Farbenhersteller verbessern die Präsentation ihrer Produkte

Die Vermarktung wird bunter

Weiß ist nicht mehr in, die neue Farbigkeit kommt. Diese Entwicklung sorgt dafür, dass Farbenhersteller neue Präsentationskonzepte erarbeiten. Damit wenden sie sich sowohl an den Endverbraucher als auch den Verarbeiter. Im Mittelpunkt der frischen und pfiffigen Vermarktungsstrategien stehen Emotionen.

Der Purismus hat sich überlebt, kalte Architektur und weiße Wände gehören modisch der Vergangenheit an. Die schnörkellose Geradlinigkeit macht dem Bedürfnis nach Gemütlichkeit Platz, die nach Jahren der Enthaltsamkeit die Farbigkeit wieder aufleben lässt. Von dieser Renaissance profitieren nicht nur Tapeten-, sondern auch Farbenhersteller. Ihre Produkte erfreuen sich steigender Beliebtheit. Um diesen Trend zu fördern, haben viele Unternehmen inzwischen ihre teils altbackenen Präsentationen aufgefrischt. Statt sich auf langweilige Farbtabellen zu beschränken, begleiten sie die Vorstellung ihrer Produkte nun mit ausgeklügelten Konzepten und erreichen damit sowohl den Maler als auch den Endverbraucher.

Das Thema Vermarktung bewegte auch die Aussteller bei der Heimtextil in Frankfurt. So manch ein Tapetenanbieter dachte darüber nach, wie bei Messen künftig im Rahmen von Ganzheitlichkeit die Wandbekleidung in Kombination mit dem Gestaltungselement Farbe und weiteren Heimtextil-Produkten präsentiert werden könnte. Damit kamen sie dem Ansatz des Farbenherstellers J.W. Ostendorf nahe, der in diesem Jahr erstmals bei der Heimtextil mit einem Stand in der Tapetenhalle vertreten war. Das Coesfelder Unternehmen ließ von der Designerin Jette Joop moderne Farbwelten entwerfen, die Farbe zu einem eigenständigen, zeitgemäßen Mittel kreativer und individueller Einrichtung erheben.

Farbrezepte vom TV-Koch

Wie Ostendorf hat sich auch Alpina etwas Neues für die Zielgruppe Endverbraucher ausgedacht, um den "Wachstumsmarkt der abgetönten Wandfarben" zu stärken. Die Marke der Deutschen Amphibolin-Werke von Robert Murjahn Stiftung setzt allerdings nicht mit einer bekannten Designerin, sondern mit Fernsehkoch Tim Mälzer auf prominente Unterstützung bei der Vermarktung ihrer Dispersionsfarben. Mit der Produktlinie "Farbrezepte" beschreitet Alpina Neuland in der Präsentation, die bisher vor allem von technischen Produktmerkmalen wie Deckkraft und Ergiebigkeit geprägt war.

Mälzer schlägt nun eine Brücke zwischen der Essenszubereitung und der kreativen Farbgestaltung. Schließlich bräuchten sowohl schöne Wände als auch leckere Speisen die richtigen Zutaten und ein gutes Rezept. Der Koch serviert auf Plakaten am POS beispielsweise "Gekochte Schwiegermutter" vor einer pinkfarbenen Wand. Zum Rezept gehören die Zutaten Alpina "Pink Lady", Alpina "Beton Art", ein Elchkopf, 450 ml Kaffee und eine ahnungslose Schwiegermutter. Nach Alpina-Angaben werde der Kooperation große Glaubwürdigkeit bescheinigt, da Mälzer eine hohe Affinität zum Heimwerken besitze und bei der Produktentwicklung mitgewirkt habe.

