Interview: Heiko Höhmann und Rolf Dieter von Meurers zum FHG-Insolvenzantrag

"Aufgeben gibt es für mich nicht"

Am 29. Juli hat die FHG überraschend Insolvenzantrag gestellt. Das trifft die Gesellschafter, das trifft die Lieferanten, die zum Teil nach Frick und Wümeg die dritte große Handelspleite in diesem Jahr verkraften müssen. Und das trifft auch die Branche, die mit negativen Folgen rechnen muss - sei es beim Rating, bei den Kreditversicherern oder bei den Konditionen. War der Insolvenzantrag wirklich nötig? Was steckt dahinter? Wie sind die Chancen auf eine Fortführung der Kooperation? Darüber führten Claudia und Michael Steinert ein sehr offenes und ausführliches Gespräch mit Heiko Höhmann, dem Vorsitzenden der FHG-Geschäftsführung und seinem Kollegen Rolf Dieter von Meurers, die die Redaktion BTH am Verlags-Stammsitz in Schleswig-Holstein besuchten.

BTH: Herr Höhmann, Herr von Meurers, in welcher Eigenschaft sind Sie überhaupt zu uns gekommen? Sind Sie noch in Amt und Würden?

Heiko Höhmann: Wir sind noch voll in Amt und Würden. Bei der FHG ist es keine ordentliche, sondern eine vorläufige Insolvenz, die erst in eine ordentliche übergeht, wenn das Insolvenzverwalter und Insolvenzrichter entscheiden. Die vorläufige Insolvenz hat den Vorteil, das man in der Zwischenzeit prüfen kann, ob das betreffende Unternehmen fortführungsfähig ist. Die Geschäftsführung ist entscheidungsfähig in Verbindung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter für das laufende Geschäft, das nicht direkt mit Geld zu tun hat - Auskünfte geben, Abrechnungen machen, Marketing, Gesellschafter- oder Lieferanten-Kontakte. Nur legt der Sequester die Hand auf die Konten und alle Kosten sind mit ihm abzustimmen.

Nach dem Insolvenzantrag bleiben maximal drei Monate Zeit, um die Chancen auf eine Fortführung des Unternehmens zu prüfen oder ein neues Konstrukt zu entwickeln. Währenddessen erhalten alle Mitarbeiter Insolvenz-Ausfallgeld; das stärkt die Masse. Wenn der Insolvenzverwalter in diesem Zeitraum feststellt, dass es aussichtslos ist, das Unternehmen in der bisherigen Form fortzuführen, folgt die ordentliche Insolvenz, bzw. nach den drei Monaten folgt sie automatisch. Dann entscheidet der Insolvenzverwalter wer mit der Abwicklung der Firma beauftragt wird.

BTH: Nun sind schon einige Wochen seit dem Insolvenzantrag vergangen. Wie ist der derzeitige Stand des Verfahrens?

Höhmann: Wir sind in dem Stadium zu prüfen, wie man das Unternehmen weiterführen kann. Parallel arbeiten wir intensiv an einem neuen Konstrukt, weil ich denke, dass die FHG in ihrer bisherigen Form nicht mehr zeitgemäß ist. Es sind ja zweifelsfrei Fehler passiert; da will ich gar nicht drumherumreden. Wenn man dann die Chance über bzw. mit einem Insolvenzverwalter bekommt, etwas Neues, auch Innovatives zu entwickeln, was Zukunft haben könnte, sollte man sie nutzen.

BTH: Das klingt so, als sei der Insolvenzantrag ein Befreiungsschlag gewesen, um sich vom alten FHG-Modell zu befreien und nicht, als sei er tatsächlich aus finanziellen Gründen notwendig gewesen.

Höhmann: Nein. Das war keinesfalls ein Befreiungsschlag. Wir haben Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt. Ein Befreiungsschlag hätte wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn gemacht. Die FHG war mit ihrem Volumen und ihren ganzen Dienstleistungen bestens im Markt positioniert, gehörte zu den drei, vier Kooperationen, die eine besondere Marktbedeutung und auch Marktberechtigung haben.

Auch muss man sich doch darüber im Klaren sein, dass mir dieser Schritt alles andere als leicht gefallen ist. An dieser Stelle muss eines mal ausdrücklich gesagt werden: Es kann doch keiner ernsthaft glauben, dass ich nach 28 Jahren und mit fast 58 Jahren etwas tue, was mich am meisten trifft - persönlich und möglicherweise auch wirtschaftlich. Das macht man doch nicht als vernünftig denkender Mensch. Es wird mir niemand unterstellen und nachweisen können, dass ich quasi meinem eigenen "Kind" Schaden zufüge. Ich habe stets das Beste gewollt und das Beste gemeint.

BTH: Uns ist zugetragen worden, dass es eine außerordentliche Beiratssitzung im Vorfeld des Insolvenzantrages gegeben hat, auf der die Gesellschafter gegen den Insolvenzantrag votiert haben. Manche meinen, dass Sie daraufhin den Insolvenzantrag aus einem gewissen Trotz heraus gestellt haben, weil Ihnen die Gesellschafter das Vertrauen entzogen haben.

Höhmann: Punkt 1: Die Gesellschafter können mir das Vertrauen nicht entzogen haben, weil es darüber keine Versammlung gegeben hat.

