Interview mit Volker und Hanns Bergmann

"Heute muss man Spezialist sein, um am Markt bestehen zu können"

Vater Volker Bergmann und Sohn Hanns Bergmann sind ein erfolgreiches Gespann, das sich perfekt ergänzt. BTH Heimtex-Redakteurin Birgit Genz sprach mit den beiden über die Branche, Firmenstrategie und -ziele von Stoeckel & Grimmler.

BTH Heimtex: Die Branche liegt 2004 weiter darnieder, der Inlandsmarkt ist weiter auf Talfahrt. Haben Sie das auch zu spüren bekommen? Wie hat sich Ihr Umsatz entwickelt?

Hanns Bergmann: Wir sind davon nicht berührt. Umsatzmäßig liegen wir nach den ersten neun Monaten pari, für das ganze Jahr rechnen wir sogar mit einem deutlich zweistelligen Plus, weil das letzte Quartal erfahrungsmäß im Umsatz stärker ist.

BTH Heimtex: Woraus resultieren Ihre guten Zahlen? Was machen Sie besser als andere?

Hanns Bergmann: Unsere Stärken sind Kreativität, Flexibilität durch kleine Liefermengen und kurze Lieferfristen. Und natürlich unsere Themenwelten, die hervorragend ankommen und durch die wir neue Kunden in allen Bereichen dazu gewinnen konnten - im Großhandel wie im Einzelhandel. Nehmen Sie zum Beispiel den Möbelhandel: dem können wir Bildvorlagen für seinen Prospkt, die Warenwelt dahinter und das passende Musterfenster anbieten. Das ist perfekt für diese Klientel.

Volker Bergmann: Vorangebracht haben uns sicher auch unsere Eigenmuster-Entwicklungen. Wir bieten schon ab 180 Lfm eigene Dessins und Farben. Das gibt es nicht überall. Und wir binden die Kunden sehr stark und frühzeitig ein, nehmen die Designer mit zu den Kunden, richten uns individuell auf den Kunden ein.

Hanns Bergmann: Sie finden bei uns nichts, was es schon woanders gibt. Wir kopieren nichts, wir stellen nichts nach, wir haben unsere eigene Handschrift. Das schätzen die Kunden.

Volker Bergmann: Hier können wir voll unsere Kompetenz als Weber einbringen. Auf einer einzigen Kette kann man 300 Dessins weben, man muss nur den Schuss verändern. Deshalb können wir individuelle Fertigung schon in kleinen Mengen anbieten. Das ist beim Weißweben und dann Stückfärben viel aufwendiger und teurer. Unter 400 und 600 m geht dort nichts.

Hanns Bergmann: Dieses Prinzip nutzen wir auch bei unseren Themenwelten. Die Dessins einer Themenwelt basieren alle auf der gleichen Grundkette, zeigen trotzdem ganz unterschiedliche Erscheinungsbilder durch die verschiedenen Schüsse und Bindungen. Diese Flexibilität ist unser Vorteil. Die großen Volumenweber in der Türkei oder China können das nicht, sie sind rein auf Menge ausgelegt.

Wir sind dagegen der Spezialist für Buntgewebe. Hier decken wir alles ab: vom Organza über Doppelgewebe und Scherlis bis zum Chenille. Das kann nicht jeder.

BTH Heimtex: Gibt es Produktgruppen, die Ihnen zur Zeit besonders Freude machen?

Hanns Bergmann: Eigentlich haben wir kein Highlight, das unser Spitzenreiter ist; die Zuwächse verteilen sich über alle Produktgruppen. Daraus kann ich auch den Rückschluss ziehen, wo uns der Markt sieht: Der Handel sucht bei uns innovative, kreative Stoffe, weiß, dass wir nicht billig sind, aber ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und hochwertige Ware bieten, die keine Probleme macht.

BTH Heimtex: Die deutsche Textilindustrie ist stark im Schrumpfen begriffen. Sie halten dagegen am Produktionsstandort Deutschland fest. Sind Sie sicher, dass Sie angesichts der wachsenden Konkurrenz im Ausland langfristig wettbewerbsfähig bleiben können?

Hanns Bergmann: Aber ja. Für uns rechnet sich die Produktion in Deutschland, weil wir auf Qualität setzen. Das Material und die Maschinen kosten letztlich überall das Gleiche - egal, ob sie in Deutschland, der Türkei oder China stehen. Das Know-How ist das Entscheidende - und ob man seinen Betrieb und die Kosten im Griff hat. Wenn diese Komponenten stimmen - und man nicht zu groß wird - kann man gut in Deutschland produzieren.

Volker Bergmann: Wir kennen Dekostoffhersteller, die in Rumänien investiert haben, dort beispielsweise konfektionieren und eine Mischkalkulation machen. Wir haben stattdessen hier investiert und machen das Beste daraus. Wir verzetteln uns nicht mit mehreren Standorten in verschiedenen Ländern. Dann beherrscht man nämlich gar nichts richtig. Wir konzentrieren uns dagegen auf die Jacquardweberei - und darin sind wir richtig gut. Heute muss man Spezialist sein, um am Markt bestehen zu können.

