erfüllung von Verbindlichkeiten des Dritten (Auftragnehmer) einzustehen. Die Bürgschaft an sich ist in §§ 765 ff. BGB geregelt.

In Bauvertragsverhältnissen werden regelmäßig Ausführungs-, Vertragserfüllungs-, Anzahlungs- und Gewährleistungsbürgschaften eingesetzt. Unser Überblick zeigt, welche Bürgschaftsformen es gibt:

Ausführungsbürgschaft

Mit einer Ausführungsbürgschaft erhält der Auftraggeber eine Sicherheit für die Einhaltung der vom Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber übernommenen vertraglichen Verpflichtungen während der Ausführungsphase bis zur Abnahme des Gewerkes.

Vertragserfüllungsbürgschaft

Die Vertragserfüllungsbürgschaft geht über die Ausführungsbürgschaft hinaus. Sie sichert regelmäßig sämtliche Verpflichtungen des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber, so z. B. die gesamte Ausführung, eine etwaige Überzahlung und ggf. Schadensersatzansprüche wie die Rückforderung von nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen des Auftragnehmers/Nachunternehmers. Die Vertragserfüllungsbürgschaft ersetzt in den meisten Fällen die vom Auftraggeber in Bauverträgen häufig geforderten Einbehalt einer 10 %-igen Vertragserfüllungssicherheit.

Anzahlungs- oder Vorauszahlungsbürgschaft

Soweit heute tatsächlich noch Anzahlungen des Auftragnehmers etwa zur Abdeckung von Materialkosten durchsetzungsfähig sind, wird dieses Risiko für den Auftraggeber durch eine Anzahlungs- oder Vorauszahlungsbürgschaft durch den Auftragnehmer abgesichert. Im Werkvertragsrecht ist der Auftragnehmer vorausleistungspflichtig, er bekommt also nach dem gesetzlichen Leitbild seinen Werklohn erst nach Durchführung der Arbeiten. Bei der Leistung einer Vorauszahlung durch den Auftraggeber wird dieses Verhältnis umgekehrt. Der Auftraggeber hat ein Sicherungsbedürfnis, dass die von ihm geleistete Vorauszahlung abgesichert wird.

Gewährleistungsbürgschaft

Die häufigste Form der Bürgschaftsgestellung in Werkvertragsverhältnissen ist die Gewährleistungsbürgschaft. Sie sichert das Risiko eines eventuell Ausfalls des Auftragnehmers zur Durchsetzung von Mängel- und Schadensersatzansprüchen des Auftraggebers.

Die Dauer einer Gewährleistungsbürgschaft richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Bei VOB/B Werkverträgen ergeben sich die Bestimmungen über Sicherheitsleistungen aus § 17 VOB/B. Danach kann der Auftragnehmer, soweit eine Sicherheitsleistung vereinbart worden ist, Sicherheit sowohl durch Einbehalt oder Hinterlegung von Geld oder durch die Bürgschaft eines Kreditinstitutes oder Kreditversicherers leisten.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die obergerichtliche Rechtsprechung dazu tendiert, dass der in AGB vereinbarte Gewährleistungseinbehalt nicht mehr als 5 % der Abrechnungssumme betragen darf. Ansonsten wäre die gesamte Klausel unwirksam und der Auftraggeber dürfte den Einbehalt nicht geltend machen. Es lohnt sich daher immer, die Klausel genau zu lesen und diese ggf. rechtlich überprüfen zu lassen.

Beim VOB-Bauvertrag ist zu beachten, dass ausdrücklich die Gewährleistungsbürgschaft unbefristet erteilt werden muss. Beim BGB-Werkvertrag ist dies schlichtweg eine Vereinbarungssache. Befristete Bürgschaften haben für den Auftragnehmer den Vorteil, dass sie tatsächlich nur für eine bestimmte Zeitdauer Geltung haben, die unbefristete Bürgschaft bleibt so lange in Kraft, wie sie nicht gegenüber dem Bürgen durch den Auftraggeber zurückgegeben wird und/oder eine Verzichtserklärung durch den Auftraggeber abgegeben wird.