Punkt 2: Der Beirat hatte tatsächlich eine Sitzung und wollte gewisse Dinge mit einem Wirtschaftsprüfer geklärt haben. Da ist auch überhaupt nichts gegen zu sagen. Was der Beirat damit wollte, ist vernünftig und auch akzeptabel. Daraus macht man keinen Befreiungsschlag - schon deshalb nicht, weil der Insolvenzverwalter jetzt genauso prüft, ob Versäumnisse der Geschäftsführung vorliegen. Das macht er automatisch und das wird auch der Staatsanwalt automatisch machen, der bei einem Insolvenzantrag dieser Größenordnung auch die Akte bekommt. Der prüft dann, ob das mit dem Insolvenzantrag alles seine Richtigkeit hatte. Darüber müssen wir uns also keine Sorgen machen.

Außerdem hat vorher natürlich eine Rechtsberatung stattgefunden, die zu dem Schluss kam, dass bei unserer Situation ein Insolvenzantrag notwendig sei. Davon kann uns als Geschäftsführer kein Beirat befreien. Denn der haftet nicht. Aber wenn wir den Insolvenzantrag nicht rechtzeitig stellen, haften wir persönlich dafür. Und diese Notwendigkeit war zum Zeitpunkt 29. Juli gegeben, als wir erkannten, dass uns die Banken nicht noch mehr Geld geben, die Kreditlinien nicht verlängern, und wir auch keine weiteren Sicherheiten haben, außer Forderungen abzutreten. Zwar hatten wir noch unser Verwaltungsgebäude, nur war das im Verhältnis zu den Summen, die hier im Raum stehen, völlig unbedeutend.

Noch eins kommt hinzu: Wenn man einen Insolvenzantrag rechtzeitig stellt, hat das den Vorteil, dass sich unter Umständen aus der Masse heraus eine gewisse Quote für die Masse-Gläubiger erzielen lässt und bietet zugleich die Chance, bei genügend Masse in den drei Monaten ein neues Konzept zu erarbeiten.

BTH: Sie sagen, dass Ihnen die Gesellschafter nicht das Vertrauen entzogen hätten. Aber wenn der Beirat einen Wirtschaftsprüfer mit der Untersuchung bestimmter Vorgänge beauftragt hat, spricht das doch für eine gewisse Unsicherheit gegenüber der Geschäftsführung.

Höhmann: Nein, der Beirat war überhaupt nicht unsicher, sondern wollte bestimmte Geschäftsabläufe überprüfen - insbesondere die Angelegenheit Wümeg.

BTH: Aber warum so plötzlich? Hat der Beirat die Ausgaben früher nicht geprüft?

Höhmann: Jetzt war es eben ein Punkt. Und weil man die finanziellen Schwierigkeiten kannte, sollte als zweiter Punkt geprüft werden, wie man die FHG finanziell restrukturieren kann. Wobei nach meiner Meinung dieses Problem in seiner Dringlichkeit unterschätzt worden ist. Hier war Schnelligkeit gefragt. Es musste schnell eine Lösung gefunden werden, wie wir aus der finanziellen Schere herauskommen, in die wir durch die Wümeg geraten sind, die hohe Schulden bei uns hat. Und es musste schnell eine Lösung gefunden werden, wie die FHG umstrukturiert werden kann, um künftige Verluste, Forderungsverluste und Risiken zu vermeiden. Dafür hat man sich vielleicht zu viel Zeit gelassen.

Ich habe den Beirat darauf hingewiesen, dass wir in eine Finanzschere geraten: Das mögliche Sommerloch kommt, die Umsätze gehen zurück, aber die finanziellen Probleme bleiben. Deshalb sollten wir uns darum vorrangig vor allen anderen Dingen kümmern. Aus meiner Sicht gibt es nämlich eine Fürsorgepflicht für den Erhalt eines Unternehmen - und zwar sowohl seitens der Geschäftsführung als auch des Beirates. Das ist oberste Pflicht. Den Rest kann man immer noch klären.

Ob nun zu viel in IT-Technik investiert wurde, ist angesichts dessen ein ganz anderes Thema. Daraus ist keine finanzielle Not entstanden. Das ist auch gar nicht das eigentliche Problem, sondern war nur ein Punkt, der mal geklärt werden sollte.

BTH: Nochmal konkret nachgefragt: Sie haben den Beirat nicht im Unklaren über die Situation gelassen? Sie haben ihn vorgewarnt?

Höhmann: In Stufen. Alle Beiratsmitglieder wussten seit Ende März vollkommen Bescheid. Mit allen Risiken. Es dreht sich ja nicht nur um die Wümeg, auch wenn sie der wesentliche Baustein ist. Aber die FHG hat auch Erfolg gehabt, weil sie Gesellschaftern nicht sofort den Geldhahn abgedreht hat, sondern intern länger valutiert und sich zugleich darum gekümmert hat, die Firmen zu halten. Das bringt schließlich Wertschöpfung und ist 28 Jahre lang hervorragend gelaufen.

