Neues Kundenverhalten fordert Industrie und Handel

Der Kunde wird zum "smart shopper"

Deutschland bleibt trotz Rezession der Schlüsselmarkt in Europa. Für deutsche Hersteller und Händler kommt es darauf an, die eigene Position zu stärken. Was ist zu tun? Der Unternehmensberater Dirk Hecking von der BBE-Unternehmensberatung gab den Mitgliedern des Verbandes der deutschen Parkettindustrie Anregungen, wie auf fallende Grenzen in allen Lebensbereichen, auf den Verlust von Eindeutigkeit und Loyalität im Geschäftsverkehr, zu reagieren sei.

Vor dem Hintergrund der zu erwartenden demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland entwickelte der Referent das Handelsszenario der kommenden Jahre. Als positive Eckpunkte nannte er das Bevölkerungswachstum, die EU-Erweiterung und hohe Privatvermögen - negative Einflussfaktoren bleiben hohe Staatsschulden, eine schwache Konjunktur, Arbeitslosigkeit und ein wachsendes Wohlstandsgefälle. Das Bevölkerungswachstum ("bis 2008 Anstieg von 82 auf 86 Mio. Einwohner, danach Rückgang bis 2050 um 5 bis 6 Mio. Einwohner"), hohe Soziallasten, die zunehmende Alterung der Gesellschaft und die Rentenproblematik, viele Single-Haushalte, lange Ausbildungszeiten, späte Eheschließungen, kürzere Lebenszyklen und hohe Erbvermögen würden sich - wie alle gesellschaftlichen Veränderungen und sozialen Umschichtungen - auf Bedarf und Verhalten der Verbraucher auswirken.

Generell wird das Produkt gegenüber dem Bedarf an Dienstleistungen zurück treten, heißt es. Die heute schon erkennbaren Vorboten einer stark individuell geprägten Nachfrage münden in ein "smartes" Kaufverhalten, das sich im Dreieck zwischen Preis-Qualität und Convenience entscheidet. Hecking: "Einerseits wird Geld strategisch eingesetzt, beispielsweise beim Discounter, andererseits gewinnt die Ware als Wert, der Luxusartikel, an Bedeutung". Insgesamt charakterisiert Hecking den "smart shopper" als erlebnisorientiert, kritisch und fordernd - stetig im Spannungsfeld zwischen Zeitknappheit und Anspannung einerseits, Rückzug in die eigenen vier Wände, Freizeit und Wellness andererseits. Stimmungen sind schwankend, Trends lösen einander in rascher Folge ab und eine Erwartungshaltung auf hohem Niveau "einschließlich der Bereitschaft, dafür zu zahlen" nimmt zu.

Die "Eindeutigkeit" geht verloren

Der Anbieter, folgert Dirk Hecking, muss sich verstärkt auf Verbraucher einstellen, die "abschalten" - nicht nur bei Werbung, sondern auch im Hinblick auf Informationen, eigene Ideen und zeitaufwändigen Einsatz. Stattdessen begeben sich die Menschen in das Ambiente eines Ladens und in die Hand des Beraters. "Kaufentscheidungen werden im Geschäft getroffen. Der PoS wird - unbeschadet vom Internet-Zeitalter - immer wichtiger."

Der Wunsch nach Bequemlichkeit macht aus Kunden aber noch keine Stammkunden. Seit Jahren schwinden Loyalitäten. Kundenbindung - "die Erfolgsbasis der Zukunft" - wird nicht durch Größe und Preisführerschaft hergestellt; entscheidend sind Individualisierung und Kompetenz. Hinsichtlich der Forderung nach Kompetenz rät Hecking dem Handel, "in Verbindung mit Hersteller-Marken, die als Orientierungspunkt für Verbraucher an Bedeutung gewinnen, selber zur Marke zu werden".

Das konsequente Eingehen auf den Endverbraucher führt aber auch dazu, dass "die bisherige Eindeutigkeit der Formate und Strategien verloren geht". Das hat Auswirkungen auf die Wechselbeziehungen zwischen Herstellern und Händlern. Die Forderung nach Produkten, die speziell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Händlers zugeschnitten sind, führt zu Verabredungen über komplette Kollektionen. Damit, meint Hecking, würden schon heute für viele Hersteller und Händler Messebesuche überflüssig.

Speziell mit Blick auf Wohnbedarf unterbreitete Hecking statistische Daten: 44 % aller Wohnungen sind zwischen 60 und 100 qm groß. 56,7 % der Wohnungen werden gemietet, 38,7 % entfallen auf Eigenheime und 4,6 % auf Eigentumswohnungen. 86,2 % aller Wohnungsinhaber wollen bleiben - und sind damit potentielle Renovierer. Im Bodenbereich entfallen auf die Renovierung mit Teppichböden 17,3 %, auf Keramik 9,4 %, auf Laminat 6 % und auf Holz 3,3 %. Der Anteil der Selberverleger bei Teppichboden liegt bei etwa 12 %, bei Holz sind es etwa 2,6 %.

Wege zur Profilierung

Obgleich Holzfußböden einen vergleichsweise geringen Anteil am Bodenbelagsmarkt haben, ergaben Umfragen, dass Holz insgesamt im Wohnbereich ein gutes Image genießt. Dies, betont Hecking, bietet Industrie und Handel einen Ansatzpunkt für Profilierungsstrategien. Folgende Fragen sollte sich jedes Unternehmen selber beantworten:

- Was wollen wir?
- Welche Kunden sprechen wir an?
- Was können wir besonders gut?
- Wo haben wir Schwächen?
- Was macht uns einzigartig?
- Warum soll der Händler bzw. Endverbraucher bei uns kaufen?

Wichtig für jedes Unternehmen ist es darüber hinaus:

- wachsam zu sein gegenüber Marktentwicklungen und Megatrends - nicht nur in der eigenen Branche, da auch Veränderungen in anderen Branchen oft frühzeitig Fingerzeige geben.
- stetig an der Entwicklung neuer Produkte zu arbeiten und dabei den Kundennutzen, nicht das eigene Denkschema "Material, Herstellung, Produkt", in den Vordergrund zu stellen.
- interne Reserven, u.a. auch Mitarbeiter-Anregungen oder -Infos auszuschöpfen.
- die "richtigen" Kunden zu fördern, sie sachlich wie emotional an sich zu binden.
- über den eigenen Schatten zu springen und Kooperationen einzugehen.
- konsequent zu bleiben.
aus Parkett Magazin 05/03 (Bodenbeläge)