Nach Ansicht von Carmen Rubinacci und Martin Lehmann vom Caparol Farbdesign Studio steht fest: "Attraktive Präsentationen von Farben wecken Assoziationen, machen Lust auf Gestaltung." Das Erzeugen von Stimmungen sei wesentlicher Bestandteil einer gelungenen Farbdarstellung. Entsprechend stehen auch bei den Alligator Farbwerken Emotionen im Vordergrund. Der Farbenhersteller bietet Fachhandwerkern mit seinem Servicepaket "Vitamin C" professionelle Präsentationsunterlagen, die unter anderem Farbgestaltungs-Software und einen Musterservice beinhalten. "Das Thema der kreativen Wandgestaltung geht über die Farbe hinaus und ist interessanter denn je - gerade für Profis", meint Alligator-Marketingleiterin Manuela Beiter. Sie verweist jedoch einschränkend darauf, dass in sozialen Einrichtungen weniger Wert auf Gestaltung, als vielmehr auf robuste Materialien und technische Eigenschaften gelegt werde.

Dinova setzt im dekorativen Bereich ebenfalls auf eine emotionale Darstellung, die im Großhandel den Verarbeiter ansprechen soll. Für seine Spatula-Produktreihe legt das Unternehmen aus Königswinter dem Profi hochwertig gestaltete Präsentationsunterlagen vor. Damit könne er seinem Kunden die hochwertige Technik vorstellen. Unterschiedliche Kollektionen von Farbtönen haben klangvolle Namen wie "Colori de Portofino", "Colori del Sole" und "Colori die Londra". Alle anderen Farben kann sich der Handwerker beim Handel über die Dinova-Farb-Mischanlagen abtönen lassen. Als Vorlagen dienen Farbtonblöcke, die laut Geschäftsführer Rüdiger Rösch den sich verändernden Trends angepasst werden.

Zero-Lack als Hersteller von Farben für Profis richtet sich ebenfalls vornehmlich an den Verarbeiter. Dieser könne über die Zero Mix-Tönlanlagen beim Farbengroßhandel vor Ort auf mehr als 2,3 Mio. Rezepturen zurückgreifen. Bei der Einführung des neuen Produkts Zero Magic Touch aus dem Segment "Art Design" wählte das Unternehmen darüber hinaus die flächendeckende Vorführung, um die dekorative Spachtelmasse bekannt zu machen. Eingeladen wurde zu Technik-Tagen, Maler-Frühstücken und anderen Veranstaltungen. "Nur so kann man die optische und haptische Besonderheit des Produkts erfahren", ist Marketingchef Harald Kranz überzeugt. Zumal die 70 möglichen Metallic-Farbtöne ihre Wirkung nicht auf Papier, sondern nur an der Wand entfalten würden. Mit dem Zero Magic Touch-Probe-Set könnten die Verarbeiter ein erstes Unikat selbst erstellen.

Bei der Profi-Marke Sikkens aus dem Hause Akzo Nobel dreht sich alles um zeitgemäße Farben. Das Unternehmen hat aus den mehr als 1.600 Farbtönen des "Sikkens Finest Selection 4041 Color Concept" 108 aktuelle Farbtöne für Lifestyle Colors ausgewählt und diese jeweils einer von vier Lifestyle-Kollektionen zugeordnet.

Durch die enge Zusammenarbeit mit der Akzo Nobel Koloristengruppe Analogue im Projekt Colour Envelope ist sichergestellt, dass die Farbtrends der Innenarchitektur umgesetzt werden. In einem ersten Schritt kann der Maler im Rahmen einer individuellen Beratung nun den Geschmack seines Kunden herausfinden und ihm einen Lebensstil empfehlen.

Acht neue Trendfarben

Jaeger Lacke geben dem Maler einen um 8 auf 88 Farbtöne erweiterten Villa Venezia Farbtonfächer an die Hand. Die neuen Farben wurden nicht nur nach den Trends ausgesucht, sondern anhand der am häufigsten gewünschten Sonderfarbtöne. Über eine edle Kalkpresstechnik mit Epoca Marmor, eine klassische Kalkpresstechnik mit Fresco Veneziano, eine Glättetechnik mit Stucco Veneziano und eine trendige Antiqua Feinputztechnik sind nun weitere kreative Wandgestaltungen möglich. Für das i-Tüpfelchen sorgt ein Gold-, Silber-, Messing- und Bronzespachtelwachs.