Und die Wümeg war erhaltenswert. Sie war mit 70 Mio. DM Einkauf der größte Kunde bei uns und hat damit auch am meisten zum Erfolg der FHG beigetragen. Das darf man nicht vergessen. Ob ich bei der Wümeg über das Ziel hinausgeschossen bin, als ich Zahlungsaufschübe gewährt habe, darüber kann man im Nachhinein trefflich streiten. Das gebe ich unumwunden zu. Aber: wenn man Wertschöpfungsketten erhalten will, muss man gewisse Risiken eingehen. Und zu dem fraglichen Zeitpunkt war die Wümeg noch mit 1,2 geratet, gab es von den Banken keine negative Auskünfte, haben die Banken noch Kredite gegeben, waren die Warenläger nicht übereignet, die Forderungen nicht übereignet, das Grundstück Kämmererstraße noch zu 100 % im Besitz der Wümeg, zudem unbeliehen... das heißt, es waren so viele Sicherheits- Faktoren da, dass ich nicht im Traum daran gedacht hätte, dass uns dieses Unternehmen ausfallen könnte.

BTH: Von welchem Zeitraum reden wir jetzt? Dem vergangenen Jahr?

Höhmann: Nein, von Dezember 2001 an. Selbst im Februar habe ich noch nicht an eine Insolvenz geglaubt.

Wobei ich ein Hauptproblem darin sehe, dass wir uns bei der Wümeg nicht aktiv in die Sanierungsbemühungen mit einschalten konnten, wie wir es bei vielen FHG-Unternehmen in der Vergangenheit getan haben. Das ist nur so gut wie nie nach außen gedrungen - von Ausnahmen abgesehen. Denn wir haben Erfahrungen mit Banken, wir wissen, wie man mit Versicherern umgehen muss und wie man das Schiff wieder flottbekommt. Das beweist unter anderem der Fall Essers, den wir elegant gelöst haben. Der ist zwar als Kunde nicht mehr so bedeutend für uns wie früher, aber wir haben das Unternehmen gerettet und wir haben im wesentlichen das Geld gerettet.

Ich will damit sagen, dass wir einen Fall dieser Größenordnung schon einmal erfolgreich abgewickelt haben. Essers war sogar noch größer als die Wümeg - und deswegen haben uns bei der Stundung von Geldern und der Hergabe von Darlehen an die Wümeg auch nicht die Alarmglocken geläutet haben. Wir haben einfach nicht damit gerechnet, dass eine Genossenschaft wie die Wümeg, die gute Bilanzen aufweist, die so hoch geratet ist, wo im letzten August noch Forderungen von 20 Mio. DM verkauft worden sind, plötzlich in Finanznöte geraten konnte.

BTH: Haben Sie als Geschäftsführer allein über die Stundung von Forderungen und die Gewährung von Darlehen an die Wümeg entschieden oder musste der Beirat zustimmen?

Höhmann: Das ist eine juristische Frage. Grundsätzlich muss der Beirat nach dem Gesellschaftsvertrag bei mittel- und langfristigen Darlehen zustimmen. Und ich behaupte, das Darlehen an die Wümeg war ein kurzfristiges. Deshalb habe ich den Beirat nicht gefragt. Das erste Darlehen wurde für ein halbes Jahr gegeben. Das konnte die Wümeg nicht zurückzahlen, dann haben wir - das heißt ich - noch eins gegeben und noch ein kleines, welche zum größten Teil durch Lease and Back zurückbezahlt werden sollten, spätestens alles bis zum 28.Ferbuar 2002. Das Grundstück Kammererstraße war ja frei. Aber dann platzte dieses Geschäft und wir bekamen unser Geld nicht, weil das Lease and Back nicht mehr funktionierte.

Jetzt wird natürlich diskutiert, ob es sich um ein langfristiges oder ein kurzfristiges Darlehen handelt. Daraus kann man dann ja auch ableiten, ob ich haftbar bin oder nicht. Aber man muss die juristischen Feinheiten berücksichtigen: Es gibt nicht nur ausreichende, sondern gute Indizien dafür, dass es keinen Unterschied macht, ob ich einer Firma Essers mehrere Millionen DM gestundet und es nicht Darlehen genannt habe, oder einer Wümeg eine ähnliche Summe gestellt habe. Ich sehe hier keinen wirtschaftlichen Unterschied - und mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine.

Also: Es handelte sich nach meiner Auffassung um ein kurzfristiges Darlehen, hinzu kam, dass die Wümeg hohe Bonusanspräche hatte, die verrechnet hätten werden könnten. Das war auch so geplant: Das Sale- and Lease Back-Geschäft und der Bonus 2002 hätten alle unsere Ansprüche gedeckt.

Nochmal: Es gab zum Zeitpunkt der Darlehens-Vergabe überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Wümeg illiquide würde. Der damalige Vorstandsvorsitzende Merkle hat noch vorgerechnet - und auch gutachterlich bestätigt - dass er 2001 Gewinn ausweisen würde, durch Veräußerung von Grundstücken beispielsweise.

BTH: Aber das wäre ja nur ein außerordentlicher Gewinn gewesen, kein Gewinn aus dem operativen Geschäft. Also ein Zeichen für Ertragsprobleme.

Höhmann: Schon, aber er bringt trotzdem Geldzufluss und es ist Liquidität da.

BTH: Aber ein außerordentlicher Gewinn kann zur Verschleierung bzw. "Schönerung" der G + V genutzt werden, wenn es an Gewinn im operativen Geschäft fehlt.