BTH Heimtex: Kommen wir von der Produktion zum Vertrieb. Sie sind ein klassischer Stückanbieter. Wer sind Ihre Kunden?

Hanns Bergmann: Zu 40% der Großhandel, zu weiteren 40% der Einzelhandel und die restlichen 20% entfallen auf Industrie und Weiterverarbeiter. Der Einzelhandel gliedert sich wiederum auf in die Bereiche Möbelhandel, Fachmärkte und industriefähiger Einzelhandel bzw. Raumausstatter mit einem Anteil von jeweils ca. gut 30%.

BTH Heimtex: Stellen Sie Veränderungen in Ihrer Kundenstruktur fest?

Hanns Bergmann: Kaum, weil wir die kleinen Fachhändler und Raumausstatter nicht schwerpunktmäßig bedienen, die wohl den größten Veränderungen unterworfen sind durch Probleme bei der Nachfolgeregelung, Geschäftsaufgaben und Insolvenzen. Das müssten wir eigentlich über die Grossisten merken, dort platzieren wir aber im Gegenteil gerade mehr Artikel, verhalten uns also antizyklisch zum Markt. Grundsätzlich steht der Handel wirklich am Scheideweg. Diejenigen, die Konzepte haben und sich gegenüber dem Wettbewerb profilieren, werden überleben. Ebenso wie das Billigsegment. Ob die Warenhäuser für unsere Branche als Vertriebsweg überleben, wage ich zu bezweifeln

Volker Bergmann: Zukunft haben sicher diese Erlebniscenter mit 30.000, 50.000 oder 60.000 qm Verkaufsfläche, wo man alles findet vom Friseur bis zum Dekostoff. Dort zieht es die Verbraucher hin, dort herrscht auch hohe Frequenz.

BTH Heimtex: Man muss den Verbraucher heute auch anders ansprechen als früher - nicht über Einzelprodukte, sondern über Themen und Lifestyle-Konzepte. Sie haben das frühzeitig erkannt und umgesetzt. Wollen Sie noch weiter in diese Richtung marschieren? Ist beispielsweise eine Ausweitung des Konzeptes auf artfremde Produkte wie Gläser, Geschirr oder ähnliches denkbar?

Hanns Bergmann: Nein, es bleibt beim Stoff. Wir konzentrieren uns auf auf den textilen Bereich und dort auf das, was wir jetzt machen. Auch Bettwäsche etwa ist kein Thema für uns. Weitere Produktsegmente erfordern spezielles Know-How in der Vermarktung, das wir nicht beherrschen - weder bei Bettwäsche noch bei Porzelan. Deswegen halten wir uns dort heraus.

Volker Bergmann: Das fängt schon beim Außendienst an - er engagiert sich unterschiedlich für die Produkte. Der eine verkauft besser Dekostoffe, der nächste Tischdecken und der dritte Porzellan.

BTH Heimtex: Wie haben Sie das denn mit Ihrem Außendienst geregelt? Verkauft er Stoeckel & Grimmler-Stoffe und die Fertigartikel von Home Decor? Und was ist mit der Esprit-Linie?

Hanns Bergmann: Esprit läuft völlig separat. Der Außendienst für Stoeckel & Grimmler und Home Decor ist dagegen der Gleiche. Aber intern halten wir das strikt getrennt. Das geht so weit, dass der Außendienst im Haus zwei verschiedene Ansprechpartner hat, also wie mit zwei Lieferanten arbeitet.

BTH Heimtex: Welche Rolle spielt der Export für Sie?

Hanns Bergmann: Unser Exportanteil liegt derzeit bei 35%, mit steigender Tendenz. Hauptexportmärkte sind die EU-Länder, schwerpunktmäßig Skandinavien, die deutschsprachigen Nachbarländer Österreich und Schweiz und die Benelux-Länder.

Fernost einschließlich Australien und Neuseeland wächst, ebenso Osteuropa. In den USA fangen wir gerade erst an,dort haben wir bislang noch keine Geschäfte getätigt.

Wobei es lange dauert, sich einen Auslandsmarkt aufzubauen. Das erfordert auch einen hohen persönlichen Einsatz. Man muss vor Ort in den Ländern sein, sich die Märkte anschauen, ein Gefühl dafür entwickeln, welche Qualitäten, Muster und Farben dort bevorzugt werden und dann die Kollektion danach ausrichten. So haben wir für das Ausland gezielt dunklere, gedämpftere Farben entwickelt als für Deutschland und auch die Gewebetypen entsprechend angepasst.

BTH Heimtex: Aus Kostengründen sparen sich immer mehr Anbieter den Messe-Auftritt. So verzichten im kommenden Jahr zahlreiche Verleger auf die Heimtextil. Finden Sie das richtig? Welche Bedeutung haben Messen für Sie?