Eine Glamour-Vermarktung durch Stars passt nach Ansicht von Kerstin Mülders, Marketingleiterin bei Jaeger, nicht zu den ansonsten bodenständigen Problemlösern des Unternehmens. Denn Jaeger stelle außer den dekorativen Putzen aus dem Villa-Venezia-Programm vor allem Produkte wie Badewannen- und Fliesenlack, Isolier- und Absperrfarben, Markierungsfarben sowie Beton- und Bodenbeschichtungen her. Darüber informiert ein Beratungsleitfaden, den man Ende vergangenen Jahres herausgebracht hat. Er soll Verkäufern und Kunden helfen, für jedes Problem die passende Lösung zu finden. Die Großhandelskonzeption beinhaltet zudem die Platzierung von Jaeger-Präsentern im Eingangsbereich der Handelsunternehmen.

Der Leiter Marketing Service Facheinzelhandel bei Caparol, Burkhard Wagner, spricht sich dafür aus, Farbe zusammen mit weiteren Produkten der Heimtextilien-Branche zu zeigen. Dies setzten die Facheinzelhändler bereits um. "Da wir als Kunden nicht nur reine Farbenfachgeschäfte haben, sondern diese ergänzende Sortimentsbereiche wie Tapeten, Gardinen und Bodenbeläge führen, liegt es auf der Hand, alle Produkte miteinander verknüpft im Ladengeschäft oder Showroom zu präsentieren. Damit wird dem Endkunden eine Vorstellung davon vermittelt, wie die unterschiedlichen Komponenten zusammen wirken", sagt Wagner.

Ob nun Stars die Vermarktung übernehmen oder ein ganzheitliches Konzept gewählt wird - die Präsentation von Farben ist entsprechend der steigenden Nachfrage im Wandel begriffen. Einige Hersteller haben den Trend erkannt, andere denken zumindest über Verbesserungen nach. Fest steht jedenfalls: Die Vermarktung wird bunter.


Kommentar von Cornelia Küsel

Gefragt sind pfiffige Ideen

Es muss ja nicht gleich Guerilla-Marketing sein, um das gestiegene Interesse an Farbe als Gestaltungselement zu unterstützen. Das würde den eher konservativ ausgerichteten Verarbeiter kaum überzeugen, setzt es doch mit geringem Mitteleinsatz auf größtmögliche, Aufsehen erregende Wirkung. Aber ein bisschen mehr als ein technisches Merkblatt oder Farbtabellen könnte es schon sein, um die Farbe zeitgemäß ins rechte Licht zu rücken - unabhängig von der Zielgruppe. Denn sowohl der Endverbraucher als auch der Maler honorieren pfiffige Präsentationen.

Viele Hersteller haben das erkannt und feilen an ihren Strategien. Ein erster Schritt in die richtige Richtung sind moderne Farben bis hin zu neuen Farbkonzepten, die dem zunehmenden Bedürfnis nach individueller Wohnraum-Gestaltung entgegen kommen. Mutiger und erfolgreicher wäre es, noch weiter zu gehen und statt auf nüchterne Präsentationen zu setzen echte Erlebniswelten zu schaffen. Wem das gelingt, der hebt sich vom Wettbewerb ab. Mit guten und originellen Ideen adelt er die Farbe zu einem Lifestyle-Produkt und einem must-have der Inneneinrichtung.

Erste Unternehmen gehen hier mit gutem Beispiel voran. Sie wissen: Die Sinne entscheiden über den Kauf. Diese verstärkt anzusprechen, sollte für jeden Farbhersteller eine Herausforderung sein. Sonst besteht in unserer schnelllebigen Welt die Gefahr, dass er den Trend zu mehr Farbigkeit verschläft und der Konkurrenz den Vortritt lässt.
aus BTH Heimtex 03/11 (Farben, Lacke)