Höhmann: Merkle wollte im operativen Geschäft aber ebenfalls Gewinne machen. Das entbindet mich aber überhaupt nicht von der entscheidenden Frage, warum so viel Geld herausgegeben worden ist. Diese Frage kann ich einfach beantworten: Weil ich den Umsatz und die Ertragskraft der FHG erhalten wollte - für alle Gesellschafter. Denn jeder von ihnen hat davon partizipiert. Jeder trägt zum Umsatzerfolg bei und profitiert davon durch einen höheren Bonus. Das ist ein Sinn von Kooperationen. Und von der Seite her war bei der Wümeg auch das Verhältnis Umsatzgröße und Darlehen in der Proportion, wie wir es bei anderen Gesellschaftern über viele Jahre lang hinweg praktiziert haben. Da stehe ich zu.

BTH: Das hätten wir gerne noch genauer. Um wieviel Geld geht es insgesamt bei der Wümeg? Wie teilt sich die Summe auf in Darlehen und laufende Warenbezüge? Und wieviel davon war versichert? Anfang des Jahres hieß es noch, die Wümeg-Ausfälle seien über Kreditversicherer abgedeckt.

Höhmann: Das stimmt auch.

Insgesamt reden wir heute sicher von einem Betrag um die 20 Mio. DM. Davon wurde etwa die Hälfte in Darlehen für allgemeine Warenlieferungen umgewandelt, der Rest entfiel auf laufende Warenbezüge. Und die bewegten sich noch bis Februar in der versicherten Linie. Das ist ganz wichtig. Und plötzlich kaufte die Wümeg große Mengen ein, mit der Begründung, sie müsste lieferfähig für ihre Kunden sein. Da merkten wir, dass es eng wird. Denn wir können ja nicht den Einkauf an sich steuern, sondern bekommen nur die Rechnungen. Die Versicherungssumme war um mehr als das Doppelte überzogen worden, was das Einkaufsvolumen angeht. Da haben wir die Notbremse gezogen, waren uns auch unseres Warensicherungs-Vertrages noch so sicher, dass wir dachten, wir könnten einen gewissen Zeitraum mit Banken überbrücken, bis wir unser Geld bekommen.

Aber dann ist es immer weiter eskaliert. Wir haben kein Geld gesehen. Zahlungen haben immer gleich die Banken abgefangen. Unsere Sicherungsrechte standen plötzlich auf wackeligen Füßen, weil es Diskussionen um den Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge gab. Dann gab es Differenzen bei der Insolvenz-Inventur der Wümeg. Und überhaupt das größte Problem war, dass der Insolvenzverwalter nicht zahlt. Auch keine Abschlagszahlungen. Nichts. Keinen Pfennig. Das hält das stärkste Pferd nicht aus. Dazu kommen noch Forderungen an weitere Gesellschafter. Bei Essers ist eine nicht unbeträchtliche Summe noch offen, bei einigen anderen Kandidaten stehen ebenfalls noch Gelder aus.

BTH: Sie räumten vorhin ein, dass Fehler gemacht worden seien. Sind das die Fehler gewesen?

Höhmann: Nein, von großen Fehlern direkt will ich nicht sprechen; auch nicht bei der Wümeg. Ich sehe die Wümeg vielmehr als eine Maßnahme, um ein großes, maßgebliches Unternehmen in einer Krisenzeit zu stützen. Man muss ja immer den Zeitpunkt sehen, an dem das Darlehen gewährt worden ist. In der Nachbetrachtung kann man immer leicht sagen, das wäre zu vermeiden gewesen. Wenn ich meinen Wissensstand von heute hätte, hätte ich es natürlich auch nicht gemacht, das ist doch logisch.

Aber es war gang und gäbe - und ist im Übrigen auch nie beanstandet worden -, dass wir Gesellschafterfirmen, wenn sie Engpässe hatten, die Forderungen gestundet haben. Laut Versicherungsvertrag dürfen wir das auch, und zwar bis 180 Tagen. Dann ist ein Teil der Forderungen versichert, ein Teil nicht. Geht das betreffende Unternehmen dann in die Insolvenz, ist der nicht versicherte Teil natürlich weg. Das wollten wir über die geplante Delcredere-Gesellschaft auffangen, zu deren Realisierung es leider nicht mehr gekommen ist.

Hätten wir das nicht gemacht, sondern uns streng an die Vertragsregeln gehalten und sofort das Obligo eingestellt, wenn ein Gesellschafter sein Limit auch nur minimal überzieht, wären die Firmen in die Insolvenz gekommen und die Arbeitsplätze weggewesen. Aber man kann doch Mittelständler nicht einfach sterben lassen, wenn sie mal den Kreditrahmen überziehen. Da unterscheiden wir uns von Banken. Und es hat auch 28 Jahre lang bestens funktioniert - aber immer nur dann, wenn wir uns persönlich aktiv in das Geschäft eingeschaltet haben. Und zwar rechtzeitig genug, damit geklärt werden konnte, ob es sich um ein Liquiditätsproblem oder etwa ein Ertragsproblem handelt. Das muss man stark differenzieren und entsprechende Maßnahmen treffen. In diesem Bereich sind wir stets gut gefahren und ich habe das immer als Finanzdienstleistung der FHG empfunden.

Außerdem wäre die FHG anders nicht halb so groß geworden, wie sie ist. Und aus dieser Größe sind viele Vorteile entstanden: Bessere Grundpreise, bessere Zahlungsbedingungen, bessere Skonti, bessere Rückvergütungen, niedriger Kollektionierungskosten.... da muss man doch die gesamte Wertschöpfungskette sehen.

