Weg vom Mengendenken, hin zu Kreativität, Flexibilität und Schnelligkeit

Stoeckel & Grimmler ist fit für die Zukunft

Mit Investitionen in Produktion, Marketing und Kundenansprache stemmt sich Stoeckel & Grimmler der Kaufzurückhaltung auf dem Inlandsmarkt entgegen. Als klarer Stücklieferant setzt die familiengeführte Jacquardweberei auf Kreativität, Flexibilität und Schnelligkeit und verspricht sich davon auch Zuwachs im Export. Die Tochtergesellschaft Home Decor geht bewusst andere Wege: Sie konzentriert sich auf modische Fertigartikel und erreicht damit weitere Kundengruppen. Mit dieser zweigleisigen Strategie decken die Franken den Markt weitgehend ab.

Die Umstrukturierungen und Anpassungen, die der sich massiv verändernde Markt fordert - und mancher Deko- und Gardinenanbieter noch vor sich herschiebt - hat Stoeckel & Grimmler bereits hinter sich. "Weg vom Mengendenken, hin zu kreativen Artikeln in kleinen Losgrößen, die schnell geliefert werden" - darin liegt die Zukunft, hat der traditionsreiche Jacquardweber schon frühzeitig erkannt.

Anfang der 90er Jahre, als sich allmählich der Konsumeinbruch am Heimtextilienmarkt abzuzeichnen begann, war Stoeckel & Grimmler noch ein ausgesprochener Massenlieferant mit 7 Mio. Laufmeter Webware im Jahr. Volker Bergmann und sein Sohn Hanns Bergmann, die das 1870 gegründete Familienunternehmen in der dritten und vierten Generation führen, bewiesen aber schon damals Weitblick; ihnen war bewusst, dass eine Mengenproduktion in Deutschland langfristig keine guten Perspektiven bietet. Also strukturierten die beiden gelernten Textilingenieure - Volker Bergmann, seit 1960 in der Firma, wacht über die Finanzen und Hanns Bergmann verantwortet seit 1992 Produktentwicklung, Vertrieb und Personal - ihr Unternehmen komplett um: Rigoros wurden Kapazitäten abgebaut, die Zahl der Webstühle reduziert und dafür in aufwändigste, technisch anspruchsvolle neue Jacquardmaschinen investiert.

1994 fiel die Entscheidung für den Neubau einer computergesteuerten Fertigung mit rationellem Betriebsablauf auf der grünen Wiese. "Uns war klar, dass wir individuelle Stoffe in kleinen Losgrößen fertigen und kurzfristig liefern müssen, um langfristig am Produktionsstandort Deutschland überleben zu können", blickt Hanns Bergmann zurück. Ende 1996 war das neue Werk mit 12.000 qm Fläche in Münchberg-Nord fertiggestellt. Heute wird dort vollstufig vom Ketten, Schären bis zum Weben mit 100 Mitarbeitern produziert, lediglich die Garne werden in Deutschland, Italien oder Irland zugekauft, wobei auf "1 A-Qualität" Wert gelegt wird. Denn: "Der Nutzwert der Maschinen muss sich rechnen", sagt Hanns Bergmann.

Autark in Entwicklung und Produktion

Zur Zeit werden auf 60 modernsten Jacquardwebstühlen in drei Schichten rund 3 Mio. m Stoff im Jahr produziert. Das sind im Schnitt 15.000 m am Tag. Damit ist der ursprüngliche Tischdecken-Hersteller einer der größten deutschen Deko-Weber und gehört zu den modernsten Jacquardwebereien in Europa. Der Hauptanteil wird als Buntgewebe gearbeitet - das heißt, bunte Kette, bunter Schuss - und zwar raumhoch oder in zweimal 140 cm mit bis zu 440 Schuss pro Minute; und das nicht auftrags-, sondern kettbezogen. Alle Maschinen haben Doppelbreite, so dass flexibel schmal und breit gewebt werden kann. Und nicht nur das; auch in den Konstruktionen sind die Stühle variabel: ob feine Scherlis, Chenille oder Doppelgewebe - alles entsteht auf den gleichen Maschinen. Der inzwischen geringe Anteil an weißen, bzw. weißen bedruckten Artikeln wird bei einem externen Unternehmen stückgefärbt.