Hanns Bergmann: Das muss jeder selbst entscheiden. Für uns ist das kein Thema: Wir gehen auf die Heimtextil. Wir nutzen die Messen zur Verstärkung und Intensivierung der Kundenkontakte und für neue Kontakte.

BTH Heimtex: An welchen Messen nehmen Sie außer der Heimtextil teil?

Hanns Bergmann: Der Decosit in Brüssel und der Heimtextil Russia. Außerdem haben wir uns zur Proposte in Como in einer Hotelsuite präsentiert.

BTH Heimtex: Mit welchen Erwartungen gehen Sie nach dem erfolgreichen Jahr 2004 ins Jahr 2005?

Hanns Bergmann: Wir sind optimistisch und das aus zwei Gründen: Zum einen hat sich unser Konzept etabliert, die Kundenresonanz darauf ist sehr gut, zum anderen beginnt der Export zu laufen.

BTH Heimtex: Und über das Jahr 2005 hinaus gedacht - haben Sie eine Vision, wo Stoeckel & Grimmler mittel- bis langfristig stehen soll?

Hanns Bergmann: Ja. Wir wollen unsere Konzeptionen noch weiter ausbauen und uns noch mehr bei unseren Kunden damit etablieren. Vielleicht denken wir auch einmal über Shop-in-Shop-Konzepte nach. Wir wollen Systemlieferant für die Fläche sein - das ist eindeutig unser Ziel. In diese Richtung wird es auch von Seiten unserer Kunden aus gehen. Denn die Konzentration bei den Lieferanten wie beim Handel wird weiter voranschreiten und enge Partnerschaften forcieren. Und wir wollen im Industriegeschäft weiter wachsen. Was wir über die Jahre mit Home Decor im Konfektionsbereich gelernt haben, können wir anderen Konfektionären anbieten.

BTH Heimtex: Die Konsumunlust ist zweifellos mitverantwortlich für die Misere der Branche, aber nicht nur. Wo sehen Sie die hausgemachten Probleme?

Volker Bergmann: Die Branche ist zu fantasielos.....

Hanns Bergmann: ...und sie zeigt zu wenig Einigkeit. Jeder verfolgt nur seine eigenen Interessen, keiner engagiert sich für das Gemeinwohl. Es ist versäumt worden, in den guten Zeiten eine Lobby für unsere Branche aufzubauen. Damals war es nicht nötig, die Betriebe hatten keine Probleme. Und heute fehlt das Geld für eine Imagepflege...


Stoeckel & Grimmler - das Unternehmen

Stoeckel & Grimmler
Gartenstr. 25
95213 Münchberg
Tel.: 09251 / 890
Fax: 09251/ 89 2101
www.stoeckel-grimmler.de

Gründungsjahr: 1870, familiengeführte Jacquardweberei in 3. bzw. 4. Generation
Geschäftsführung: Volker und Hanns Bergmann
Besitzverhältnisse: 100% Familienunternehmen
100-prozentige Tochtergesellschaft: Home Decor

Umsatz: 22 Mio EUR, davon 17 Mio. EUR Stoeckel und Grimmler und 5 Mio. EUR Home Decor
Mitarbeiter: 100
Exportanteil: 35 % mit wachsender Tendenz
Exportmärkte: EU mit Schwerpunkt Skandinavien, deutschsprachiger Raum mit Österreich und Schweiz, Beneluxstaaten, Fernost mit Australien und Neuseeland, Asien, USA, Ostblock mit GUS-Staaten
Kunden: Großhandel, Einzelhandel mit Möblern, Fachmärkten und großen Raumausstattern sowie Industrie und Weiterverarbeiter

Produktionshalle: 12.000 qm
Maschinenpark: 60 Jacquard-Webmaschinen, außerdem stehen eigene Spannrahmen, Transferdruck- und Doubliermaschinen sowie Gewebeputz- und Schermaschinen zur Verfügung
Produktion: am Tag durchschnittlich 15.000 Lfm, ca. 3 Mio. Lfm pro Jahr

Sortiment: Jacquard-Buntgewebe jeglicher Art, Scherlis, Organzas, Doppelgewebe, Transferdrucke sowie verschiedene Unis in großer Farbauswahl als Stückprogramm, Meter- und Fertigwarenprogramm
Kernkompetenzen/Spezialitäten: Jacquardgewebe jeglicher Art sowie Eigenmusterentwicklungen
Sonderfarben: ab 180 lfm
Lagervolumen: 700.000 m
Lieferzeit: bei gelisteten Artikeln/Listungssortiment innerhalb 2 Tagen, bei Neuproduktionen/Neuentwicklungen 4 bis 6 Wochen
Versand: per UPS oder Speditionen
besondere Serviceleistungen: Verkaufskonzepte, Musterfenster zum Selbstkostenpreis, Unterstützung am POS durch Musterfenster, Werbevorlagen für Prospekte, flexible Lieferung auch kleiner Mengen bei schneller Lieferzeit
aus BTH Heimtex 11/04 (Wirtschaft)