Ich bin auch sicher, dass der Weg weiter in diese Richtung führt. Die Konzentration geht weiter, das sehen wir auch aus anderen Branchen wie Bekleidung, Lebensmitteln oder Getränken. Auch bei uns wird sich die Konzentration fortsetzen, beim Handel wie bei der Industrie - ob mit oder ohne FHG. Wir haben keinen nationalen Markt mehr. Wir haben den Euro und wir haben einen europäischen Markt. Nehmen Sie nur als Beispiel die Automobilindustrie: Dort ist die Preisfreiheit plötzlich losgeschossen. Angesichts dessen wissen wir, was auf uns zukommt. Die Konditionen nivellieren sich immer weiter - das ist meine ganz persönliche Meinung. Das heißt, man holt nur noch bessere Konditionen heraus, wenn man sich hochgradig konzentriert auf wenige Lieferanten und mit diesen hohe Umsatzpotentiale abwickelt und auch an der Vermarktung arbeitet. Das ist ganz wichtig. Beides gehört untrennbar zusammen.

BTH: Wieviel Lieferanten hat denn die FHG?

Rolf Dieter von Meurers: 550.

BTH: Das klingt aber nicht nach Konzentration.

von Meurers: Nein. Wobei man davon ausgehen muss, dass wir 75 % des Umsatzes mit 80 Lieferanten machen.

BTH: Noch einmal zurück zu den Gesellschaftervaluten und -darlehen. Waren die jeweils mit dem Beirat abgesprochen?

Höhmann: Solche Geschäfte laufen bei jeder Kooperation. Da wird nicht bis ins Detail darüber informiert oder groß diskutiert. Aber ich weiß, worauf Sie mit dieser Frage hinauswollen.

BTH: Sagen wir es mal so - es heißt, dass es persönliche Vorwürfe gegen Sie gibt und einige Beiräte zivilrechtliche Schritte gegen Sie erwägen. Und da stellt sich die Frage nach der juristischen Lage: Haben Sie als Geschäftsführer Ihre Informationspflicht vernachlässigt oder hätte der Beirat von sich aus nachfragen müssen?

Höhmann: Beides. Es gibt Informationspflichten, wobei man den Grad der Informationspflicht abwägen muss. Wenn sich so ein Geschäftsgebaren aber über Jahrzehnte eingefügt hat - wir sprechen hier ja nicht von einem einzigen Fall - sind es schon fast Geschäftsusancen. Es wäre auch kaum machbar, jedes Mal den Beirat zu informieren, wenn mich ein Gesellschafter bittet, eine Rechnung zu stunden - dann ist der eine nicht erreichbar, der andere im Urlaub, der dritte auf der Baustelle... so ein System bekäme man gar nicht gehändelt.

BTH: Das heißt, es ist jahrelang auf Vertrauensbasis gelaufen.

Höhmann: So ist es. Das hat sich als Selbstläufer dahingestellt. Wenn nun heute jemand behauptet, er habe nichts davon gewusst, nehme ich das zunächst mal so hin - aber es kann doch nicht sein, dass man 28 Jahre lang zusammenarbeitet und von nichts gewusst hat. Das gibt es nicht.

Die Frage, zivilrechtlich gegen meine Person vorzugehen, wird sich sowieso irgendwann stellen. Dem sehe ich relativ gelassen entgegen.

Man muss als Geschäftsführer Risiken abwägen. Da stellt sich natürlich die Frage: War das Risiko zu groß? War es absehbar? Und da bin ich sicher, eine hervorragende Position zu haben: Das Risiko bei der Wümeg war nicht absehbar. Da sprechen viele Indizien für: Das freie Grundstück Kämmererstraße im Wert von 35 Mio. DM nach einem Gutachtem im letzten Jahr, ein Warenlager von angeblich fast 50 Mio. DM, das nicht abgetreten war, Forderungsbestände in Höhe von 30 Mio. DM, die nicht verpfändet waren, diese Faktoren sprechen alle für mich. Ich bin sicher, das bei den Informationsquellen, die ich damals hatte, sich auch andere Gremien in unserem Unternehmen dafür entschieden hätten, der Wümeg zu helfen. Heute sehe ich das natürlich ganz anders, aber zu dem Zeitpunkt, als ich über die Darlehen entschieden habe, gab es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Geld nicht rückzahlbar sein könnte.

BTH: Wäre der Insolvenzantrag ohne das Wümeg-Desaster auch notwendig gewesen?

Höhmann: Nein, überhaupt nicht.

BTH: Also haben Ihnen diese 20 Mio. DM von der Wümeg das Genick gebrochen.

Höhmann: Ja. Eine Summe von 10 Mio. DM lässt sich problemlos aus dem laufenden Geschäft finanzieren. Man kann auch mal im Sommerloch 3 Mio. DM zusätzlich aufnehmen. Das Problem war, dass aus der Insolvenzmasse der Wümeg keine Gelder eingegangen sind; da fehlte klar der notwendige Druck.

Ich wiederhole noch mal: Ich glaube, dass man unterschätzt hat, wie schnell die Finanzschere bei uns auseinanderging. Wir hatten einen Umsatzrückgang von 15 %, das bedeutete weniger Liquidität aus dem laufenden Geschäft, dann konnten Gesellschafter nicht pünktlich zahlen und dann fehlte uns auch noch dieser große Betrag von der Wümeg, obgleich wir immer wieder insistiert haben. Irgendwann ist dann keine Liquidität mehr vorhanden.

