Leser fragen - Fachanwalt Andreas Hanfland antwortet

Muss ein Sachverständiger persönlich zum Ortstermin erscheinen?

Reinhard Johannes Funk von der Firma Bodentechnik Funk in Lohmen berichtet nachstehenden Sachverhalt und bittet um Aufklärung: Unsere Firma klagt gegen einen Bauherrn Restwerklohn ein. Das Landgericht hat einen gemäß Briefbogen als "Berufssachverständiger" tätigen Sachverständigen beauftragt. Dieser hat im Juni 2010 mit einem Mitarbeiter die Baustelle in Augenschein genommen. Er legte fest, dass ein weiterer Ortstermin stattfindet. Dieser ist drei bis vier Wochen später ausschließlich von dem Mitarbeiter des Berufssachverständigen abgehalten worden, der sämtliche Bodenöffnungen und Schadenermittlungen durchgeführt hat. Im Oktober 2010 wurde dann das Gutachten, welches mit dem Diktatzeichen des Mitarbeiters des Berufssachverständigen erstellt wurde, an uns geschickt. Zwischenzeitlich haben wir nach Gutachtenvorlage auch erfahren, dass der Berufssachverständige keine öffentliche Bestellung mehr hat.

Frage: Wie können wir auf den zweiten Ortstermin prozessual reagieren?

Antwort: Aus meiner Sicht sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Zunächst einmal ist klar und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es einem gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht erlaubt ist, die Begutachtung einem Mitarbeiter zu übertragen. Dies führt zur Unverwertbarkeit des Gutachtens und damit einhergehend auch zum Verlust des Vergütungsanspruches. Entsprechende Zahlungen können also von dem Sachverständigen durch das Gericht auf Antrag zurückgefordert werden. Dies ist ständige Rechtsprechung, hierzu liegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Bremen, Celle und Köln vor.

Die Gerichte stellen darauf ab, dass zwar ein Mitarbeiter dem Sachverständigen zuarbeiten kann. Dem gerichtlich bestellten Sachverständigen ist aber die Verpflichtung auferlegt, den unverzichtbaren Kern der das Gutachten prägenden Aufgaben selber wahrzunehmen und zu erstellen. Es reicht also nicht aus, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige zunächst einen Ortstermin leitet und im Anschluss daran alle wesentlichen Arbeiten - das Anlegen von Prüfstellen, Schadenermittlungen und Gutachtenerstellung - durch den Mitarbeiter erstellen lässt.

Der Gesichtspunkt der Unverwertbarkeit des Gutachtens muss unmittelbar im Prozess vorgetragen werden.

Befangenheitsantrag scheitert an abgelaufener Frist

Es ist auch möglich, dass sich der Gutachter wegen der Besorgnis der Befangenheit zu verantworten hat. Ein Befangenheitsantrag muss binnen einer Frist von zwei Wochen ab Kenntniserlangung gestellt werden. Für diese Frist gibt es hier zunächst einmal den Anknüpfungspunkt des zweiten Ortstermins. Zu diesem Zeitpunkt hätte binnen zwei Wochen ein entsprechender Antrag gestellt werden müssen, spätestens aber mit Vorlage des Gutachtens im Oktober 2010. Beide Fristen sind abgelaufen.

In der Sache selbst sagt die Rechtsprechung, dass der von dem Sachverständigen begangene prozessuale Verstoß aus Sicht der Partei kein subjektives Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit herbeiführt. Begründet wird dies damit, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige gegenüber jeder Partei eine unzulässige Tätigkeit, nämlich die fremde Erstellung des Gutachtens, zu verantworten hat. Dies begründet also keine Besorgnis einer vermeintlichen Befangenheit.

Öffentliche Bestellung bevorzugt

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Problematik der öffentlichen Bestellung. In § 404 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) heißt es: "Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern."

Die genannte Gesetzesregelung bevorzugt die Bestellung öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger von Gesetzes wegen. Dies ist damit zu begründen, dass öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige erfahrungsgemäß neben der besonderen Sachkunde auch gerichtliche Erfahrungen aufweisen und gemäß ergänzender Regelung in § 407 der ZPO zur Gutachtenerstattung verpflichtet sind. Die Missachtung dieser Vorschrift allein rechtfertigt noch nicht den Vorwurf eines Ermessensmissbrauchs. Sofern die Prozessparteien keine Einwände erheben, kann ein Gericht auch nicht öffentlich bestellte und vereidigter Sachverständige bestellen.

Jeder der Prozessbeteiligten sollte darauf achten, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige öffentlich bestellt und vereidigt ist. Für den Fall, dass dies nicht der Fall ist, sollte bei Gericht nachgefragt werden, welche besonderen Umstände es erforderlich machen, einen nicht öffentlich bestellt und vereidigten Sachverständigen zu bestellen. Die Fälle sind in § 404 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ausdrücklich genannt.

Letztlich sollte jeder der Prozessbeteiligten wissen, dass eine öffentliche Bestellung und Vereidigung bei nicht ordnungsgemäßer Gutachtenerstellung auch strafrechtlich erheblich schärfere Konsequenzen mit sich bringt. Bei dem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen kommt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht nur wegen Falschaussage, vielmehr auch wegen eines Meineides gemäß § 154 des Strafgesetzbuches in Betracht. Dieser ist mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 1 Jahr versehen.

Der Autor

Andreas Hanfland ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Lennestadt.

Rechtsanwälte Hanfland & Partner
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aus FussbodenTechnik 01/11 (Recht)