VDL-Geschäftsführer Dr. Dietmar Eichstädt über REACH

Preiserhöhungen und Wettbewerbsverzerrung drohen

Zwei Seiten einer Medaille: Seit Oktober 2003 liegt der schwergewichtige Entwurf der EU-Kommission für ein neues Chemikalienrecht auf dem Tisch: 1.169 Seiten dick, 137 Artikel und 17 Anhänge schwer, schreibt die Zeitschrift "Öko-Test", und weiter: "sein Name REACH steht für ein neues Chemikalienrecht, das dringend nötig ist." Der Verband der Deutschen Lackindustrie vertritt eine andere Meinung, die Geschäftsführer Dr. Dietmar Eichstädt auf der GHF-Tagung 2004 in Würzburg darlegte.

Die neue europäische Chemikalienpolitik, besser bekannt unter dem Kürzel REACH für Registration, Evaluation, Authorization of Chemicals, betrifft im Wesentlichen - aber nicht nur - die Lackbranche. Wie ist sie hierzulande überhaupt organisiert?

Dr. Dietmar Eichstädt, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Lackindustrie nennt die Rahmendaten: "Rund 250 Unternehmen mit fast 21.000 Mitarbeitern, durchweg kleinere bis mittlere Betriebseinheiten mit durchschnittlich jeweils 75 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 20 Mio. EUR. Insgesamt werden jährlich 2 Mio. t Farben, Lacke etc. im Wert von 4,7 Milliarden EUR produziert, von denen über 30% in den Export gehen".

Die Lackindustrie stellt Zubereitungen durch Vermischen von chemischen Rohstoffen her und ist damit ein "typischer Downstream User". Es gibt über 500.000 "lebende" Rezepturen, da individuelle Problemlösungen für Kunden notwendig sind. Verwendet werden 7.000 chemische Rohstoffe.

"REACH ist ein bürokratisches Monsterwerk"

Giftmischen ist Frauensache, sagt ein englisches Sprichwort, und "Manche Frauen sind die größten Scharfmacher" fügte Dr. Eichstädt mit Hinweis auf EU-Kommissarin Wallström und einige ihrer Kolleginnen hinzu.

Die Lackindustrie hätte die Ziele des Weißbuchs "Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik" der EU-Kommission nachdrücklich unterstützt, aber die jetzt vorliegenden Anforderungen des Entwurfes zu REACH sei nicht erfüllbar: "Viel zu komplex, aufwändig und teuer - ungeheuer bürokratisch."

Die Registrierungskosten führen seiner Ansicht nach zu einer drastischen Verkleinerung der Rohstoffpalette (laut VCI um 20 bis 40% im Bereich unter 100 t/a). Von dieser Rohstoffpalette werden aus Kostengründen unnötigerweise viele ungefährliche Rohstoffe verschwinden, was eine Lawine von Rezepturumstellungen auslösen würde. Importierte Zubereitungen als Rohstoffe gehen verloren, da die Rezepturoffenlegung des außereuropäischen Herstellers unwahrscheinlich ist.

Die Folge wäre eine Qualitätsangleichung von Profi- und DIY-Produkten, außerdem eine Kostenerhöhung für Rohstoffe und damit ein generell höheres Preisniveau für Lacke und Farben.

Importierte Erzeugnisse aus Nicht-EU-Ländern hätten einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, gleichzeitig verzeichneten die Exporte aus der EU einen deutlichen Wettbewerbsnachteil.

"Außer REACH kommt jetzt auch noch SCALE" (Science, Children, Awareness Raising, Legal Instruments, Evaluation), eine weitere Richtlinie, die "Scheinzusammenhänge zwischen Chemikalien und Gesundheitseffekten" herstelle und in seiner emotionalen Wirkung die REACH-Effekte verstärkt.

Es gäbe ein Zusammenwirken von IPP (Integrierte Produkt-Politik): Identifizierung unerwünschter Chemikalien, SCALE: Emotionale Aufbereitung und Begründung, schließlich REACH: Instrumentarium für Stoffbeschränkungen.

Noch liegt REACH nur als Entwurf vor, deshalb ordert Eichstädt ein gemeinsames Vorgehen aller Betroffenen: "Das bürokratische Monster" mit seinen fatalen Folgen für die deutsche Farben- und Lackindustrie muss vom Tisch."
aus BTH Heimtex 12/04 (Farben, Lacke)