Ich denke, dass es sicher einen langwierigen Prozess um die Frage der Sicherheiten geben wird. Die Folge davon ist das zweite große Thema, das jetzt entstanden ist: die Doppelzahlungen.

BTH: Wie sieht denn hier die Vertragsgestaltung aus? Wer ist danach der Schuldner - die FHG oder ihre Gesellschafter?

Höhmann: Die Kreditversicherer legen es so aus, dass die Verträge jeweils zwischen Gesellschafterfirma und der Industrie zustandegekommen sind und die Gesellschafter nicht mit befreiender Wirkung an die FHG zahlen konnten.

Dazu sage ich ganz klar "Nein". Wir sind doch kein Zentralregulierer. Wir sind eine Großhandelsgesellschaft im Streckengeschäft - immer gewesen und nie anders verstanden. Und eines der wesentlichen Merkmale davon ist, dass die Rechnungen auf die FHG GmbH & Co lauten und nicht auf den einzelnen Gesellschafter. Bei den großen Zentralregulierern ist das anders: Da wird die Rechnung auf den Namen der Firma ausgeschrieben, dann sind die Zentralregulierer aus dem Obligo heraus. Aber gerade weil wir uns mit der FHG als Großhändler gesehen haben und nach wie vor sehen, haben wir auch das Obligo übernommen. Unsere Devise lautete bei den Verhandlungen sowohl gegenüber der Industrie als auch gegenüber den Gesellschaftern, dass immer im Namen und auf Rechnung der FHG bestellt wird. Wir haben ja auch entsprechende Auftragsbestätigungen an die FHG bekommen und wir vor allem haben wir die Rechnungen versteuert.

Und: Die Kreditversicherer haben die FHG versichert - und nicht die einzelnen Gesellschafter. Deshalb ist auch die FHG der Leistungsschuldner. Das wird jetzt die nächste Runde sein, die ausgefochten wird. Wobei mir völlig unerklärlich ist, dass sich die Lieferanten auf Seite der Kreditversicherer gestellt haben. Der Insolvenzverwalter hält auf jeden Fall erstmal seine Hand auf das Geld, hat Masse und wartet den Streit in Ruhe ab.

Ich kann unseren Gesellschaftern nur den Rat geben, unter keinen Umständen doppelt zu zahlen, weil ich mir 100%ig sicher bin, dass diese Frage zu unseren Gunsten steht und wir einen entsprechenden Prozess gewinnen würden. Der könnte allerdings Jahre dauern, weil die strittige Summe sehr hoch ist und es sein kann, dass es ein Grundsatzurteil zu dieser Problemstellung geben muss.

Das Fatale ist, dass wir uns zum einen im juristischen und zum anderen in einem pragmatischen- wirtschaftlichen Bereich bewegen. Die negative Stimmung scheint sich momentan aber langsam zu wandeln. Immerhin hat die Industrie von uns in der Ver-gangenheit immer Geld bekommen, auch wenn einer insolvent wurde. Wir haben uns nie an eine Versicherung gewandt, sondern immer gezahlt. Von der Seite aus sind auch die Kreditversicherer im Grunde daran interessiert, eine Kompromißlösung zu erreichen. Darüber wird sich im Moment zunächst ganz vorsichtig ausgetauscht, denn keiner will sich präjudizieren.

BTH: Die Industrie ist jetzt bei der FHG als dritter großer Handelspleite in diesem Jahr natürlich besonders sensibel. Wie viele Lieferanten haben Ihnen gekündigt?

von Meurers: Etwa 100 - aber viele mit dem Zusatz, dass sie wieder zu Gesprächen bereit sind, wenn es eine neue Lösung gibt.

BTH: Und wie viele Gesellschafter sind Ihnen abgesprungen? Wir wissen offiziell nur von Möller & Förster und der Heimgro, aber es werden ja noch mehr sein.

Höhmann: Ungefähr 20, aber auch hier ein großer Teil mit der Versicherung, dass sie bei einer neuen Lösung gesprächsbereit sind. Es ist keinesfalls so, dass ein Großteil unserer Liederanten oder Gesellschafter nichts mehr mit uns zu tun haben wollen - ganz im Gegenteil.

BTH: Wie sind die realistischen Chancen für eine Fortführungslösung der FHG?

Höhmann: Dazu kann und will ich mich momentan noch nicht abschließend äußern. Ich sage mal vorsichtig nur, dass es eine FHG in der bisherigen Form und Struktur nicht mehr geben wird. Das muss man realistisch sehen: Es ist ja viel verbrannte Erde hinterlassen werden. Deswegen geht es nur über eine Neugründung. Es muss ein neues Unternehmen sein, auch einen anderen Namen haben.

Ich denke auch, dass sich der Markt drehen wird, was die Vertragsgestaltung mit den Lieferanten angeht, und die Vorgehensweise am Markt angeht. Da muss man überprüfen, ob die aus der Hochkonjuktur stammenden Konditionsmodelle überhaupt noch auf Dauer Bestand haben und sich nicht andere Wege der Zusammenarbeit bieten als nur Rückvergütungen.

BTH: Apropos Rückvergütungen. In einem Kurzinterview hieß es, sie seien bezahlt worden. Uns liegen aber andere Informationen vor.

Höhmann: Die stimmen nicht. Die Rückvergütungen sind zum 30. Juni gezahlt worden, vierteljährlich à conto wie immer. Da bleibt nur noch eine Differenz im Bonusbereich noch offen, je nach Gesellschafter und Lieferant zwischen 1 und 1,5 %.