Abgesehen davon findet die weitere Veredlung im eigenen Haus statt. Dafür stehen Spannrahmen, Transferdruck- und Doubliermaschinen zur Verfügung. Die Thermofixierung befindet sich noch im alten Werk. Dafür pendelt zweimal am Tag ein Lkw vom alten Betriebsgelände zur neuen Werkshalle. Verpackt wird in einer vollautomatischen Verpackungsanlage, die speziell für die unterschiedlich schweren und leichten Stoffe, die Stoeckel und Grimmler webt, entwickelt wurde.

In der hauseigenen Musterabteilung sind 2000 bis 2500 Positionen aller Qualitäten verfügbar, in der Musternäherei werden unter anderem Musterfenster und Kissen in den aktuellen Stoffen für Messen gefertigt. Alles läuft -zentral gesteuert- über eine moderne EDV-Anlage.

Verwaltung und Showroom residieren im alten Firmengebäude in der Innenstadt. Eingangshalle und Showroom werden zweimal im Jahr jeweils mit den Stoffen der neuen Kollektion dekoriert.

Für die Stoeckel & Grimmler-Kollektionen ist das Design-Team im Atelier verantwortlich. Zweimal im Jahr wird kollektioniert. Darüber hinaus setzt man stark auf Eigenmuster, die von den Designern gemeinsam mit den Kunden entworfen und umgesetzt werden.

Vom Produkt- zum Systemlieferanten

Die 100%-Tochter Home Decor wurde 1954 ursprünglich für den Export gegründet. Seit 1989 konfektioniert sie offiziell Tischdecken. Damals sah man in diesem Bereich Potenzial. "Angefangen hat es mit großen Kunden", erinnert sich Hanns Bergmann. Brokatdecken waren der Renner. Als die Nachfrage nach Tischdecken abflaute, änderte man das Angebot und stieg auf Kissen, Kleinteile für die Tischdekoration und Fertigschals um - also in die Richtung eines Fertigwarenkonzeptes. "Wir kommen zwar vom Fenster, haben aber erfahren, dass wir durch Impulsprodukte wie Kissen auch das Fenster stärken". Mittlerweile hat sich Home Decor einen Namen für seine modischen konfektionierten Fertiggardinen, Kissenhüllen, Sitzkissen, Houssen und Tischwäsche gemacht. Auch hier konzentriert man sich konsequent auf buntgewebte Stoffe, die in Kombination auch als Meterware angeboten werden können und damit komplette Raumdekorationen möglich machen.

Und dieser eingeschlagene Weg vom Produkt- zum Systemlieferanten soll in Zukunft noch weiter ausgebaut werden. So hat Stoeckel & Grimmler in der Lifestyle-Kollektion Esprit Home, einem Komplettprogramm für die Einrichtung des bekannten Mode-Labels mit Fertiggardinen, Rollos, Tischdekoration, Kissen, Farben, Teppichen, Leuchten und Accessoires den Part der Stoffe übernommen. Der belgische Esprit-Lizenzpartner Berversion, der auch für den Esprit-Vertrieb verantwortlich ist, ist ein Joint Venture aus B + C International und Stoeckel und Grimmler.

Die aktuellen Kollektionen

Seit 2003 wird bei Stoeckel & Grimmler in Themenwelten gedacht; das heißt, es werden keine Solitärstoffe entwickelt, sondern Coordinates. Das gilt auch für die aktuelle Kollektion, bei der vor allem die neuen, kreativen Scherli-Ideen mit Karos, Kreisen und Blattmotiven ins Auge fallen, auch als aufwändiger Organzascherli, dazu wertige Doppelgewebe und Streifenvariationen. Die Farben sind intensiv und warm mit einem starken Schwergewicht auf Rot, Orange, Terracotta und Erdfarben, dazu leuchtendes Pink.

Zur Verkaufsförderung bietet Stoeckel & Grimmler dem Handel vier Musterfenster pro Kollektion in verschiedenen Preisklassen an, so dass der Kunde daraus eine Selektion der Stoffe auswählen kann, die dann als Stück schnell im Laden verfügbar sind. Derzeit sind rund 400 Musterfenster im Handel untergebracht.

Für Weihnachten wurde unter dem Dach von Home Decor eine separate Serie aufgelegt mit klassischen Tischdecken mit Lurexstreifen, passenden Läufern und Organza-Scherlis mit festlichen Sternen, Rentieren und Weihnachtsbäumen, es gibt auch abgestimmte Schlaufenschals und Houssen mit Lurex-Akzenten und Kreuzstich-Weihnachtsdessins.
aus BTH Heimtex 11/04 (Wirtschaft)