Tipp: Auftragnehmern ist anzuraten, einen Gewährleitungskalender zu führen, in dem sie die Frist des Gewährleistungsbeginns und -ablaufs notieren, damit nicht vergessen wird, nach Ablauf der Gewährleistungszeit die Bürgschaft zurückzufordern.

Ausgestaltung der Bürgschaften

Der reine Gesetzestext der §§765ff. BGB sieht eigentlich vor, dass der Auftraggeber zunächst den Auftragnehmer durch Klage auf die entsprechende Leistung in Anspruch zu nehmen hat und erst im Anschluss daran der Bürge für diese Verbindlichkeit haftet. In der täglichen Baupraxis wird diese Regelung genau umgekehrt gehandhabt, indem nämlich der Bürge regelmäßig auf die Einrede der Vorausklage verzichtet. Darüber hinaus wird in den Formularen auch angegeben, dass der Bürge auf alle anderen Rechte, die der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber hat, zunächst verzichtet. Die Bürgschaft lautet dann, dass der Bürge unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage sowie Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit eine entsprechende Bürgschaftserklärung abgibt.

Nach den Bestimmungen der VOB/B sind Bürgschaften regelmäßig unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) abzugeben. Damit ist der Bürge - also das Kreditinstitut/der Kreditversicherer - im Falle der Inanspruchnahme der Bürgschaft nicht berechtigt, den Gläubiger/Bauherrn darauf zu verweisen, zunächst gegenüber dem Schuldner/Auftragnehmer zu klagen, zu vollstrecken und erst nach fruchtloser Vollstreckung die Bürgschaft in Anspruch zu nehmen.

Bürgschaft auf erstes Anfordern

Vorsicht: Problematisch ist die Bürgschaft auf erstes Anfordern. Bauherren- bzw. auftraggeberseitig wird sehr oft versucht, in der Bürgschaft eine Klausel aufzunehmen, wonach der Bürge sich verpflichtet, auf erstes Anfordern des Gläubigers die Bürgschaftssumme an den Gläubiger/Bauherrn/Auftraggeber auszuzahlen. Dies hat für den Schuldner/Auftragnehmer den erheblichen Nachteil, dass die bürgende Bank sofort das Geld auszahlt, obwohl noch nicht endgültig geklärt ist, ob überhaupt ein Anspruch auf die Leistung der Bürgschaftssumme besteht. Das gesetzliche Leitbild sieht vor, dass der Bürge berechtigt ist, ggf. den Bürgschaftsbetrag einer Inanspruchnahme sowohl zugunsten des Gläubigers/Bauherrn/Auftraggebers als auch des Schuldners/Auftragnehmers z. B. beim Amtsgericht zu hinterlegen (§ 372 BGB). Dann kann in einem Klageverfahren auf Auszahlung des hinterlegten Bürgschaftsbetrages geklärt werden, wem der Zahlungsanspruch tatsächlich zusteht und der Schuldner/Auftragnehmer trägt nicht das Insolvenzrisiko des Gläubigers/Auftraggebers.

Die Obergerichte haben mehrfach bestätigt, dass in allgemeinen Geschäftsbedingungen die Formulierung der Auszahlung der Bürgschaftssumme auf erstes Anfordern - sowohl für Vertragserfüllungs- als auch Gewährleistungsbürgschaften - unzulässig ist, vgl. BGH vom 8.3.2001, veröffentlich in ibr 2001, 306 ff. Auch eine Umdeutung, dass die Bürgschaft dann ohne Hinterlegungsklausel weiterhin Geltung haben soll, ist unzulässig.


Der Autor


Andreas Hanfland ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Lennestadt.

Rechtsanwälte Hanfland & Partner
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aus FussbodenTechnik 05/10 (Recht)