Früher hatten wir ein anderes System, dass ursprünglich unter Mitwirkung von der Firma Wellhöfer mit eingeführt wurde. Damals wurden alle Boni ein Jahr lang bis zum 31. März stehengelassen, dann von einer Bankbürgschaft abgelöst, die wiederum bis zum 31. März des Folgejahres galt. So hatten wir zwei Jahre lang den Bonus als Sicherheit zur Verfügung. Deshalb ist uns auch nie etwas passiert und deshalb brauchten wir auch keine Kreditversicherung. Das war der Riesenvorteil: Wenn einer Schwierigkeiten hatte, hatte ich immer zwei Jahresboni in der Tasche und konnte ihm aus einer gesicherten Position heraus helfen. Hätten wir das bei der Wümeg so gemacht, würden wir heute nicht über dieses Thema diskutieren.

Aber 1994 entschied man sich, diesen Weg der Tugend zu verlassen, die Gesellschafter wollten ihre Rückvergütungen von da an lieber vierteljährlich à conto haben. Das war der verständliche Wunsch, so viel Geld als möglich zu bekommen - ohne die Gefahr zu sehen, die darin steckte. Denn das Sicherheitssystem hat darunter gelitten und die Liquidität hat darunter gelitten. Wir konnten mit den Einnahmen aus dem laufenden Geschäft agieren und das würde künftig nicht anders sein. Aber die Eigenkapitalquote wird sicher höher ausfallen müssen, als sie derzeit ist - egal, wie eine neue Struktur aussieht. Davon bin ich überzeugt. Das wird schon Basel II mit sich bringen: Mehr Vorsorge, Risikobegrenzung, Bildung von Rückstellungen. Das war ja auch meine Vision mit der Delcredere-Gesellschaft. Hätten wir dieses System früher eingeführt, wäre das Thema Wümeg schnell vom Tisch gewesen.

BTH: Die alte FHG ist also nicht mehr zu retten, aber für ein neues Unternehmen unter Ihrer Führung sehen Sie trotz des Vertrauensverlustes bei Gesellschaftern und Lieferanten Chancen?

Höhmann: Sicher. Wir sind ja an den Risiken im Finanzbereich gescheitert, nicht am Know-How. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Man muss doch auch die Kirche im Dorf lassen: Wir haben bei der FHG eine traumhafte Zeit gehabt - alle: die Gesellschafter, das Unternehmen, die Mitarbeiter und die Lieferanten. Wenn es nun nicht mehr weiter geht - aus welchen Gründen auch immer, - muss man nicht nur klagen, sondern vorwärts blicken. Für mich jedenfalls gibt es das Wort Aufgeben nicht. Ich sehe mich in voller Verantwortung und deshalb habe ich auch die Verantwortung, mit daran zu arbeiten, dass es ein neues Konstrukt gibt.

Natürlich wird es durch unseren Fall nicht leichter im Markt. Dass darunter Konditionen leiden werden ist klar. Aber grundsätzlich haben wir Chancen.

Denn man muss sich doch über zwei Dinge im Klaren sein: Zum einen hat die Industrie kein allzugroßes Interesse daran, dass einzelne Kooperationen im Markt führende Positionen einnehmen. Im Hinblick auf die Konditionsgestaltung kann es der Industrie nicht recht sein, wenn einer Monopolist oder Oligopolist ist. Und zum anderen passt nicht jeder Großhändler, Objekteur oder Einzelhändler von der Größen-ordnung, der Ausrichtung oder auch wegen Gebietsüberschneidungen in jede Kooperation. Und wir dürfen auch nicht vergessen, das 30% in unserer Branche noch frei sind.

Meine oberste Aufgabe sehe ich zur Zeit darin, dass das Thema Doppelzahlungen vom Tisch kommt und dass es eine wie auch immer neugeartete Kooperation gibt, bei der alle Mitglieder werden können, die wollen. Natürlich gibt es welche, die nicht mehr wollen. Das ist menschlich und geschäftlich verständlich. Andere haben zwar bei der FHG gekündigt, aber sehen einer positiven Lösung positiv entgegen und haben auch ihr Interesse signalisiert. Da klingt schon durch, dass es nicht sein kann, dass wir ein gutes Geschäft gemacht haben, das von allen als hervorragend angesehen worden ist und durch einen einzigen Fall sind plötzlich Geschäftsidee und -strategie komplett falsch. Das kann man nicht alles mit einem Kübel ausschütten. Es gab einen Schwachpunkt und wenn der ausgemerzt ist, bleibt eine Basis übrig, die interessant ist und auf der man wieder aufbauen kann.

BTH: Das klingt ein bißchen so, als sei die alte FHG tot, also fangen Sie wieder von vorne an und machen das Gleiche weiter.

Höhmann: Nein, das Gleiche nicht. Das was falsch gewesen ist, mache ich nicht mehr wieder.

BTH: Was wollen Sie denn anders machen?

Höhmann: Ich würde auf jeden Fall ein anderes Konditionssystem einführen. Und ein Kreditoren-Management, was keiner hat, weil man damit die Zahlungsströme bei den Unternehmen viel besser verfolgen kann. Grundsätzlich würde ich über eine andere Struktur nachdenken. Man muss sich doch überlegen, wie Kooperationen in Zukunft aussehen. Da gibt es 10 große Gesellschafter in einer Kooperation, die 60 % des Umsatzes machen und 50 % kleinere mit 40 % Anteil. Muss da wirklich jeder Gesellschafter das gleiche Stimmrecht haben?

BTH: Das heißt, nicht nur progressive Boni, sondern auch progressive Stimmrechte?

Höhmann: Absolut. Die Großen führen den Kleineren doch Zusatzerträge zu, die diese allein gar nicht erzielen könnten. Das Gedankenspiel geht ja noch weiter: Müssen die einzelnen Unternehmen überhaupt an solchen Gesellschaften beteiligt sein? Oder gründet man nicht besser eine AG mit einem Haupt-
aktionär, der die absolute Mehrheit hält, sich überhaupt nicht für das Tagesgeschäft interessiert, sondern sein Kapital investiert, das höchste Risiko trägt und damit auch meisten Stimmrechte hat? Es geht darum, Führungs- und Kapitalstärke zu etablieren. Das muss man machen wie beim Aktienrecht: Wer die meisten Aktien hält, hat auch die meisten Stimmrechte.

BTH: Lassen Sie bei diesem Modell nicht außer Acht, dass Sie es bei einer Kooperation bzw. Genossenschaft mit Unternehmern zu tun haben, die gewohnt sind, selbstständig zu entscheiden und zu handeln und sich nicht in ihrer Freiheit beschneiden lassen möchten?

Höhmann: Die Mitgliedschaft ist doch freiwillig. Jeder kann entscheiden, ob er eintreten will oder nicht. Außerdem sollen sie gar nicht entmachtet werden. Sie bestimmen immer noch, was gelistet wird, arbeiten in Kollektionsausschüssen oder Erfa-Ausschüssen mit...

Ich glaube, was wir alle - oder viele - falsch machen, ist, dass wir immer an allem und jedem festhalten und meinen, wir dürften nichts daran ändern. Das ist der größte Fehler der überhaupt gemacht werden kann. Ich weiß nicht, ob nicht ein Unternehmen mit einem starken Kapitalmehrheitsgeber in der Lage ist, Dinge besser zu steuern und umzsetzen als die klassische Form der Genossenschaften und Kooperationen, wo jeder das gleiche Stimmrecht hat.

BTH: Sollte die neue Kooperation wieder Handelsstufen-übergreifend sein?

Höhmann: Ja, unbedingt. Das war ja einer der Erfolgsparameter der FHG. Mal hat die eine Gruppe bessere Geschäfte gemacht, mal die andere. Dadurch hatten wir einen sehr ausgeglichenen Umsatz.

Das Modell hat sich bisher bewährt. Problematisch ist es nur dadurch geworden, dass die Gesellschafter frei bestellen konnten und wir das Obligo übernommen haben.

BTH: Das spricht dafür, das Delcredere einer Bank zu übertragen. Dann sind Sie bei Problemen auf jeden Fall draußen.

Höhmann: Schon, aber das Gleiche können wir auch allein machen und kostengünstiger. Dafür brauche ich keine Bank. Das ist mir zu teuer. Wir sind in dem Bereich viel preiswerter aufgrund unserer IT-Technik. Und haben auch noch den Zinsgewinn, den sonst die Bank einnimmt. Heute würde ich das gleiche System in den Grundzügen auch anwenden, aber ohne jegliches Risiko mit Kreditoren-Management. Möglich wäre auch, dass die Finanzierung ein Kapitalfonds übernimmt, der sich an den Unternehmen beteiligt.

Ich würde noch mehr Themen anpacken, die noch keiner angegangen ist. Zum Beispiel Zentrallager. Das Thema ist nicht vom Tisch und immer noch hochaktuell. Wir hatten bereits eine Konstruktion entwickelt, die nur noch in die Praxis umgesetzt werden musste; wir wissen, was ein Coupon gekostet hat und was er kosten würde, wenn man ein Zentrallager hätte. Die Logistik wird künftig von entscheidender Bedeutung sein. Daran kommen wir nicht vorbei. 24-Stunden-Service wird Pflicht. Das funktioniert in allen anderen Branchen, nur bei uns noch nicht. Dabei könnte mit einer Bomben-Logistik das Umlaufvermögen bei den Firmen deutlich reduziert werden. Und darum geht es doch - vor allem im Großhandel. Worunter leidet der Großhandel denn am meisten? Zu hohe Lagerbestände, zu geringe Drehzahlen, zu hohes Umlaufvermögen, was alles auf die Liquidität drückt.

Diesen Ansatz kann man noch weiterspinnen: Warum verbinden sich kleinere Großhändler, die sich regional überschneiden, mit Hinblick auf die Liquidität nicht über eine Holding, die den Außendienst zentral steuert, das Debitoren-Management übernimmt, die Ware aufteilt, die Logistik organisiert und gemeinsames Marketing macht? Stattdessen wird alles dreimal ausgegeben. Ich denke, das wird eins der Schlüsselthemen der Zukunft.

BTH: Wie auch immer eine Nachfolge-Organisation von der FHG aussehen wird - Heiko Höhmann will auf jeden Fall wieder an der Spitze stehen?

Höhmann: Ob das nun unbedingt die Funktion eines Geschäftsführers sein muss, weiß ich gar nicht. Das kann auch ein Beraterposten sein. Da lege ich mich nicht fest.
aus BTH Heimtex 08/02 (Großhandel)